Review

„The Weight of Water“ von Kathryn Bigelow basiert auf einem Roman von Anita Shreve und erzählt auf zwei verschiedenen Zeitebenen die Geschichte eines brutalen Mordes im Jahre 1873, sowie weiteren Recherchen in der heutigen Gegenwart, die der verborgenen Wahrheit von damals auf die Spur kommen könnten...

Der erste Erzählstrang beschreibt die Verhältnisse einer norwegischen Immigrantenfamilie auf den Shoal Inseln vor der Küste von New Hampshire im Jahre 1873:
Hier kämpft ein junges Mädchen (klasse: Sarah Polley aus „eXistenZ“) gegen die Vereinsamung und den Geistern der Vergangenheit, welche sie eigentlich in der „alten Welt“ hinter sich gelassen zu haben hoffte. Eines Nachts wird dann ihre Schwester und die Frau ihres geliebten Bruders bestialisch mit einer Axt ermordet – sie selbst kann gerade noch fliehen und identifiziert den Killer als den Hilfsarbeiter der Familie.
Es kommt zum Prozess: Er wird schuldig gesprochen und schließlich gehängt, doch es scheint mehr hinter der Oberfläche des Falles zu liegen – etwas, das bis heute unentdeckt geblieben ist...

Im Jahre 2000 machen sich zwei Pärchen – eine Fotografin (Catherine McCormack aus „Spy Game“), die private Untersuchungen zu dem Fall anstellt / ihr Mann, ein bekannter Schriftsteller (Sean Penn) / sein Bruder (Josh Lucas, „Hulk“) / und dessen Geliebte (Elizabeth („Ed TV“) Hurley) – auf einer Segeljacht zum damaligen Tatort auf.
Je mehr sie sich mit den Aufzeichnungen von damals beschäftigen, desto mehr Zweifel kommen an der Geschichte auf – vielmehr gerät die einzige Zeugin von damals mehr und mehr unter ihren Verdacht...

Gleichzeitig werden die Spannungen zwischen den beiden Pärchen immer offensichtlicher: Jeder scheint irgendwie ein Auge auf den Partner des anderen zu werfen, vor allem da die jeweiligen Beziehungen aus unterschiedlichen Gründen kein stabiles Fundament zu haben scheinen – auch sie werden von den Geistern ihrer Vergangenheit verfolgt, die kein Glück zuzulassen scheinen...

Der Film springt nahtlos zwischen den Handlungssträngen und Zeitebenen hin und her und setzt dabei diverse stilistische Mittel (wie schwarz-weiß-Einstellungen) sparsam und unaufdringlich ein. Es geht um die menschlichen Gefühle der Protagonisten – wie Aufopferung, Vereinsamung, Liebe, Vertrauen und Begierde.

Die Elemente der Natur spielen als Metapher zur Gefühlsvisualisierung eine entscheidende Rolle: Beispielsweise sind die Shoal Inseln kahle, trostlose Landschaften, Himmel und Meer wirken die meiste Zeit kalt, und am Ende zieht gleichzeitig mit dem emotionalen Höhepunkt ein starker Sturm auf – danach ist für die Beteiligten nichts mehr so, wie sie es sich vorher gedacht hatten...

Der Film profitiert stark von seinen hervorragenden Schauspielern – allen voran der großartige Sean Penn, der beim Zitieren von Poesie und Reflektieren über sein Leben die besten (Dialog-) Szenen des Films hat.
Bis auf Liz Hurley, die nicht mehr als die Versuchung für Penn darstellt und dementsprechend (ohne schauspielerisch gefordert zu werden) ins Licht gerückt wird (z.B. beim Bikini- oder oben-ohne-Sonnen, oder beim Lutschen eines Eiswürfels...), spielen alle überzeugend. Ebenfalls herausragend ist die bereits oben erwähnte kanadische Jungschauspielerin Sarah Polley („the Claim“ / „Go“) – man sollte sie in Zukunft im Auge behalten...

Diese Genre-Kreuzung aus geschichtlichem Drama, Krimi und Thriller hatte es von Anfang an schwer – wegen Konkurs der Produktionsfirma kam er nur verspätet in die Kinos und wurde dann so gut wie übersehen.
Es geht um Poesie, menschliche Gefühle und Beziehungsstrukturen – Elemente wie Inzest, Verführung und Mord ordnen sich diesen Themen unter und dienen bloß als Vehikel.

„The Weight of Water“ ist kein Mainstream- oder Publikumsfilm – er überzeugt schauspielerisch und thematisch, ist jedoch nicht ohne Flausen:
Der Showdown auf dem Boot in stürmischer See als Ausdruck der Freisetzung aufgestauter Gefühle ist zwar handwerklich perfekt gemacht, doch im Endeffekt ein schon oft eingesetztes Motiv. Außerdem sind die Verzahnungen der beiden Handlungsebenen nicht ganz reibungslos gelungen – manchmal wirken die Parallelen nicht ganz geglückt. Mir ist bewusst, dass es bei der Geschichte sicher nicht um Spannungserzeugung ging, doch manchmal hätte ich mir genau das in einigen Szenen des Krimi-Teils gewünscht – nicht nur am Ende im Sturm...

Kathryn Bigelow ist für mich eine fast schon tragische Figur in Hollywood:
Nach dem genialen Einstand mit „Near Dark“ und den guten Thrillern „Blue Steel“, „Point Break“ und eine Folge des kult-Dreiteilers „Wild Palms“, landete sie mit dem vollkommen unterschätzten „Strange Days“ ein finanzielles Fiasko – es folgten der für sie ungewöhnliche „Weight of Water“ und der pure Mainstream-U-Boot-Thriller „K-19“, der ebenfalls zu einem ziemlichen Kritiker- und Publikumsflop avancierte. Schade, denn sie versteht ihr Handwerk wirklich gut, und ein Publikumserfolg wäre ihr mal wieder zu wünschen...

Abschließend betrachtet ist „the Weight of Water“ ein ruhiger Film über Poesie und Gefühle, in edlen Bildern verpackt und hervorragend gespielt – weder Kunst noch Kommerz, doch ein interessanter Film, der einen Blick wert ist.

= 7 von 10

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