SAW, das Debüt zweier australischer Filmstudenten, war Anfang letzten Jahres der Höhepunkt einer Welle neuen Horrors auf der großen Leinwand. Ziemlich genau ein Jahr später schickt sich das Sequel an, den Fans in Deutschland den nächsten Stromschlag zu verpassen.
Wieder wacht ein Mann in einem der „more Fincher than Fincher“ Bildsprache von SAW entsprechenden Räume auf. Sein Auge ist blutverkrustet und zugeschwollen. Um seinen Hals gelegt, eine Eiserne Jungfrau, eine innen mit Stacheln versehene Stahlmaske also, noch offen und mit einer Zeitschließuhr versehen. Die Puppe aus Teil eins erscheint auf einem Fernseher und erläutert dem Unseligen, dass der Schlüssel zu dieser Iron Maiden der Grund ist, wieso sich sein Auge in diesem bedauernswerten Zustand befindet. Ein Skalpell steht natürlich zur Verfügung. Und das, verehrte Leser, ist nur der Prolog zu dem Dauerfeuer von Kniestößen in den Unterleib, das SAW2 darstellt.
Wir erinnern uns an das Ende von SAW. Der Jigsaw Killer ist entkommen. Dazu diese ungemein aufwühlende Musik und eine zusammenfassende Schnittabfolge, die manchen Zuschauer noch länger in den Kinosessel genagelt haben. Nicht nur das, macht sich der schwerkranke Übersadist erneut ans Werk, vom Wege abgekommenen Mitmenschen auf den Pfad der Dankbarkeit zurückzuhelfen. Junkies, Kleinkriminelle, selbstherrliche Polizisten – alle stehen auf der Gästeliste von Jigsaws pervertiertem Spieleabend. Ein heruntergekommener und von Scheidung und den Pubertätsallüren seines Sohnes gebeutelter Polizist (DONNIE WAHLBERG) ist dem Unhold auf der Spur. Am Ziel angelangt, findet er sich im Zentrum einer Überwachungsanlage wieder, die ihm neben einer, Jigsaws Beuteschema voll und ganz entsprechenden, Gruppe jugendlicher Delinquenten, den Blick auf seinen eigenen Sohn freigibt. Gefangen in einem sich langsam mit Giftgas füllenden Abbruchhaus beginnt für Vater und Sohn ein Spiel gegen die Zeit.
Bevor Ihr jetzt weiterlest, sei der Kernsatz dieses Artikels genannt: SAW2 IST DAS HORROR-HIGHLIGHT 2006. Ja. Bereits im Januar sind die Würfel diesbezüglich gefallen.
Die Achterbahnfahrt, die den Zuschauer mit SAW2 erwartet, wäre in den alten Tagen des Kinomarketings vermutlich mit mindestens einer Kotztüte oder dem erzwungenen Unterschreiben einer Lebensversicherung verbunden worden. Das verfremdete Film-im-Film-Prinzip (wir sehen die Bilder des Kampfs der Gefangenen gegen das mit Fallen gespickte Haus innerhalb der gleichen Zeitabmessungen und Blickwinkel wie die Polizei) ist brillant und wird mit einer Konsequenz durchgesetzt, die nur noch von den Aufgaben/Kasteiungen übertroffen wird, die Jigsaw seinen Gefangenen zumutet. Hier sei nur der bereits geschilderte Prolog genannt, mehr wir hier nicht verraten – das würde dem Film nur schaden.
Zur Cast: DONNIE WAHLBERG – in einem früheren Leben Mitglied der Ur-Boygroup NEW KIDS ON THE BLOCK konnte bereits als behindertes Alien-Medium in der weitläufig unterbewerteten Stephen King Verfilmung DREAMCATCHER überzeugen. SAW2 ist ein weiteres Beispiel für die darstellerische Überlegenheit Wahlbergs gegenüber seinem überschätzten kleinen Bruder, dem schauspielerischen One Hit Wonder MARKY MARK WAHLBERG. Auch der Rest des Ensembles, dessen optische Nähe zu gefälligen Teenie-Horror Darstellern vermutlich ein gewolltes Ablenkungsmanöver darstellt, weiß voll zu überzeugen. Gerade im Zusammenspiel mit der SAW-typischen Atmosphäre, die ich an anderer Stelle bereits als Se7en-artig ohne FINCHERS unerträglich-pseudophilosophische Selbstverliebtheit bezeichnet habe, garantiert die Identifikation mit verschiedensten Ensemblemitgliedern ein Horrorerlebnis sondersgleichen.
Urteil:
SAW2 ist eine absolute Granate. Die schmutzige Atmosphäre des ersten Teils trifft auf die Meisterleistung, Täler in dessen Spannungskurve durch noch heftigere Schocks, noch genuinere Kameraarbeit und noch aufwühlenderes Editing wettgemacht zu haben. SAW2 ist nicht nur die Fortsetzung eines modernen Klassikers, SAW2 ist selbst ein Stern am Horrorhimmel.