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Aufgrund des internationalen Erfolgs seiner exploitativen Italo-Reißer („Jäger der Apokalypse“, „Höllenkommando zur Ewigkeit“, „Im Wendekreis des Söldners") wurde auf Antonio Margheriti („Piranha II - Die Rache der Killerfische“, „Indio“) der Schweizer Produzent Erwin C. Dietrich aufmerksam. Sonst vornehmlich eher auf dem Erotik-Sektor aktiv, erkannte der erfolgreiche Österreicher das finanzielle Potential dieser Materie und unterbreitete dem italienischen Regisseur das Angebot für ihn einen ähnlichen Streifen zu inszenieren.
Für Margheriti änderten sich die Voraussetzungen nur insofern, dass er zum Teil mit einer deutschsprachigen Crew arbeiten musste und endlich bekanntere Darsteller vor die Kamera bekam, die der anschließenden Veröffentlichung eine größere Aufmerksamkeit garantierten.
Die fragwürdige Ideologie blieb dem höchst reaktionären Stoff genauso erhalten wie seine unzähligen Klischees, die herbe Gewaltdarstellung, die martialischen Dialoge („Ihr müsst sie finden. Bestraft sie, wie es sich gehört. Ein früher Tod wäre keine Bestrafung. ... und fotografiert sie zur Abschreckung!) und die triviale Simpelstory.

„Geheimcode Wildgänse“ muss sich letztlich nur ganz knapp „Jäger der Apokalypse“ geschlagen geben, weil der inoffizielle Grundstein dieser Reihe knallharter Dschungelactionfilme directed by Margheriti eine Spur mehr Flair besitzt.
Dafür identifiziert sich dieser Beitrag immerhin als bester der später zu einer losen Trilogie ausgebauten Söldner-Filme unter europäischer Flagge. Denn für den Auftakt gewährte Erwin C. Dietrich ein relativ stattliches Budget, mit dem Margheriti wie gewöhnlich effektiv haushielt.
„Geheimcode Wildgänse“ ist von dieser sechs Filme umfassenden Reihe deshalb der spektakulärste wie professionellste und sieht weit teurer aus als er eigentlich war. Der Erfolg gab diesem Film damals recht, denn er lief nicht nur in den deutschen Kinos ziemlich erfolgreich, sondern fand weltweit interessierte Distributoren. Das Wort Wildgänse im Titel half dabei natürlich, stellte aber eine Verbindung zum britischen „The Wild Geese“ her, wo überhaupt keine existierte.

Für weitere Aufmerksamkeit sorgte natürlich die schillernde Besetzung, aus der sich vornehmlich auch die beiden Sequels zusammensetzen sollten. Lewis Collins galt dank „Who Dares Wins“ und der erfolgreichen britischen Serie „The Professionals“ noch als vielversprechender Schauspieler, der über Umwege (u.a. Musiker und Komiker) seine Berufung als Söldner gefunden hatte und damit seiner Karriere wohl letzten Endes auch leider irreparablen Schaden zufügte, während ein Ernest Borgnine („The Wild Bunch“, „Airwolf“) und der gealterte Lee Van Cleef („Für ein paar Dollar mehr“, „Escape from New York“) wohl schon für ein Handgeld an das philippinische Set zu locken waren. Vor allem Collins merkt man allerdings auch an, dass er sich als Anführer Mühe gibt ein wenig aus der Gruppe herauszustechen. Er kommt so auch gleich viel charismatischer rüber als in seinem ungleich lustlosen Auftritt in „Der Commander“.
Der unvergessliche Klaus Kinski, der vor allem gegenüber Borgnine mehrmals den Eindruck erweckt, als würde er halbironisch in sich hineingrinsen und gleichzeitig ziemlich zusammenreißen, um nicht mit ein paar lautstarken Kommentaren herauszuplatzen, genießt hier natürlich Sonderstatus, pflegt sein Image aber erst spät. Für den Rest, nämlich die selten schauspielende Elite deutscher Synchronsprecher (u.a. Manfred Lehmann, Thomas Danneberg, Frank Glaubrecht, Hartmut Neugebauer und Wolfgang Pampel), bleibt da nur der Support. Nun sind ihre Stimmen generell ohnehin beeindruckender als ihre mimischen Fähigkeiten.

Für schwache Nerven ist natürlich auch dieser brutale Actionreißer nichts, denn Margheritis sehr plakative Darstellung von Gewalt genießt einmal mehr seinen Exploitation-Charakter. Infolge dessen gibt es von Kopfschüssen über Massenexekutionen an Zivilisten bis hin zu schmerzhaft deutlichen Wunden und durchbohrten Gliedmaßen in gewaltverherrlichender Art viel Unappetitliches zu begutachten, das dem einen oder anderen Zartbesaiteten eventuell den Magen umdrehen könnte.

Der abgebrühte Genrefan kommt dagegen auf seine Kosten, weil Margheriti das Optimum aus seinen Möglichkeiten schöpft. Einen ansprechenden Score an Bord zu haben, gilt natürlich als Grundvoraussetzung. Der treibende, traditionelle Synthesizerscore garantiert auch von Beginn an gleich die richtige Stimmung.
Der unübersichtliche Dschungel erweist sich dabei freilich einmal mehr als optimaler Schauplatz, indem sich die hartgesottene Söldnertruppe ohne Hemmungen austoben darf. Dieses Mal wird sie übrigens von der DEA (vertreten durch einen zu naiven Borgnine) angeheuert, um im Goldenen Dreieck eine Opiumplantage im Dschungel platt zu machen und eine Diskette mit wichtigen Informationen über alle ins Drogengeschäft verwickelte Hintermänner zu beschaffen. Bisher konnte dort noch keine Einheit Erfolge verzeichnen, deswegen heuert man Wesleys Elite an.
Wieder avancieren sie jedoch nur zum Spielball verräterischer Hintermänner und deswegen gehen folgerichtig einige Recken drauf. Am Ende erwischt es aber doch die richtigen. Man kennt den Ablauf ja zu genüge und viel Neues fiel Gianfranco Couyoumdjian und Tito Carpi zu dem allseits bekannten Thema natürlich auch nicht ein. „Der Commander“ recycelte übrigens nicht nur diesen Plot fast 1:1 sondern auch noch etliche Szenen.

Den Unterschied zu verwandten Genrefilmen macht einmal mehr Margheritis überzeugende Inszenierung, die mit viel exotischem Lokalkolorit punkten kann und sich während der Exposition auch noch in Hongkong (Ich hoffe, es ist wirklich Hongkong) aufhält, wo die wuselige Metropole einen guten Kontrast zum anschließenden Dschungelgemetzel bildet. Darüber hinaus muss er zusehen, dass er die formelhafte Geschichte auch flott durchzieht und sie keinerlei größeren Lächerlichkeiten preisgibt. Es knartscht angesichts der allgegenwärtigen Formelhaftigkeit nämlich deutlich im Plotgebälk.
Helikopter-Pilot Lee Van Cleef wird beispielsweise in bester „The Dirty Dozen“ – Manier gegen den Willen Klaus Kinskis für das Unternehmen geworben und später trifft man mitten im Dschungel auch auf einen vollbärtigen Missionar (Margheriti-Regular Luciano Pigozzi), der die dezimierte und angeschlagene Söldnertruppe medizinisch versorgt.

Die hier wirklich sehenswerten Miniaturtricks, die ich zu den absolut besten zähle, die jemals in Margheritis Filmen zu sehen waren, sorgen natürlich regelmäßig für kleine Highlights.
Insbesondere die steile Verfolgungsjagd durch den Tunnel mit irren Stunteinlagen und die totalen Zerstörungsorgien der zweiten Hälfte mit einem flammenwerferbestückten Helikopter seien dabei hervorgehoben, denn perfekter kann man so etwas kaum noch umsetzen. Antonios Sohn Edoardo (Ich glaube ihn im Finale als Scherge mit Sonnenbrille und rotem Stirnband identifiziert zu haben), der mal wieder die Second Unit übernahm und auch die Modelle konstruierte, leistete für diesen Film wirklich bravouröse Arbeit. Die charmante Tricktechnik wird hier häufig wie nie bei Margheriti eingesetzt. Neben einer inklusive Zug explodierenden Brücke bleibt auf jeden Fall noch die Flucht mit dem Helikopter aus dem Hangar, in den ein LKW rast, im Gedächtnis hängen.

Neben der obligatorischen Einführungsmission, die sich hier als Training entpuppt, fährt „Geheimcode Wildgänse“ ansonsten noch liebevoll alle traditionellen Genrestandards auf: Die mies gelaunten Söldner saufen nur Dosenbier und pokern um Patronen, Wesley selbst erhält noch eine persönliche Motivation, eine obligatorische Flussfahrt wird ins Programm aufgenommen und so weiter. Nach Vorschrift werden alle elementaren Aspekte des Subgenres abgehakt, ohne dass echte Längen entstehen, obwohl man sich das ein oder andere Klischee auch sparen hätte können.
Super inszeniert, ist vor allem der nächtliche Diebstahl des Helikopters im Dschungel mit der lebensgefährlichen Klettereinlage am Seil, die vermutlich kaum so gut abgesichert wurde, wie in einem heutigen Hollywoodblockbuster.

„Geheimcode Wildgänse“ verbindet ansonsten die üblichen Stärken von Margheritis Actionfilmen. Die zahlreichen Scharmützeln mit einem enormen Bodycount werden mit vielen pyrotechnischeren Spielereien und etlichen Explosionen versehen, als wolle der Pyromane Margheriti gar nicht mehr damit aufhören irgend etwas in die Luft zu jagen.
Der gesamte Ablauf wird dabei schnörkel- und längenlos durchgezogen, selbst eine gewisse Ästhetik in Verbund mit Slowmotion kann man in einigen Szenen entdecken.
Die bisweilen allerdings menschenverachtenden Gewaltausbrüche könnten beim unbedarften Zuschauer schon auf Unverständnis stoßen, gerade weil sie nicht nur vom bösen Drogenbauern, sondern auch von Wesleys Männern ausgehen. Die schroten nämlich genauso unbarmherzig durch die Gegnerhorden und machen auch keine Gefangenen. Dafür befreien sie welche auf dem Stützpunkt der ersten Drogenfarm. Unter ihnen befindet sich auch eine drogensüchtige, amerikanische Reporterin, die sich zwangsweise selbst auf Entzug setzt, von den Männern mitgeschleppt wird und einem verletzten Söldner das Morphium in die Venen jagt. Herrlich, wie einfach das manchmal gehen kann...

Dazu serviert Margheriti fast pausenlos Actioneinlagen und geht ein hohes Tempo. Zwischendurch dürfen zwar in Atempausen fernab des Dschungels in der sicheren Metropole der besorgte Borgnine und Kinski kurz ihre gegensätzlichen Standpunkte vertreten, aber genauso schnell kehrt die Handlung wieder in den Dschungel zurück, wo Wesley nach einem Massaker an zivilen Personen seinen dezimierten Trupp zum Weitermachen anspornt, obwohl ihr Job, für den sie bezahlt werden, längst getan ist.
Deswegen kapern sie noch flugs einen Zug und kämpfen sich in eine zweite Opiumfarm, die von Sprengfallen und unter Starkstrom stehenden Stacheldraht umgeben ist und ungleich besser von Handlangern mit MGs und Bazooka bewacht wird. Aber so etwas kann die abgehärteten Recken genauso wenig davon abhalten einzudringen wie nächtliche Attacken hinterhältiger Attentäter. Und selbst wenn man mal in der Notlage steckt, opfert sich eben jemand tollkühn mit einem heldenhaften Tod, um den Kameraden vorübergehend das Überleben zu sichern.

Antonio Margheriti brennt mit „Codename Wildgänse“ summa summarum bis zum Schluss ein Actionspektakel ab, das, bis zur abschließenden Exekution der einflussreichen Gegner in den eigenen Reihen, die Formel reaktionärer Söldnerabenteuer geradezu zelebriert. Grob wildert das Drehbuch dafür im Genre und verdient dem Film damit auch seine Exploitation-Klassifizierung, während die Riege bekannter Darsteller halb belustigt oder halb bemüht irgendwie versucht zwischen den Actionszenen mit der banalen Handlung und den politisch unkorrekten beziehungsweise arg peinlichen Dialogen (Die Diskussion von Wesley und Robson im nächtlichen Dschungel ist ein Knüller!) klar zu kommen.


Fazit:
Von Rassismus bis zu einer bedenklich reaktionären Tendenz kann man „Codename Wildgänse“ sicherlich viel vorwerfen. Denn dieses Reißbrettszenario ist auch in diesen Anklagepunkten vorbehaltlos schuldig. Dafür macht er aber auch richtig Laune, sofern man etwas für günstige Euro-Dschungelactionfilme auf den Philippinen übrig hat.
Antonio Margheriti ruft souverän seine Klasse ab, geht eine hohe Pace, sorgt für Atmosphäre in der Botanik und feiert zusammen mit seinem Sohn Edoardo ein beeindruckend kurzweiliges Actionfest ab. Ob der Perfektionismus der Miniaturtricks, oder die unzähligen, extrem brutalen Shootouts mit hohen Bodycounts und viel Pyrotechnik, die sich dahinter verbergenden Macher wussten, wie sie es mit dem begrenzten Budget richtig angehen mussten.
Mitsamt der illustren Schar bekannter Gesichter und noch bekannterer Stimmen ergibt dies deswegen einen inhaltlich natürlich tendenziell extrem bedenklichen Genrevertreter, der sich in Gewalt suhlt, die dazugehörigen Klischees mit Baggern ankarrt, haarsträubende Dialoge kredenzt, dabei aber genauso überzeugend eine packende Dschungelatmosphäre entwickelt und garantiert keine Längen besitzt. Besser geht es angesichts der Ausgangslage eigentlich nicht. Somit gehört „Codename Wildgänse“ zu den perfekten Paradebeispielen europäischer Action-Exploitation.

Nebenbei: Van Cleef erhält übrigens die Gelegenheit auf seine Rolle in „Für ein paar Dollar mehr“ anzuspielen. Als er von Wesley (Collins) darauf hingewiesen wird, dass er ihn gefälligst mit Captain ansprechen soll, antwortet er nur süffisant „Mich haben sie mal Colonel genannt. Ist aber schon eine Weile her“.

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