Strange Circus
(Rapid Eye Movies)
Strange Circus, der neue Film des japanischen Regisseurs Sion Sono, der mir erstmals mit seinem recht verstörenden, aber streckenweise ziemlich unausgegorenen Suicide Circle aufgefallen ist, ist kein einfacher Film! Strange Circus ist ein visuell atemberaubender Trip in den tiefen Abgrund unserer schlimmsten Alpträume, eine Irrfahrt durch das Labyrinth menschlicher Perversionen! Es ist kein einfach zu konsumierender Film, will es auch gar nicht sein. Strange Circus tut weh! Fesselt, fasziniert, verschlägt einem die Sprache, weckt tiefsten Ekel, zieht einen an und stößt gleichzeitig ab, tut einfach weh und macht es dem Betrachter an keiner Stelle leicht! Erzählt wird die Geschichte der 12 Jahre alten Mitsuko, dargestellt von der jungen Ric Kuwana, die sich die Seele aus dem Leib spielt. Mitsuko wird von ihrem Vater sexuell missbraucht und körperlich schwer misshandelt. Sie muss, in einem Cellokasten eingesperrt, den Eltern bei ihren sexuellen Praktiken zuschauen, später dann wird die Mutter von dem aggressiven Vater in den Kasten gesperrt, wo sie dann der Vergewaltigung ihrer Tochter beiwohnen kann. Statt ihr danach zu helfen, reagiert sie eifersüchtig, und macht der Kleinen das Leben noch unerträglicher. Der Zuschauer sieht diese Tortur nicht nur, sie wird auch noch durch die kindlich naiven Ansichten aus dem Off von Mitsuko kommentiert. Später wird in dem einzig ruhigen Part des Filmes deutlich, dass die gezeigten Erlebnisse Teile eines Buches sind, doch sind es vielleicht selbst erlebte Tatsachen, die dort von der Autorin geschildert werden?Wie zu Beginn schon erwähnt, ist Strange Circus visuell ein extrem atmosphärischer Trip. Angelehnt an die optischen Welten eines David Lynch werden hier auch noch Stanley Kubrick (Shining) oder Alejandro Jodorowsky (Santa Sangre) zitiert. Dabei kann Sion Sono auch ein weiteres großes Vorbild nicht verleugnen. An vielen Stellen erreicht Strange Circus die unangenehme Präsenz von Takashi Miikes Audition! Lässt man sich auf diesen Rausch ein, entdeckt man einen intellektuell anspruchsvollen, ästhetisch kunstvoll in Szene gesetzten Ekel, bei dem zusehends die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.Musikalisch wird hier wunderbare klassische Musik von Johann Sebastian Bach, Franz Liszt oder Camille Saint-Saens zu den extremen bildlichen Momenten gestellt, was den gezeigten Schocksequenzen noch einiges an Härte gibt, da es durch seine filigrane Musik um so erschreckender wirkt. Dieses nur schwer zu verdauende Kunstwerk wurde von der Firma Rapid Eye Movies in gewohnt hervorragender und liebevoller Qualität veröffentlicht. Das Bild und der Ton sind sehr sauber und gut abgemischt. An Bonusmaterial gibt es neben einem Trailer noch ein etwa 70 minütiges Making of mit Interviews aller Beteiligten. Die Verpackung ist gewohnt edel, außerdem liegt der DVD noch ein Postkartenset bei.Auch wenn der Film völlig zu Recht keine Jugendfreigabe erhalten hat, kann ich ihn jedem ans Herz legen, der einen Sinn für die abseitige Kunst hat, und sich von visuell dauerhaft verstörenden Bildern nicht schrecken lässt. Strange Circus ist ein Meilenstein des japanischen Kinos!!!
CFS