Ich möchte hier einmal eine Lanze brechen für ein Genre, daß in der Regel vernachlässigt wird und gerne despektierlich als "Frauenfilm" bezeichnet wird : dem Liebesfilm.
Die "Hüterin der Gewürze" beginnt genau so, wie sich das Mann in seiner Fantasie so ausmalt - mit einem leicht esoterischen Ansatz. Wir sehen eine Gruppe junger indischer Mädchen um ein Feuer versammelt, daß von einer alten Schamanin eingewiesen wird. Sie sind die "Hüterinnen der Gewürze" und werden in die verschiedensten entlegenen Gebiete geschickt, um dort den Menschen mit der Heilkraft der Gewürze zu helfen. Thilo (Aishwarya Ray), die junge indische Frau, kommt nach San Francisco, wo sie einen großen Gewürzeladen eröffnet und ihr Werk beginnt.
Wer hier einen esoterischen Reigen aus Zauber- und Fantasiewelt vermutet, irrt - Thilo wird ganz pragmatisch mit den Auswirkungen des US-amerikanischen Alltags konfrontiert - Liebeskummer, Mobbing in der Schule, Arbeitslosigkeit, Familienbrüche und alltägliche Gewalt. Dabei gelingen dem Film teilweise horrorähnliche Sequenzen, wenn die ruhige Welt der Gewürze plötzlich durch den Lärm des Alltags gestört wird.
Thilos Wirken, für das sich der Film viel Zeit läßt, ist von absoluter Ruhe und Gelassenheit geprägt und wird dem Betrachter immer vertrauter - wir werden Zeuge der wunderschönen Welt der unzähligen Gewürze, deren individuelle Schönheit sich durch viele Nah- und Detailaufnahmen erschließen. Immer wieder greift Thilos kundige Hand in einen Gewürztrog und läßt die verschiedensten Samen und Blüten durch ihre Finger fließen.
Die Gewürze, die früher überall als wichtiges Zahlungsmittel galten, sind gerade in Indien nach wie vor von hoher Bedeutung und so werden wir immer stärker in die Welt des Orients mit einbezogen.
Doch auch Thilos hohe Kunst bedarf der Regeln, denn nur wenn ihrer Beurteilung der zu behandelnden Personen jeglicher Selbstzweck fehlt, kann die Kraft der Gewürze helfen. So ist es auch Thilo untersagt, sowohl aus dem Laden herauszugehen als auch einen anderen Menschen zu berühren - nichts soll sie in ihrer Urteilskraft ablenken. Ihr Geschäft ist wie eine kleine Keimzelle des verborgenen Orients mit seinen alten Traditionen und Geheimnissen, welche mitten in die moderne Großstadt gepflanzt wurde.
Dem Film gelingt es sehr schön, auch uns westlich pragmatisch orientierten Menschen diese Welt zu eröffnen, gerade weil er jeglichen Kitsch oder übertriebenes Getue vermeidet - im Gegenteil, in Rückblicken wird uns der gar nicht schöne Lebensweg Thilos gezeigt mit brutalen Bildern, die uns verdeutlichen, daß auch sie nicht immer in dieser abgeschiedenen Welt zu Hause war.
Doch was "Die Hüterin der Gewürze" besonders verdeutlicht ist, daß eine Trennung zwischen Ost und West auf Dauer nicht möglich ist. Die Einflüsse verschmelzen sich und auch die sehr disziplinierte Thilo hat immer mehr Mühe ,diese außen vor der Tür zu lassen. Doch als sie Doug (Dylan McDermott) kennenlernt weicht ihre innere Haltung immer stärker auf. Allerdings lassen sich die Gewürze das nicht gefallen...
Ob man die dann geschilderten sehr unterhaltenden Geschehnisse für bare Münze nimmt oder sie als Versinnbildlichung der inneren Kämpfe und der damit verbundenen Verwirrung ansieht, bleibt jedem Betrachter selbst überlassen, aber das Ganze ist spannend geschildert und verfügt über eine gewisse Suspense.
Unabhängig davon ist der gesamte Film in einem ruhigen Tempo erzählt, der sich Zeit läßt, die verschiedenen Kulturen und ihren Kampf miteinander zu schildern. Man kann dem Film Verharmlosung vorwerfen, da er extreme Konflikte meidet und kein "böser" Charakter darin vorkommt, denn in diesem Film gibt es für Alles eine Lösung und sei es mit Hilfe der Gewürze. Die typischen Konflikte werden zwar angesprochen, aber der Film leistet sich insgesamt einen optimistischen Blick.
Es handelt sich eben um einen schönen Liebesfilm und denen haftet doch immer etwas märchenhaftes an...für Abende zu zweit , aber auch für Alleineseher in einem entspannten Zustand sehr geeignet (8/10).