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Im Kantonesischen Kino haben es die Kinder berühmter Schauspieler wahrscheinlich genauso schwer wie woanders auch, aus dem Schatten ihrer Eltern herauszutreten; wenn sie denn den gleichen Berufsweg einschlagen wollen. Das Interesse ist vielleicht erstmal sogar vorhanden und die nötigen Beziehungen stehen ja sowieso; aber ob das Publikum das neue Talent annehmen wird oder überhaupt die Fähigkeit von Können vorhanden ist, zeigt sich dann meistens auch recht schnell.
In den letzten Jahren haben dabei einige Sprösslinge versucht, den Fußstapfen ihrer Erziehungsberechtigten zu folgen; richtig geglückt ist es dabei wohl nur Nicholas Tse. Dieser kann mittlerweile durchaus auch als Star bezeichnet werden und ist sogar mit seinen tatsächlichen Leistungen auf der Leinwand [ und im Musikstudio ] positiv aufgefallen. Vater Patrick Tse – der 60er und 70er Jahre Matineeidol war und teilweise auch noch aktiv ist – hat genug Gründe stolz zu sein.
Das wars aber auch fast. Timmy Hung hat sich in Nebenrollen etabliert, aber braucht dazu fast immer die Kontakte von Sammo; Terence Yin schafft dies sogar ohne seine Mutter Jenny Hu, aber ist sehr strikt auf fast nur eine Rolle festgelegt. Carl Ng, Derek Tsang und Alan Kuo sind ebenfalls einige Male zu sichten gewesen, aber nur Eingeweihten ein Begriff.
Jaycee Chan ist es gleich von vornherein fast unmöglich, auch nur in die Nähe des Ruhmes seines Vaters heranzureichen; aber zumindest hält er bei dessen Vielzahl an Pseudonymen mit.
Auch nicht gerade einfach in der Hinsicht hat es Shaun Tam Chun - yin; dem Sohn von Ti Lung.

Tam versucht es dabei eher mit kleinen Schritten und leisen Rollen; spielte in Dramen wie Jacob Cheungs Midnight Fly [ 2001 ] oder Ann Huis July Rhapsody [ 2002 ], und tauchte in den Ensemblefilmen Six Strong Guys [ 2004 ] und Marriage With A Fool [ 2006 ] unter. Allerdings stieg er auch schon mal in den Ring und präsentierte sich in Star Runnner [ 2003 ] zumindest vom Optischen her als durchaus geeignet, auch in schlagkrätigeren Rollen aktiv zu werden. Fehlt nur noch das richtige Projekt dafür.
Gray war es jedenfalls nicht.

Dabei hätte man allein von der Geschichte her wahrscheinlich Möglichkeiten gehabt, sich etwas profitabler zugestalten als es letztlich geglückt ist. Allein das Drehbuch gibt nämlich unter Umständen schon einige Optionen vor, die Gelegenheit für ein positiv aufgenommenes Werk bieten könnten. Die Killerthematik hat sich im asiatischen Raum desöfteren Beliebtheit erfreut und ist nicht nur in verschiedenen Bloodshed – Filmen und John Woos The Killer speziell zum Vorschein gekommen, sondern wurde auch genreübergreifend aufgegriffen und angenommen. Durch die vielen Vertreter sind die Anlagen einerseits sehr stabil vorgegeben, aber eben auch bewährt; wenn man die Vorgaben handwerklich gekonnt umsetzt kann man sich ebenso Vorteile verschaffen wie wenn man etwas andere Schritte einlegt. Gray versucht schon, etwas aufzufallen, aber die gewählten Mittel sind nicht geeignet; ein Hervorstechen trotz der anspruchslosen Ausgangslage gelingt entweder kaum oder vermehrt in negativer Hinsicht.

Gedreht wurde in Taiwan, worauf die Produktion scheinbar auch sehr stolz ist; der Schriftzug „Made in Taiwan“ taucht nämlich mit in den Credits auf. Bei der Vorstellung und Einführung sind den Machern – zu denen übrigens Kevin Chu Yen - ping als Ausführender Produzent und Geldgeber gehört – ohnehin bereits die ersten Zügel entglitten; anders lässt sich nicht erklären, dass man diverse Naturkatastrophen voranstellt und für einige Sekunden fast eine apokalyptische Stimmung verbreiten möchte. Ausserdem fügt man noch „Where there is no cat, the rat is king“ als Proverb an den Beginn; ganz offensichtlich möchte man von Sekunde Eins an mehr Eindruck schinden. Daraus ergibt sich aber nicht viel, wenn man diesen Auftakt schnell fallenlässt und es sich nur als reine Pose entpuppt; nichts davon wird weitergeführt oder wenigstens noch einmal als Querverbindung in Beschlag genommen. Die inhaltlichen Bezüge auch untereinander sind generell nicht die Stärksten; man verfolgt die Geschichte zweier Personen, behält diese aber zumeist nur in einer nicht überschneidenden Parallele im Auge:

  • - Killer Ping [ Shaun Tam ] hat als Kind seine Eltern in einem Mord verloren. Er wurde von Kuan [ Ti Lung ] aufgezogen und gedrillt; will jetzt aber aussteigen. Kuan warnt ihn vor den Konsequenzen.
  • - Polizist Big Chou [ Hsia Ching Ting ] übt seinen Job seit 20 Jahren zwar mit Leidenschaft und Insbrunst aus, aber kommt durch seine fehlenden Manieren nicht wirklich voran. Sein ehemaliger Klassenkamerad Sunny [ Lindsey Huang ] kann die Partitur des Bückelns besser spielen und ist nunmehr sein Vorgesetzter. Das reicht ihm aber noch nicht; er treibt es auch mit Chous Frau Rose [ Yu Lih ], die nunmehr ihre damalige Wahl des Ehemannes bereut.
Dies als eindeutig auszumachendes Element in der Narration. Die angesprochene Grauzone soll sich zwischen Liebe und Hass, Leben und Tod, Richtig und Falsch abspielen; dazwischen geschehen noch einige wenige Dinge, die aber trotz ihrer Zugehörigkeit nicht wirklich klar erscheinen. Die Schuld dafür liegt beim Regisseur Lin Helong, der mehrere Male nicht in der Lage ist, die Verhältnisse transparent zu zeichnen. Statt einer Entzifferung widmet er sich mit allen Kräften der Inszenierung selbst, die er als eine Art Spielplatz für verschiedene Techniken missbraucht. Wisch- und Blendeffekte wechseln sich ab und erstellen nur Fragmente. Die oftmals langanhaltend dauernde Bruchstückenhaftigkeit entsteht weiterhin durch die unruhige Kamera, die sich in Perspektivenwechseln ergeht, dem Überlappen von Farbfiltern und der quengligen Abspielgeschwindigkeit, die sich zuweilen sinnlos beschleunigt oder verzögert.
Eine Taktik dahinter ist selten erkennbar.
Wonach ihm grad der Sinn steht anscheinend.

Die Bildgestaltung ist eher ausgebleicht, wodurch das Gesamtaussehen blass und dünn wirkt; ausser wenn die Kontraste überschärft werden, was leider häufiger in eingespielten Erinnerungen vorkommt.
Die chronologische Reihenfolge ist infolgedessen auch nicht immer eindeutig strukturiert; es gibt immer mal Momente, wo man gar nicht so sicher sein kann, wann was abläuft und wer mit wem genau. Man sieht es ja nicht.
Stattdessen bekommt man lückenhafte Schemata geboten, die sich auch zu wiederholen scheinen; immerhin sind mehrere Gewohnheiten eingebracht, die nicht nur alle Jubeljahre auftauchen und geradezu zelebriert werden. Es wird viel getrunken, es wird auch viel Sex gemacht; manchmal hier und jetzt und manchmal in der Vergangenheit. Und manchmal kann man eben nur spekulieren, wann und wo man sich gerade befindet, weil Wahrheit, Vorstellungen und Einbildungen undeutlich definiert werden und man sich einzig auf das Wort „Schicksal“ als Aussage verlässt.

Durch diese unvollkommene Regieführung entgehen einem leider auch die Wirkung gelungener Versatzstücke. Das Eheleben der Chous findet nämlich ein paar Male wirklich den passenden Ausdruck für die Kälte, die mittlerweile zwischen den einstmals Liebenden entstanden ist. Diese Dreiecksbeziehung – sein Vorgesetzter ist ja trotz Big Chous Nichtwissen unweigerlich mit involviert – ist auch bei weitem der interessantere Punkt im Film. Vor allem nachdem der Gehörnte während einer unvorschriftsmässigen Polizeiaktion mit dem Seitensprung konfrontiert wird und dabei auch Killer Ping vor die Flinte läuft, der gerade einen Auftrag erledigen will.
Bis dahin vergeht aber eine ganze Weile, die nervigerweise damit zugebracht wird, das Innenleben der Figuren in permanenten Monologen erfassen zu wollen. Die Darsteller sind soweit okay, aber wenn Gezeigtes und damit Bekanntes noch einmal verbalisiert wird, entfacht diese Überpräsenz kaum Anreiz für Begeisterungsstürme. Die rapide aufkommende Künstlichkeit des Filmes trägt sich auch in den wenigen Actionszenen aus; mit Unschärfen, preislich und gestalterisch niederen Computertricks und veralteter Bullet Time lockt man keinen vermehrten Applaus hervor.

Das ist alles nicht real; man schafft es partout nicht, irgendetwas „normal“ zu filmen, sondern schweift immer wieder zu einer Art Green Screen ab. Artifizielle Optik, synthetische Gefühlen und Pseudo – Botschaften.
Eine Geduldsprobe im Blaustich. Ein missglücktes Experiment. Mehr nicht. Hätte mal Kevin Chu lieber selber zur Kamera gegriffen.

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