Staffel 10
Mit der zehnten Staffel – nach langer Zeit im Privatfernsehen die dritte für den Video-on-Demand-Anbieter amazonPrime – endet die erfolgreiche deutsche SitCom „Pastewka“ im Jahre 2020 auf ihrem Zenit. Zu den im wahrsten Sinne des Wortes lachenden Augen, mit denen man sich diese zehn Episoden umfassende Abschiedsvorstellung ansieht, gesellen sich also auch weinende. Die hier geschilderten Eindrücke sind als Ergänzung zu meiner Auseinandersetzung mit den vorausgegangenen Staffeln zu verstehen.
Anne und Bastian sind nach einem Jahr zurück aus Afrika, wo Anne für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen tätig war, um Abstand von ihren Beziehungen – insbesondere der zu Bastian, von dem sie sich zu dessen Leidwesen getrennt hatte – zu gewinnen. Doch Bastian war ihr Hals über Kopf nachgereist. Und siehe da: Der Aufenthalt auf dem Kontinent und die Konfrontation mit wesentlich existentielleren Dingen und Herausforderungen als das Fernsehgeschäft hat ihn geerdet und ihm sichtlich gutgetan. Er ist nicht nur mit sich, sondern auch mit Anne im Reinen; man ist sich einig, nunmehr lediglich gute Freunde zu sein. Zurück zu Hause überschlagen sich jedoch bald wieder die Ereignisse, von denen das herausragendste Annes Kinderwunsch ist. Bastian bietet sich als Samenspender an…
Ja, die aktuelle diverse Gesellschaft findet in dieser Staffel verstärkt Entsprechung: Ungebundene Frauen mit Kinderwunsch sowie eine bisexuelle Svenja Bruck, die sich von Hagen getrennt hat und nun mit einer Frau zusammenlebt, während Hagen weiterhin seiner Vaterrolle nachkommt (bzw. nachkommen soll). Beides birgt natürlich viel Konflikt- und komisches Potential, das die Drehbücher genüsslich und bewusst bis an die Fremdschamgrenze gehend auskosten. Auch Bastians ältere Nichte Kim ist von partnerschaftlichen Veränderungen betroffen, konkret: Sie hat sich mit ihrem neuen Freund, einem jungen Mann aus der Oberschicht, verlobt und wird ihn ehelichen. Wiedersehen gibt es auch mit Annes Eltern und Jo, wo es zu Zwischenfällen mit Kutteln sowie einer Geschenkkarte mit Sprachaufnahme kommt, mit Anke Engelke, die Bastian zu albernen Gastauftritten in ihre „Sendung mit dem Elefanten“ zerrt sowie mit Michael Kessler, der Bastians Nachfolge in der kitschigen ZDF-Krankenhausserie als Chefarzt Dr. Roman Engel angetreten hat.
Richtig, der Gag mit der Arztserie war noch lange nicht durch – hier wird nunmehr nicht nur ein derartiges Format persifliert, sondern auch die Selbstverliebtheit ihrer Hauptdarsteller. Die Episode, in der man einen Drehtag am Set dabei ist, zählt zu den Höhepunkten dieser Staffel. Und so ganz nebenbei wird dort sogar indirekt Werbung für fleischlose Burger gemacht, ohne sich darüber lustig zu machen. Vater Volker indes steht nicht mehr so sehr über den Dingen wie sonst, hat auch sein Päckchen zu tragen. Er fungiert als Stichwortgeber für einen von mehreren Running Gags: der Frage nach Bastians Geschenk für ihn, das sich angeblich auf dem Postweg aus Afrika befindet. Ein weiterer dreht sich um Bastians Versuche, seinen vor der Abreise nach Afrika im Parkhaus abgestellten Saab wiederzubekommen, ohne mehrere tausend Euro Gebühren zahlen zu müssen. Der beste aber: Annes und Bastians verzweifelte Versuche, Zeit und Muße zu finden, um ein bestimmtes Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Etwas subtilerer Humor kommt zum Tragen, wenn Hagen und Bastian sich zum Staffelbeginn vorübergehend ihr altes Kinderzimmer teilen müssen und schnell in alte Geschwisterkinderverhaltensweisen zurückfallen. Das Zimmer wurde mit viel Liebe zum Detail im Stile der 1980er-Jahre eingerichtet, inkl. Panini-Fußballsammelaufklebern auf dem Bettgestell. Direkt konfrontativ geht es zeitweilig erwartungsgemäß wieder zwischen Bastian und „der Bruck“ zu. Zwar hat sich Bastian tatsächlich zum Positiven verändert, der Lebenswandel seiner Schwägerin ist ihm aber noch immer zu hoch und zu viel. Im Gegenzug darf Bettina Lamprecht ihm gegenüber einige ihrer groteskesten Grimassen schneiden.
Veränderungen auch bei Regine: Durch Bastians Abwesenheit musste sie umsatteln – und durch sein Buchprojekt über seine Afrika-Erfahrungen eröffnen sich ihr sogar noch einmal ganz neue berufliche Möglichkeiten. Diese wiederum kulminieren in einer herrlichen Parodie auf ein bestimmtes Literatur-Genre sowie dessen mutmaßliche Produktions- und PR-Mechanismen. Eher blass und konturenlos bleibt Kims Verlobter. Dies liegt in seinen seltenen Auftritten begründet, wenngleich eine Dialogszene mit Bastian im Restaurant wirkt, als habe man ursprünglich durchaus Ideen für eine besondere Beziehung zwischen den beiden gehabt. Tatsächlich hätte sich aus dieser Konstellation noch einiges herausholen lassen, immerhin führen Kims Heiratspläne zu einer Hochzeitsfarce im Stil klassischer Heiratskomödien. Die Beziehung, um die es eigentlich geht, ist indes die zwischen Anne und Bastian. Diese betonen zwar stets, nur noch gute Freunde zu sein, scheinen aber auch nicht so recht ohne einander zu können oder zu wollen. In Form dieser Umsetzung eine schöne, romantische Vorstellung, aus der die Autoren auch den einen oder anderen klugen Kommentar zu menschlichen Partnerschaften herausgeholt haben.
Für das innerhalb der Serien-Topoi versöhnliche, halboffene Ende griff man auf eine heillos übertriebene Überkonstruktion zurück, die jedoch als zusätzlicher Gag verstanden gewollt werden dürfte. Am Ende werden alle losen Fäden befriedigend zusammengeführt; der Weg ist dorthin ist gespickt mit vielen echten Lachern, die aus der bewährten Mischung aus Situationskomik, Dialogwitz, selbstironischer Branchenpersiflage und etwas Slapstick resultieren – und gespickt sind mit Bildern einer süßen kleinen Mafalda, auf die Bastian nun auch mal allein aufpassen darf und das gar nicht schlecht macht.
Nach 99 Folgen ist nun also Schluss mit „Pastewka“. Zur Familie wird der fernsehverrückte Fettnäpfchentreter aber weiterhin gehören – ob nun mit Freundin, eigenem Nachwuchs oder nichts von alldem. Du Dödel!