"L'avvartimento" (Die tödliche Warnung) bedeutete nicht nur einen Schnitt im Schaffen des Regisseurs Damiano Damiani, der nach 1980 nur noch selten für das Kino arbeitete und sich vermehrt dem Fernsehen zuwandte, sondern auch einen Schlusspunkt im Polizieschi-Genre. Nachdem er mit "Amityville II: the possession" (Amityville 2: der Besessene) 1982 eine Auftragsarbeit in Hollywood abgeliefert hatte, setzte Damiani mit "La piovra" (Allein gegen die Mafia) 1984 neue Maßstäbe für eine Fernsehserie. In dieser griff er seine seit "Il giorno della civetta" (Der Tag der Eule, 1968) mehrfach wiederholte Thematik der Unterwanderung der italienischen Gesellschaft durch die Mafia erneut auf, die auch in "L'avvartimento" den Anlass für die Handlung lieferte, ohne darüber hinaus Gegenstand einer genaueren Betrachtung zu werden.
Im Mittelpunkt stehen stattdessen die polizeilichen Ermittlungen, da die Story fast ausschließlich aus dem Blickwinkel von Commissario Antonio Baresi (Giuliano Gemma) erzählt wird, womit Damiano Damiani ein letztes Mal auf das Polizieschi-Genre zurückgriff, dass seinen Zenit 1980 schon deutlich überschritten hatte. Ein Jahr zuvor hatte Giuliano Gemma in "Un uomo in ginocchio" (Ein Mann auf den Knien) erstmals unter seiner Regie einen Dieb verkörpert, der in die Mühlen der Mafia gerät, aber in "L'avvartimento" trat er das Erbe eines Franco Nero an, der in Damianis Polit-Thrillern der frühen 70er Jahre für die Aufklärungsarbeit zuständig war. Der Bogen, den Damianis Film damit spannte, lässt sich auch den beteiligten Drehbuchautoren ablesen - Massimo De Rita und Arduino Mauri waren schon an Carlo Lizzanis "Banditi a Milano" (Die Banditen von Mailand, 1968) und Sergio Sollimas "Città violentà" (Brutale Stadt, 1970) beteiligt, die das Polizieschi-Genre früh beeinflussten.
Schon in der Eingangssequenz charakterisiert Damiani seinen Protagonisten als einen Einzelkämpfer, der konsequent nur seinen eigenen Maßstäben folgt. Während die nächtliche Geliebte seine Wohnung in dem Wissen verlässt, dass ein Wiedersehen eher unwahrscheinlich ist, entdeckt Baresi auf seinem Kontoauszug einen hohen Geldbetrag, dessen Herkunft er sich nicht erklären kann. Nachdem ihm seine Bank die Korrektheit der Überweisung bestätigte und er wenig später im Polizei-Präsidium einen anonymen Anruf erhält, der Gegenleistungen dafür erwartet, formuliert er sofort seinen Austritt aus dem Polizeidienst, um nicht erpressbar zu sein. Nur ein brutales Attentat auf seinen Vorgesetzten Lagana (Franco Odoardi), der mitten im Polizeigebäude von drei als Polizisten verkleideten Attentätern ermordet wird, ändert seine Pläne - gemeinsam mit dem Polizeipräsidenten Martorana (Martin Balsam) soll er nicht nur die Mörder finden, sondern das Geflecht aus Korruption, in dem scheinbar auch Lagana verstrickt war, entwirren.
Anders als in Damianis zuvor gedrehten "Io ho paura" (Ich habe Angst, 1977), in dem Gian Maria Volonté einen demoralisierten Polizisten mimte, der erst seine Ängste überwinden musste, wirkt Giuliano Gemma in seiner Rolle als Commissario keinen Moment verunsichert und tritt ähnlich energisch gegen einen übermächtig wirkenden Gegner an, wie ihn Franco Nero in "Confessione di un commissariodi polizia al procuratore della repubblica" (Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauerte, 1971) als Staatsanwalt verkörperte. Dieser Rückgriff auf Damianis Frühphase des politisch motivierten Polizieschi, wird noch durch die Besetzung Martin Balsams betont, der hier seine damalige Rolle an der Seite Neros variierte und erneut in den Verdacht gerät, selbst korrupt zu sein. Damit zitierte sich Damiani nur vordergründig selbst, denn inhaltlich vertauschte er die Rollen. Nicht der sich auch illegaler Methoden bedienende Commissario steht in "L'avvartimento" im Verdacht, mit den Verbrechern gemeinsame Sache zu machen - wie noch in Damianis 1971 gedrehten Film - sondern der betont konservativ auftretende, bürgerliche Polizeipräsident.
"L'avvartimento" wirkt in dieser sich verändernden Charakterisierung wie ein Kommentar zum vergangenen Jahrzehnt des Polizieschi. So pessimistisch Damianis frühere Polizeifilme auch waren, so behielten sie immer eine integre Figur im Zentrum, selbst wenn diese menschliche Schwächen aufwies. Der von Gemma verkörperte Commissario zeigt dagegen auch Charakterzüge des von Maurizio Merli ("Roma a mano armata" (Die Viper, 1976)) gespielten zwar unbestechlichen, aber rücksichtslos vorgehenden Polizistentypus, etwa wenn Baresi die attraktive Witwe Silvia Lagana (Laura Trotter) trotz ihrer offensichtlichen psychischen Anfälligkeit unter Druck setzt, weil er glaubt, dass sie mehr weiß, als sie zugibt, oder er ein Attentat auf den Polizeipräsidenten vortäuscht, um diesen zu verunsichern. Dank Gemmas ruhigem Spiel, seinem Verzicht auf übertriebene Emotionen, für die in "L'avvartimento" sein Kollege Brizzi (Giancarlo Zanetti) zuständig ist, und seines intellektuellen Auftretens, blieb diese Figur trotzdem in Damianis Sinn eigenständig.
Wie gewohnt streute der Regisseur nur wenige, entsprechend beeindruckende Actionszenen ein - besonders der kaltblütige Mord im Polizeipräsidium ist sehr graphisch dargestellt - und legte das Schwergewicht auf den sprachlichen Diskurs. Nur langsam erschließen sich die Zusammenhänge zwischen politischen Interessen, den mafiösen Strukturen und einem korrupten Polizeiapparat, wodurch Damianis Film trotz der spannenden Thematik eher den Gestus eines realistischen Films annimmt - zusätzlich betont durch die unprätentiösen Bilder der grauen und dreckigen Großstadt Rom. Entsprechend mündet der Film in kein abschließendes Actionspektakel, sondern in eine lange Szene um die Hochzeit eines jungen Paares, zu der sich die einflussreiche Gesellschaft Roms versammelt hat. Fast provozierend ruhig gestaltet sich der Film in seiner Endphase, verzichtet zwar nicht auf dramatische Ereignisse, lässt diese aber nur parallel zur Haupthandlung stattfinden – dem Gespräch zwischen dem Commissario und dem Polizeipräsidenten, dass die abschließenden Konsequenzen auslöst.
Zusammengefasst wird deutlich, warum „L’avvartimento“ nur wenig Erfolg hatte. Einerseits die gröberen, plakativen Stilmittel eines Polizieschi nutzend – einem zum Drehzeitpunkt unpopulären Genre – bleiben in Damianis Film trotzdem die Zwischentöne bestimmend, sind es die im Detail verborgenen Verhaltensweisen, die erst über Macht oder Ohnmacht entscheiden. Auch die von Gemma souverän gespielte Figur eines unbeirrbaren Commissario, sowie das unerwartete Ende täuschen nur vordergründig darüber hinweg, dass Damiano Damiani nichts von seinem pessimistischen Blick verloren hatte – „L’avvartimento“ wäre als sperrige Entdeckung dringend für eine angemessene Veröffentlichung zu empfehlen. (8/10)