Vergangenes Jahr erregte ein Film erstauntes Aufsehen auf diversen Filmfestivals rund um den Globus. Er war eine Mischung aus Horror, Thriller und Action und hatte den prägnanten Namen Saw. Ausgedacht wurde er von den beiden australischen Filmstudenten Leigh Whannell (spielt Adam in Teil 1) und James Wan (führte Regie), die ihn dann auch mit einem Budget von nur 1,2 Millionen Dollar realisierten. Was anfänglich nur als Insidertipp gehandelt wurde, schlug in den Kinos ein wie eine Bombe und spielte weltweit knapp das Hundertfache ein. Filmfans wie Kritiker waren begeistert, sprachen von dem intelligentesten Film seit Jahren oder der Rettung des Horrorgenres. Ein dementsprechend schweres Erbe hat nun der Nachfolger Saw II anzutreten. Kann er die hohen Erwartungen erfüllen?
8 kleine Negerlein
Das erste, was der Mann im Raum sieht, nachdem er aus der Ohnmacht erwacht, ist der karge Raum, in dem sich neben ihm selbst ein Fernseher, ein Skalpell und ein Stuhl befindet. Auf einmal schaltet sich das TV ein und eine gruselige Puppe erscheint, die ihm mit der düster-markanten Stimme des mysteriösen Puzzlemörders Jigsaw die Spielregeln erklärt. Der Schlüssel, der zu der mit Eisenspitzen gespickten Apparatur auf seinem Kopf gehört, befindet sich in seinem rechten Augapfel. Während die Uhr abläuft, muss er eine Entscheidung treffen. Auge oder ganzer Körper? Leben oder Sterben? Das Spiel beginnt…
Detective Eric Matthews (Donnie Wahlberg) ist ein knallharter Cop, der vor nichts zurückschreckt, um einen Fall abzuschließen. Er schiebt Verdächtigen Beweise unter und scheut sich nicht davor, physische Gewalt anzuwenden, um Geständnisse zu erpressen. Doch neben den Kriminellen muss auch sein eigenes Privatleben unter seiner Art leiden. Von der Frau verlassen und vom Sohn gehasst, fristet er ein Dasein in ständiger Unzufriedenheit und Anspannung. Zeitgleich taucht ein neues Opfer des geheimnisvollen Killers auf und hinterlässt einen deutlichen Hinweis auf sein Versteck. Sofort erstürmt eine Sondereinsatztruppe der Polizei unter Führung von Matthews das Hauptquartier, doch scheinbar gehörte das zu Jigsaws Plan, denn er sitzt seelenruhig in seinem Sessel. Der Grund: Er hat 8 Menschen, darunter auch Matthews´ Sohn, in einem Haus eingesperrt, die ein tödliches Nervengas einatmen und nur zwei Stunden Zeit haben, das von Fallen umgebene Gegengift zu finden. Während unter den Opfern die Situation immer mehr eskaliert und Fallen die Gruppe dezimieren, beginnt Matthews in seiner Sorge immer mehr, den Verstand zu verlieren…
Oh yes, there will be blood
Der Fluch von Fortsetzungen ist, dass sie nicht wie ein einfallsloser Abklatsch wirken dürfen. Wenn der Vorgänger dann auch noch sehr erfolgreich war, ist diese Gefahr und der daraus resultierende Druck noch weitaus größer. Bei Saw II waren die Meinungen im Vorfeld durchaus skeptisch. Der Killer war bekannt, seine Motivation auch und als der Plot bekannt wurde, demzufolge statt 2 nun 8 Personen eingesperrt seien, befürchteten viele Fans, dass der Film nur nach dem Muster Mehr Blut, mehr Opfer vorgehen könnte. Ganz so ist es aber dann glücklicherweise nicht gekommen. Klar, es gibt mehr von oben genannten Komponenten, aber das ist nicht das einzige positive Merkmal. Die Fallen sind noch genauso abgefahren und perfide wie im Vorgänger und der wendungsreiche Plot weiß ebenso zu überraschen und erklärt im weiteren Verlauf auch noch die ein oder andere Frage, die Teil 1 offen gelassen hat. Die schauspielerische Leistung muss hier gesondert betrachtet werden, unterscheidet sie sich doch zwischen den außenstehenden Charakteren wie Matthews und den eingesperrten wie Matthews` Sohn. Donnie Wahlberg verkörpert den zur Gewalt neigenden, immer mehr verzweifelnden Vater sehr emotional und eindringlich. Diese Qualität erreichen die 8 Darsteller der Gefangenen leider nicht. Zu unpersönlich und schablonenhaft wirken die Figuren vom ausrastenden Brutalo oder der verzweifelnden Hure. Tobin Bell als Jigsaw punktet mit seiner charismatischen Art als glaubhafter Bösewicht. Der Gewaltgrad hat mit der Personenzahl merklich zugenommen und hat allerlei fiese Szenen im Repertoire, bei denen man sich schon mal im Kinosessel vor Unbehagen verrenkt. Dass das Ende nicht so schockierend werden kann wie im Erstling, war vorauszusehen, aber qualitätsmäßig sind erstaunlicherweise keine großen Abstriche zu machen. Bleibt nur die Grundthematik, die den einen oder anderen zum Nachdenken anregen wird, denn imgrunde wird hier ein Killer zum missionarischen Antihelden stilisiert, der mit seinen grausamen Taten humane Ziele verfolgt. Ein zweischneidiges Schwert.
Er kam, saw und siegte
Saw war ein Novum im Horrorgenre, Saw II ist ein würdiger Nachfolger, der vieles richtig macht und bedenkenlos in die Reihe guter Fortsetzungen eingeordnet werden darf. Da das Ende auch dieses Mal nicht endgültig ist und ein dritter Teil schon für kommendes Jahr angekündigt ist, wird die Filmwelt wieder den erwartungsvollen Fokus auf dessen erste Informationen richten und erneut wild spekulieren, hoffen, orakeln, verdammen und bilanzieren. Doch bis dahin bleibt nur eines zu sagen: We will saw, äh, see.
Dialoghighlight: „Es muss einen Ausweg geben, es muss ihn geben!“
- „Vergiss es, wir haben es hier mit einem psychopathischen Profi zu tun.“
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