Warum? Warum nur musste dieses Sequel her? Ja, ich weiß, des Geldes wegen. Dabei war „Saw“ für sich allein stehend eine Horror-Sensation, die aufzeigte, dass sich mit wenig Geld und viel Innovation hervorragende Ergebnisse erzielen lassen können.
„Saw II“, der seine Daseinsberichtigung eigentlich nur durch sein, zugegeben, hervorragendes Einspielergebnis begründet, geht nun einen ähnlichen Weg: nur etwas mehr Geld und weniger Innovation.
Heraus kommt ein wenig überzeugender Neuaufguss, der, wie inzwischen schon klar ist, noch eine Fortsetzung nach sich zieht und diese auch schon mit vorbereitet.
„Saw II“ hat ein riesiges Problem, nämlich dass er ein Sequel ist, dass die Ideen des Originals nur unzulänglich neu zusammensetzt und alle im Erstling aufgestellten Regeln kreuzbrav befolgt. Die Identität des geheimnisvollen Jigsaw ist gelüftet und sein Spiel durchschaut, nur seine Beweggründe werden hier noch etwas detaillierter ausgebreitet, aber das reicht nicht aus, um den zweiten Teil zu rechtfertigen.
Deswegen wird es hier blutiger, effektreicher und brutaler, aber nicht besser. Jigsaw (Tobin Bell, „Power Play”, „Black Mask 2: City of Masks”) läutet sie zweite Runde gleich mit einem Paukenschlag ein und erlangt damit in den ersten Sekunden die Aufmerksamkeit der Zuschauer, aber sein Spiel ist dieses Mal weniger sadistisch, immer noch klug bis ins letzte Detail durchdacht, aber ohne die fiese Raffinesse des Vorgängers.
Das Versteckspiel mit der Polizei hat er aufgegeben, aber auch das soll seine Gründe haben. In seinem Domizil, seiner Werkstatt, erwartet er das Eintreffen der Polizei bereits, denn darunter befindet sich sein neuer Spielkamerad: der Cop Eric Mathews (Donnie Wahlberg, „Dreamcatcher“, „Body Count“). Dessen Sohn Daniel (Erik Knudsen) hat er zusammen mit einer Gruppe unterschiedlichster Menschen (u.a. Glenn Plummer und Emmanuelle Vaugier) , die eine Gemeinsamkeit besitzen, in ein verbarrikadiertes Haus eingesperrt. Die Zeit tickt für alle, denn ihr Gefängnis wird von Nervengas durchströmt und überall im Haus sind Ampullen mit dem rettenden Medikament versteckt. Der Countdown läuft...
Während Jigsaw Eric noch in einem Vier-Augen-Gespräch verschlüsselt die Regeln erklärt, kocht die Stimmung bei den „Ausgewählten“ langsam auf den Siedepunkt zu. Die Polizei ist hilflos und kann nur über die Monitore ihre Treiben beobachten. The Game begins.
Nun ist der Ablauf aber der Gleiche, mit dem Unterschied, dass man nun bereits schon alles kennt und die Gründe, warum eben gerade jene Personen als Jigsaws Marionetten um ihr Leben kämpfen, werden auf möglichst kompakte Kurzinformationen, oft nicht länger als ein einzelner Satz, heruntergefahren.
Auch aus diesem Grund berührt das Schicksal der Beteiligten wenig bis gar nicht. Selbst Daniel, dessen Konflikt mit seinem Vater zwar einen wichtigen Grund darstellt, aber keinen weiteren, vertieften Ausbau erfährt, ist dem Zuschauer egal, weswegen „Saw II“ flott zu einer tumben Blutorgie verkommt, die zwar fiese Fallen bereit hält, aber insgesamt auch leider wenig überrascht. In der dreckigen, ausgeblichenen Bildästhetik, die James Wan im Original pflegte, hetzt Regisseur Darren Lynn Bousman („Identity Lost“) von einer ausgeklügelten Falle in die nächste, dezimiert die schrittweise in Panik verfallenden Stereotypen der üblichen Auswahl und kreiert unter ihnen einen Psychopathen, der schon einmal das Grobe erledigt. Es wird gebrutzelt und erschossen, da werden mit Nägeln versehene Knüppel in Köpfe geschlagen und Kehlen durchschnitten, nur schocken tut das kaum wen. Zu sehr sind diese Szenen auf den ekelerregenden Effekt selbst konzentriert. Das Ringsherum interessiert nicht mehr, bei dieser spannungsarmen Sterbeorgie, die nur so abläuft, weil keiner heruntergebeteten Regeln befolgt.
Nun bin ich niemand, der sich an kleinsten Logikfehlern in solchen Filmen hochzieht. Denn bei genauerer Betrachtung, lag auch bei „Saw“ so einiges im Argen, aber da viel es nicht sonderlich auf und der Film funktionierte trotzdem.
Hier wird es bisweilen zu offensichtlich, wenn Protagonisten vom gesunden Menschenverstand abrücken und sich in den Tod manövrieren, als wäre der Suizid das Ziel. Insbesondere Mathews erntet in den letzten Minuten aufgrund seines Handelns nur noch Kopfschütteln.
Dabei hat der Film seine Momente. Tobin Bell ist erbleicht, schwer atmend und vom Krebs gezeichnet als unheimliche Erscheinung richtig gut. Neben ihm verblasst der gesamte Cast.
Allmächtig spielt er sein Spiel der perversen Moral und ist obwohl in Obhut der Polizei doch unangreifbar. Gebrechlich, aber immer noch mit messerscharfen Intellekt, dirigiert er das Geschehen so geschickt, dass niemand etwas davon mitbekommt. Bis ins letzte Detail hat er zum zweiten Mal nichts dem Zufall überlassen.
Seine Erklärungen sind intelligent und offenbaren so einiges über den Ablauf, lassen den Zuschauer miträtseln und die Cops vor eine Wand rennen, weil sie einfach nicht zuhören wollen. Wieder geht es um das Leben: Ein Geschenk, dass viele nicht zu schätzen wissen und noch mehr verschwenden. Das will Jigsaw sie wissen lassen.
Speziell der von ihm nicht grundlos zum Gesprächspartner auserkorene Matthews, ein gestresster Vertreter des Gesetzes mit vielen Leichen im Schrank, hat an seinen Ausführungen zu knabbern, ist aber zu rasend, um sie zu deuten. Scheidung. Der Vater-Sohn-Konflikt und die zweifelhafte Interpretation seines Berufs haben seine Nerven frei gelegt.
Deswegen läuft allen die Zeit davon - Cops wie Gefangenen. Während die einen zur Tatenlosigkeit verdammt sind, nur auf Jigsaws Monitore blicken und damit dem Treiben im Inneren des unbekannten Hauses zuschauen, wird sich dort schnell gegenseitig das Fell über die Ohren gezogen. Schon früh liegen die Nerven blank und eskaliert die Situation, auf das man sich gegenseitig aufschlitzt.
Da sind wir dann wieder beim plakativen Horror angekommen, der so weit von der kniffligen Prämisse des Erstlings entfernt ist, weil alle Geheimnisse ringsherum, bis auf eines, bereits offen liegen. Den großen Schlusstwist erwartet man als Zuschauer und diese Erwartungshaltung ist bereits ein Problem. Denn dass er kommen wird, ist klar, nur was passieren wird, bleibt unklar und sonderlich viel fiel Darren Lynn Bousman und Leigh Whannell dafür nicht ein, außer dass der Cliffhanger für einen möglichen dritten Teil auch noch mit hinein musste. Rückblickend lässt dieser Kniff sich von aufmerksamen Zuschauern sogar vorhersagen und der Boa-Effekt stellt sich keinesfalls ein.
Wahrhaft raffiniert ist „Saw II“, belegt mit dem Sequel-Fluch, also nicht mehr. Er bleibt im Rahmen eines Schnellschusses aber ein solider Horrorflick, der seine Atmosphäre behält, unter 90 Minuten netto bleibt und deswegen mit hoher Schlagzahl fahren kann. Deswegen kann man auch nur bedingt von einer Enttäuschung schreiben, denn um die Qualität des Originals zu erreichen oder gar übertreffen, hätte die gesamte Prämisse viel origineller und revolutionärer geschrieben werden müssen. Doch davon war bereits bei der Planung dieses Fortsetzung ohnehin nie die Rede.
Fazit:
Mit „Saw II“ erleben wir 90 Minuten lang ein zwar sich noch im akzeptablem Rahmen bewegendes, aber völlig überhyptes Sequel, das dem brillanten Original nie das Wasser reichen kann. Als Schnellschuss direkt hinterhergedreht, um abzuschöpfen, was abzuschöpfen geht, kann sich die anspruchslose Gore-Fraktion an viel Gekröse hochschrauben, während der klügere Rest den Unterschied zu packender Horrorkost erkennt. Die fehlende Bindung an die Beteiligten und der wenig überraschende Ablauf des Jigsaw-Szenarios egalisiert ein paar sehr gute Auftritte von Tobin Bell. Da kann die wieder schnell geschnittene, moderne Inszenierung sich noch so ans Original anlehnen und mit seinem Schlusstwist winken, die Luft ist bei Teil 2 bereits raus. Aber das ging ja vielen Horror-Franchises so, und sie wurden zu endlosen Reihen ausgebaut, weil das fehlgeleitete Publikum sich nicht eingestehen will, dass ein Original in den meisten Fällen, speziell im Horror-Sektor, nun einmal unerreicht bleibt.