(Folgende Review könnte geringfügige Spoiler enthalten)
Nach dem Überraschungserfolg von Saw läuft nun schon ein Jahr später die Fortsetzung in den Lichtspielhäusern an. Es ist schließlich in ungefähr das eingetreten, was von einem Sequel zu erwarten war. Ein Vergleich zum ersten Teil ist daher notwendig:
Der Aufhänger, mit dem der Film beginnt, erinnert stark an eine Szene aus dem Vorgänger. Eine männliche Person trägt eine Apparatur um den Hals (diese hat Ähnlichkeit mit einer "Eisernen Jungfrau", hinlänglich als Folterinstrument bekannt), die gespannt ist und nach einer Minute zuschnappt, sobald sie einmal ausgelöst wird. Gewohnt ist man solche Situationen schon aus dem ersten Teil, daher fällt es nicht schwer, sich in den Film hineinzuversetzen. Allerdings schlägt der Film gleich im Anschluss eine vollkommen andere Richtung ein.
Detective Eric Mathews (Donnie Wahlberg) kommt durch den Mordfall auf die Spur des Jigsaw-Killers (Tobin Bell). Überraschender Weise wird dieser gleich zu Beginn in seinem Versteck festgenommen. Kurz darauf stößt das Team um Eric auf ein neues Spiel des Puzzle-Mörders, das noch gemeiner und ausgeklügelter zu sein scheint. Denn über eine Reihe von Monitoren erfahren wir, dass acht Menschen, die allesamt Dreck am Stecken haben, in einem Haus gefangen sind, in das ein Nervengas einströmt, welches sie innerhalb von zwei Stunden töten soll. Darunter befindet sich auch Erics Sohn; eine enorme Belastung also für den Vater, der sowieso auf ein gestörtes Verhältnis zu seinem Kind zurückblicken muss. Die Ermittler sind also gezwungen, Jigsaw (als den er sich selbst gar nicht bezeichnen will) aus der Hand zu fressen, denn er stellt die Bedingungen und hat die Kontrolle. Natürlich hat er alles bis ins Detail voraus geplant, was für die ein oder andere Überraschung sorgen dürfte.
Dennoch ist der Zuschauer nicht mehr so ahnungslos wie in Saw. Das stellt zwar ein Novum zum Vorgänger dar, ist für die erwünschte Spannung allerdings ein Hindernis. Alles entwickelt sich viel mehr wie eine Mischung aus Cop-Thriller und Krimi, die Elemente eines Psycho-Thrillers - und das macht Saw einfach aus - werden dabei zu häufig außer acht gelassen. Saw II geht damit schon mal anders an die Thematik heran, das mag vielleicht einfallsreich sein, funktioniert jedoch leider nicht so gut, wie man es sich vorstellt.
Der weitere Verlauf ist eine ziemlich lineare Abfolge von Ereignissen. Die Gefangenen entdecken immer mehr Hinweise für einen möglichen Ausweg aus dem makaberen Spiel, der mit lauter Fallen gespickt ist, die sich zugegeben als noch ausgefeilter, fieser und tödlicher entpuppen als man sie aus Teil 1 kennt. Ein klarer Bonus für den Horror-Fan, der zumindest in dieser Hinsicht voll auf seine Kosten kommt. Nacheinander wird so die Gruppe dezimiert, woran nicht nur die Hindernisse schuld sind. Dennoch ist das Voranschreiten stellenweise schon vorhersehbar und nicht mehr so unberechenbar.
Zwar gestaltet es sich als ganz interessant, mehrere Opfer mit in das Spiel einzubeziehen, vor allem, weil dadurch für einige Konflikte gesorgt ist, aber auch hier müssen Abstriche gemacht werden. So bleibt keine Zeit für tiefschürfende Charakterzeichnungen, sondern die Figuren werden im Großen und Ganzen auf Stereotypen reduziert. Kein Wunder, dass man hier keine Glanzleistungen von den Akteuren erwarten kann, die sich anscheinend ganz zufrieden damit geben, dass nicht mehr von ihnen abverlangt wird. Eine Ausnahme gibt es aber auch hier, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, da ich damit einiges bezüglich dem Fortschreiten der Handlung vorwegnehmen würde. Die dramaturgisch gekonnt inszenierten Rückblenden wie aus dem ersten Saw, die uns nach und nach Aufschluss über die Machenschaften, Geheimnisse und den Makel der Charaktere geben, bleiben dabei weitesgehend aus. Wichtige Informationen über die Figuren werden eher beiläufig, wenn auch durchaus wahrnehmbar, aufgedeckt. Anders wie im Vorgänger, liegt der Schwerpunkt nicht mehr vordergründig in einer ausführlichen Entwicklung der Figuren und ihrer Beziehung zueinander. Gerade dieser Aspekt hat mir an Saw so gut gefallen und das Geschehen vorangetrieben. Die Protagonisten in Saw II handeln lieber eigenständig und gegeneinander, obwohl das zum Anfang noch einen anderen Anschein macht, ihr Vorgehen ist dabei größtenteils berechenbar.
Währendessen die Eingeschlossenen um ihr Leben kämpfen, setzt Detective Mathews Jigsaw immer mehr unter Druck, um einer Befreiung seines Sohnes einen Schritt näher zu kommen. Jigsaw zwingt Eric dazu ihm zuzuhören, da dies der einzige Weg sei, dass sein Sohn wieder freikommt. Eric gerät dabei unter andauernder Verzweiflung kontinuierlich außer Kontrolle, bis er schließlich handgreiflich wird. Darstellerisch können letztlich auch nur Tobin Bell und Donnie Wahlberg wirklich überzeugen, obwohl Tobin Bell als Jigsaw Wahlberg doch einiges voraus hat.
Dieser Part ist dafür umso mehr gelungen. Man erfährt dabei nicht nur endlich mehr über Jigsaw, auch der Konflikt zwischen den Beiden kann Spannung erzeugen. Allgemein werden in der Fortsetzung dankbarer Weise einige Parallelen zum Vorgänger gezogen und hier und da Andeutungen gemacht. Daher ist Saw II zumindest von den Zusammenhängen an Teil 1 angelehnt.
Handwerklich ähnelt der Nachfolger in fast allen Belangen dem Vorbild. Eine unruhige und teilweise hektische Kamera sowie die bekannten technischen Spielereien sind auch hier zu finden, werden jedoch nur um ein geringes Maß vorangetrieben.
Für den Score gilt dasselbe: Dieser wurde stückweise sogar komplett übernommen. Das gestaltet sich einerseits als zweckmäßig, da der Saw Soundtrack wirklich hervorragend funktioniert, andererseits ist das allerdings doch ein wenig einfallslos.
Was das Sequel im Endeffekt doch auf ein ordentliches Niveau rettet, ist der zu erwartende Plot-Twist zum Schluss, der dem Zuschauer wieder einiges abverlangt. Da man die überraschende Wendung aus Saw schon kennt, kommt die wachrüttelnde Kehrtwende nicht so innovativ daher, ist an sich jedoch sehr einfallsreich und nicht unbedingt durchschaubar. Daher lässt sich dank dieses eindeutigen Pluspunkts doch einiges an Vorangegangenem verzeihen. Das Warten bis zum Schluss hat sich letztendlich doch gelohnt.
Ähnlich kann man Saw II auch zusammenfassen: Die Fortsetzung ist zwar nicht gerade innovativ (aber was kann man von einem zweiten Teil auch groß erwarten), bringt aber selbst genug eigene Ideen ein um als solche ein vernünftiges Level zu erreichen, auch wenn nicht alle davon Früchte tragen. Sie bedient sich an den altbewährten Mitteln der Vorlage und kann trotzdem als eigenständiger Film bestehen. Das grandiose Ende lässt Möglichkeiten für eine weitere Fortsetzung offen und kann einige der Schwächen wieder gutmachen. In vielen Belangen funktioniert der Vorgänger doch um einiges besser. Mich konnte Saw mehr mitreißen und fesseln, die Spannung bis auf die Spitze treiben. Es war für mich schlicht und einfach der intensivere Filmgenuss.
7/10 gemeinen Treppenstufen