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Der fortschreitende Trend des Hongkong-Kinos Projekte zu initiieren, die auch über die eigenen Grenzen hinaus auf dem internationalen Filmmarkt bestehen können, bringt mit „Dragon Squad“ einen Actionthriller hervor, der sich gewaschen hat und weit mehr hermacht, als der etwas befremdliche, überlange Trailer mit der seltsamen Trommelmusik im Vorfeld suggeriert. Ausgerechnet von Steven Seagal mitproduziert (Mit einer bösen Zunge könnte man behaupten, das ist sein bester Film seit über 10 Jahren...), steigert sich „Black Mask“ – Regisseur Daniel Lee (auch Drehbuch) in einen fast zweistündigen Bilderrausch, der in seiner extrem stylischen Inszenierungsweise über Phasen zwar ganz schön anstrengend sein kann, aber auch gleichzeitig ein Wahnsinnstempo vorlegt.

Die Zielvorgabe schlägt sich nicht nur in der Besetzung wieder, die unter anderem den alten Haudegen Michael Biehn („The Terminator“, „Aliens“) auffährt, sondern auch in der Geschichte selbst, in der eine Handvoll Interpol-Agenten aus Spezialeinheiten aller Herren Länder, zusammengesetzt aus einer nur mit oberflächlichen Charakteren ausgestatteten, jungen, asiatischen Crew wie Vanness Wu („Star Runner“), Shawn Yue („Internal Affairs“, „Initial D“), Sheng Yi Huang („Kung Fu Hustle“), Lawrence Chou („The Eye“, „The Death Curse“) und Yu Xia („Waiting Alone“) die Hauptrolle spielt.
Sie sollen in Hongkong den Transport des Schwerverbrechers Panther Duen zum Gericht begleiten, müssen bei einem Zwischenfall aber feststellen, dass sie nur zu einer Finte des lokalen Polizeichefs Hon Sun (Simon Yam, „The Contract Killer“, „Wake of Death“) beitrugen, der heimlich das Zielobjekt in einen unauffälligen Transporter ohne Aufmerksamkeit erregende Eskorte setzte. Doch dieser wird währenddessen von einer Gruppe militanter Krimineller unter der Führung von Petros Davinci (Biehn) überfallen. Die Interpol-Agenten intervenieren, kommen zu spät und müssen sich im Kugelhagel den die Flucht antretenden Opponenten (u. a. auch Maggie Q als Sniperin) geschlagen geben. Zunächst entmutigt, werden sie von Sun in die Obhut des kurz vor der Pension stehenden Cops Kong Long (Sammo Hung, „Operation - Eastern Condors“, „Action Hunter“) übergeben, damit sie keine Dummheiten anstellen und er auf sie aufpasst. Doch schnell ergreifen sie die Initiative und geraten mitten in einen Krieg der Unterwelt, indem sich Petros am Mörder seines Bruders rächen will.

Die wirklich nur rudimentäre Ausarbeitung der Figuren, denen im Verlauf jeder alibihaft sein persönliches Einzelschicksal auferlegt wird und die nicht über wenige Minuten für sich selbst hinauskommen, in denen sie dann den verkrüppelten Bruder am Krankenbett besuchen oder die besorgte Mutter anrufen, kommt mir, als jemand der die asiatischen Filmen in diesen Elementen meist viel zu langwierig und ausgewalzt erachtet, sehr entgegen.
Denn Lee setzt vorwiegend auf Tempo und ungemein harte, blutige Action in rasantem Schnitt und schert sich weniger um seine Figuren oder die für einen Actionthriller standesgemäße, nicht über ein solides Spannungsniveau hinauskommende, ab und an ob ihrer Konstruiertheit leicht ärgerliche Story.
Sammo Hungs Charakter Kong Long ist inmitten der exstatischen Bildmonaten übrigens die rühmliche Ausnahme und erhält als einziger tatsächlich tragischen Tiefgang. In der Rolle des gealterten Veteranen, der sich die Schuld am Tod mehrerer Kollegen vor einigen Jahren nicht verzeihen kann, deswegen zum Verkehrspolizisten degradieren ließ, vor Selbstmitleid fast zerfließt, mit seiner sich von ihm entfremdeten Tochter in Streit lebt und final noch eine alte Berechnung begleichen darf, feiert er auf seine alten Tage (auch schon 53) seinen zweiten Frühling und eifert damit Jackie Chan nach, der in „New Police Story“ ähnliche Qualitäten offenbarte. Bleibt zu hoffen, dass er in „Sha po lang“ wiederholt auftrumpft.

Bereits die Anfangsviertelstunde des Films liefert früh einen ziemlich genauen Überblick darüber ab, wie „Dragon Squad“ sich audiovisuell darstellt. Lees Stil ist mit Sicherheit nicht jedermanns Sache, weil die Bilder ein bisweilen unübersichtliches Tempo vorlegen, doch der Dynamik seiner Inszenierung schadet das kaum.
Die wichtigsten Figuren werden mit später wiederkehrenden Intros und fetzigen Schwarzweiß-Sequenzen, die rückblickend ihre Top-Skills visualisieren, vorgestellt, das Briefing beschränkt sich auf das Nötigste und dann beginnt auch schon die Fahrt des Konvois, während noch ein paar beruflich-philosophische Plattitüden zum Besten gegeben werden.
Der Schnitt begeht dabei eine haarscharfe Gradwanderung und ich möchte ehrlich gesagt nicht wissen, wie viele Stunden Lee zusammen mit seinen Cuttern im Schneideraum verbracht hat, um den Film schließlich so aussehen zu lassen. Dagegen ist Michael Bay fast schon ein ruhiger Chorknabe
Insbesondere die energiegeladenen Actionszenen sind in dieser Hinsicht ab und an auch etwas zu unübersichtlich, doch Lee versetzt den Zuschauer damit mitten ins Geschehen und das ohne Unterlass.

Die jungen Interpol-Agenten, die sich gemäß der Filmlogik, obwohl sie sich bis dato nicht kannten, keinerlei neue Befehle erhalten und nach kurzem Zögern in enorm coolen, überzogenem Posing an einem Kirmes-Schießstand zu einer schlagkräftigen, bis an die Zähne bewaffneten Einheit formieren, die ohne Befugnisse und entgegen der Weisung von Sun auf eigene Faust einmischt, wird von nun an regelmäßig, in kurzen Abständen in sehr ausführliche Scharmützel mit Petros und seinen Mannen verwickelt.

Dabei gelingt Lee dann meist die Steigerung von Showdown zu Showdown. Die Straßenschlacht zu Beginn ist erst noch der Vorgeschmack. Den Höhepunkt erreicht der Film als die Lokalpolizei Petros militärisch präzise agierender Killertruppe einen Hinterhalt zu stellen versucht, die selbstständig agierenden Interpol-Agenten ihnen zur Hilfe eilen müssen und es in einer baufälligen Häuserschlucht zum mittleren Showdown kommt.
Die Actionsequenzen dauern überlang, sind darüber hinaus saubrutal, sparen nicht mit Kunstblut und fordern auf beiden Seiten ihre Opfer, so dass „Dragon Squad“ sein solides Spannungsniveau nie einbüßt. Wer diesen Film überleben wird, ist nämlich längst nicht klar.
Lee steigert sich in diesen Minuten regelmäßig in einen wahren Inszenierungsrausch. Von Sniper-Gewehren bis Maschinenpistolen und Handgranaten kommt alles zum Einsatz, was die Waffenkammer her gibt. Der Bodycount ist stets enorm, die Inszenierung unnachahmlich. Lees Wahl der Stilmittel ist breit gefächert. Sein düsterer, bläulicher Look wird von Slow- und Fastmotion, Freezeframes und dann wieder Sekunden in schwarzweiß begleitet. Die zoomenden Steady-Cams finden ständigen Einsatz, dazu körnige Bilder, zerschrotete Autos, rieselnder Putz, Shootouts, jede Menge zerstörtes Interieur, über den Boden rutschende, sterbende Protagonisten, Explosionen, unablässig durch Papierkonfetti-Luft sausende Kugeln, überall blutüberströmte Leichen und überhaupt sehr viel audiovisueller Krawumm, der die Sinne betäubt.
Nicht alles bleibt im Rahmen des Realismus, aber „Dragon Squad“ nimmt keine völlig phantastischen Züge an. Trotz Lees hektischen Stils weiß die Action zu gefallen und gehört in meinen Augen zu den besten Momenten die man dieses Jahr aus dem Genre sah, auch weil völlig kompromisslos auf beiden Seiten gekämpft wird. Petros Mannen machen keine Gefangenen oder Geiseln, sondern entledigen sich allen Gegnern notfalls mit aufgeschlitzten Hälsen und auch die später in Ungnade fallenden Agenten sind nach Verlusten nicht mehr nur um die Festsetzung ihrer Gegner bemüht.
Die in diesem Rahmen dann gleich wie die Fliegen sterbenden und sich wie dilettantische Anfänger verhaltenden Polizisten, dienen in diesen Szenen dann gleich nur noch als Kanonenfutter, womit sich dann auch der Realismus verabschiedet und die Genrekonformität zur Hilfe eilt.
Jegliches Martial Arts läuft dabei in um Realismus bemühten Choreographien ab, was auch ganz gut zum Geschehen dieses weniger um spektakuläre, ästhetische Actionszenen bemühten Films passt. Lee meint es grundsätzlich ernst, rau und selten elegant, weswegen solche Einschübe auch fehl am Platze wären.

Während bekannte Gesichter wie Gordon Liu und Andy On in ihren Cameos schmoren, nimmt mit zunehmender Spieldauer die Präsenz von Sammo Hung und Michael Biehn zu.
Die Charakterisierung von Hungs Ego funktioniert bei weitaus besser als bei seinen „Babys“ für die er abgestellt wurde und bildet das Fundament für einen späteren, tollen, melancholischen Moment zwischen ihm und Simon Yam im Krankenhaus, während Michael Biehn den schwächeren Part zugeschanzt bekommt. Sein Motiv der Rache ist nämlich nicht sein Hauptziel, weswegen er sich mit Ching (Li Bingbing, „Silver Hawk“, „A World Without Thieves“) der Mätresse des Unterweltbosses Tiger Duen, einlässt, für die er dann plötzlich und ungeahnt mehr empfindet. Über sie will er an dessen reich gefüllten Bankkonten gelangen. Die Naivität dieser Dame und das damit einhergehende, fehlende Misstrauen sprengt im letzten Drittel dann aber leider die Grenzen der Glaubwürdigkeit.
Biehn schlägt sich in seiner Rolle allerdings selbst ziemlich gut und ich sehe ihn dort ehrlich gesagt wesentlich lieber als in amerikanischen B-Movies, weswegen er sich vielleicht überlegen sollte öfters Engagements in Hongkong in Betracht zu ziehen.

Der weitere Film ist dann in erster Linie nur noch eine Spirale der Gewalt mit wiederkehrenden Actionszenarien. Das wackelige Handlungskonstrukt erhält genug Tempo, um nicht ineinander zusammenzufallen und wird durch atmosphärische, exotische Locations der nächtlichen, urbanen Glitzer-Metropole aufgewertet. Als Zuschauer verliert man auch zusehends das Interesse an dem Plot, auch wenn ein Vorfall der Vergangenheit, festgehalten in einem Flashback, ungeahnte Verwicklungen zwischen den sich bekämpfenden Squads offenbart, und freut sich stattdessen meist auf die nächsten Actionszenen, die dann meist nicht lange auf sich warten lassen sollen.

Die Wende des Films läutet dann auch bezeichnenderweise wieder Sammo Hungs Ego ein. Kong Long überwindet sich schließlich und unterstützt als erfahrener, lokalen Insider entgegen seines ursprünglichen Befehls das Dragon Squad, bevor dies unter Arrest gestellt wird, tüftelt mit ihm einen Plan aus und bekommt in gleichen mehreren Einzelshowdowns auf Leben und Tod auch seine Genugtuung in seinem persönliches Duell (u.a. ein Sniper-Duell auf einem Friedhof) in dem Hung, am Ende schwer gezeichnet, zeigen darf, dass er genau wie Kumpel Jackie Chan, noch einiges drauf hat. Bin mir allerdings fast sicher, dass wir in „Sha po lang“ noch mehr von ihm zu sehen bekommen.
Militärisches Pathos keimt in diesen letzten Minuten nur ansatzweise auf, die beidseitige, enorme Flut an Toten überrascht dabei dann aber.

Ich bin mir bereits sicher, dass die eingefleischten Hongkong-Fans Daniel Lees neuester Arbeit wenig Wohlwollen entgegenbringen werden, denn „Dragon Squad“ ist in der Tat von der Seele her kaum noch mit früheren Arbeiten aus Hongkong vergleichbar, gleichzeitig allerdings auch einer der wenigen, jüngeren Blockbuster von dort, die nicht enttäuschen. Jackie Chan haute mit „The Myth“ beispielsweise in die ganz falsche Kerbe.
Daniel Lees selbst geschriebenes Drehbuch ist wirklich ziemlich hohl und steckt voller Lücken, auch was die Motivation einzelner Personen angeht. Im Dienst der Filmlogik hangelt sich „Dragon Squad“ mit seiner mageren Geschichte von einer Actionszene zur nächsten, die dafür dann top, wenn auch etwas zu hektisch und unübersichtlich inszeniert worden sind. Das sind eigentlich alles primäre Schwächen des modernen Actionkinos, speziell aus Amerika, die leider nun auch in Hongkong übernommen werden.
„Dragon Squad“ mag zudem rückblickend etwas seelenlos erscheinen, weil vor allem den Interpol-Agenten der Tiefgang fehlt. Ihr Verlust und verbissener Kampf ist deswegen nie so recht nachvollziehbar.



Fazit:
Daniel Lees neuster Streifen ist auch deswegen kein Geniestreich. Der Film hat deutliche Schwächen bezüglich Dramaturgie, Spannung, Tiefgang und Charakterentwicklung (speziell das Dragon Squad) an denen man sich hochziehen und die man ausführlich kritisieren kann. Doch das furiose Tempo, die atmosphärische Optik und die Prachtstücke des Films, die wahnsinnig guten, aber auch leider enorm chaotischen und darüber hinaus saublutigen Actionsequenzen heben diese Mankos für mich wieder auf. „Dragon Squad“ bleibt damit 108 Minuten sehenswertes Blockbuster-Kino aus Hongkong mit einem guten Sammo Hung, viel Nachwuchs und bekannten Gesichtern in Nebenrollen. Den direkten Vergleich mit „Sha po lang“ muss er allerdings erst noch bestehen.

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