Review

Die junge Stenotypistin Anna (Eleonora Giorgi) lernt zufällig den zynischen Geschäftsmann Marco (Bekim Fehmiu) kennen, dessen distanzierte, weltmännische Art die unbedarfte Frau sehr beein-druckt. Schnell verliebt sie sich völlig in ihn und Marco, der nach frustrierenden Erfahrungen mit seiner Ehe und anderen Liebschaften glaubt, dass die große Liebe sowieso nicht existiert, nutzt ihre „naive“ Liebe zu zynischen Liebesbeweisen aus. So macht er sadistische Spiele mit ihr und nötigt sie, um ihre riesige Liebe zu ihm zu denunzieren, auf den Strich für ihn zu gehen und ihm haarklein darüber zu berichten. Doch mit der Zeit merkt Anna, dass ihr Marcos Zynismus nicht mehr reicht und gerade bei der Frage des Nachwuchses eskaliert die Situation zwischen beiden.


Giorgio Stegani 1977 gedrehtes Melodram entstand in einer Phase des gesellschaftlichen Umbruchs in Italien – das Land wandte sich vom Patriarchat ab, Feminismus wurde intensiv diskutiert, neue Lebensmodelle und Ansichten. In diesem Umfeld prallen hier zwei Welten aufeinander, die diametral auseinander zu liegen scheinen… und doch am Ende mehr Ähnlichkeiten haben als gedacht.

Ich muss zugeben, dass der Film mich durchaus bewegt hat – nicht nur, weil die wunderschöne Eleonora Giorgi (für mich eine der schönsten Schauspielerinnen überhaupt) sich oft und gerne frei macht, sondern weil sie geradezu glühend und unbeirrt an eine wahre Liebe zwischen Menschen glaubt, abseits von Berechnung und Zynismus. Marco ist der klassische Zyniker, von denen man ja sagt, sie seien enttäuschte Romantiker. Und im ersten Moment erscheint Anna wie ein Opfer seiner Spielchen… aber er will sie nicht wirklich demütigen, er will sehen, wie weit sie bereit ist für diese Liebe zu gehen – ungläubig, belustigt, verwirrt und manchmal gerührt. Doch am Ende vertauschen sich die Kräfteverhältnisse immer mehr und Marco merkt, wie tief Annas Zuneigung ist.

Marco wirkt manchmal sehr berechnend, aber gleichzeitig auch extrem verunsichert: seine emanzipierte Ehefrau hat auch eine Affäre, was ihn wiederum sehr verwirrt und auch seine Tochter, die er vergöttert, sieht er schon verstörenderweise als berechnende Manipulatorin.


Ich musste manches Mal an „Der letzte Tango in Paris“ denken. Sicherlich hat er nicht die existenzialistische Tiefe und Bekim Fehmiu ist weiß Gott kein Marlon Brando, zudem hat Stegani seinen Film stellenweise recht geschmäcklerisch inszeniert, aber die Grundkonstellation hat mich daran erinnert. Ein typischer 70er-Jahre-Film, aber einer, dessen Story doch durchaus zeitlos ist. Gibt es wahre Liebe oder nur ein Konstruktion, um das Leben zusammen zu bewältigen?


Endlich gibt es ja von Donau-Film die ungeschnittene Fassung und es ist sehr interessant zu sehen, welche Teile aus der deutschen Kinofassung entfernt wurden. Keinerlei Sexszenen, sondern z.T. wichtige Verständnisszenen, so die, als Anna Marcos emanzipierte Noch-Ehefrau auf einer Veranstaltung kennenlernt und so manche ihrer Ansichten besser versteht. Das reißerische Coverbild ist nicht aus dem Film (und noch nicht einmal Signora Giorgi), dies sollte aber nicht abschrecken. Ein interessantes, zum Teil bewegendes Melodram mit einer sensationell schönen und souveränen Hauptdarstellerin (ich weiß, ich wiederhole mich!).

7/10.

Details
Ähnliche Filme