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Ein seltsamer Film ist es, den uns die spleenigen Gebrüder Quay hier geschenkt haben: Er ist wie ein Märchen doch auch wenn man hinter dem Film im ersten Moment- hat man schon einmal einem medialen Auftritt der beiden Animationskünstler beigewohnt- eine Traumwelt vermutet, die uns das Staunen und die Freimütigkeit der Kindheit zurückbringen will, so ist man beinahe überrascht das „The Piano Tuner of Earthquakes“ weitaus düsterer und tiefgründiger ausgefallen ist als angenommen, das man einen surrealen Kunstfilm mit philosophischen Ansätzen zu sehen bekommt.

Sicherlich, bestreiten kann man es nicht: Die beiden verspielten Briten leben ihre Vorliebe für skurriles Puppentheater und geschäftig pulsierende Mechaniken mit viel Liebe zum Detail und nostalgischer Note voll aus. Doch dieser Umstand, der in den Beschreibungen des Filmes stets in den Vordergrund gerückt wird ist nur einer von mehreren Gründen, sich „The Piano Tuner of Earthquakes“ anzusehen. Wie auch Michel Gondry in seinem jüngsten Werk „The Sience of Sleep“ beschwören auch Steven und Timothy Quay den Zuschauer, der eigenen Vorstellungskraft ebenso Raum zu gewähren wie auch sich in die unwirkliche kleine, von ihnen modellierte Welt entführen zu lassen. Ein Ansinnen, das in einer Welt wie der unseren, in der es schon fast als exzentrisch zu gelten scheint, phantasievoll und mit kreativem Überschwang durch den Alltag zu schreiten, besonders edel aufzufassen ist.

Und hat man sich auf das außergewöhnliche visuelle und akustische Konzept der beiden eingelassen spielen sie ihre weiteren Trümpfe aus. Was zu Beginn noch ein wenig wie eine Arthaus-Abwandlung von „Peter Pan“ wirkt zieht bald finstere und verwirrende Saiten auf. Der Klavierstimmer Felisberto erscheint einerseits als unwirklicher Charakter mit ebenso kindlich-neugierigen wie vergeistigten Zügen, ist aber auch auf der anderen Seite die Figur, die man sich intuitiv als Identifikationspol auswählt. Er ist aber am Ende auch derjenige, der scheitert. Eine gemeinsame Zukunft für ihn und die von seinem Auftraggeber Dr. Droz entführte Operndiva Malvina gibt es nicht, sein Begehren ist hoffnungslos. Er hält jedoch daran fest und sieht hierin einen Ausweg, auszubrechen aus seinem zuvor offenbar monotonen Leben und der Welt der hässlichen Klänge. Am Schluss sieht man ihn in einer Art Schneekugel in einem der von ihm gestimmten Automaten sich immer wiederholende Bewegungen vollführen. Er tritt auf der Stelle, ebenso wie er es zuvor getan hatte, für immer.

Doch die Charaktere weiter zu ergründen wäre hier wohl nicht von nutzen. Überhaupt entgeht einem vieles, zu sehr lenkt die traumgleiche, expressionistisch angehauchte visuelle Gestaltung und die irreale Welt des Dr. Droz von den Figuren und dem, was sie wohl darstellen sollen, ab. Dennoch bemerkt man zahlreiche Metaphern und Anspielungen. Letzten Endes ist „The Piano Tuner of Earthquakes“ ein Märchenfilm, der das Ende der Kindheit verkündet und sich definitiv an ein erwachsenes Publikum richtet. Die poetischen Wortspielereien in Verbindung mit den oftmals schaurigen und mystischen Bildern sollen einen als Erwachsenen wie ein Kind staunen lassen, jedoch ebenso wie eine Fabel auch eine Pointe liefern, die für Kinder unverständlich wäre.

Überdies ist der Film auch trotz seiner feinsinnigen Akustik kein sonderlich musikalischer. Man erwartet als Zuschauer zwar sofort Klavierklänge our mass doch die Schönheit der Musik soll uns hier viel mehr durch den melancholischen Klang von Malvinas Stimme erreichen, die so verzaubert das Felisberto nicht ruhen kann ehe er nicht ihrer habhaft werden kann. Der Dr. Droz von Gottfried John ist der böse Wolf, der von ihr besessen, eine Metamorphose seiner Welt durch ihre Stimme erzielen will, seine Geliebte Assumpta erinnert ein wenig an einen weiblichen „Puck“ aus Shakespeare’s „Mittsommernachstraum“ der sicherlich ein nicht unwesentlicher Einfluss gewesen sein dürfte, ebenso wie Michael Endes „Die unendliche Geschichte“, die von der Rettung der Phantasie vor dem Nichts erzählt.

„The Piano Tuner of Earthquakes“ ist ein Kinoerlebnis. Die Verspieltheit der Regisseure, die fließende Übergänge zwischen real Existierendem und Künstlichem erschaffen, gekoppelt mit dem surrealistisch-unwirklichen, düsteren Märchenwald, durch den die Protagonisten wandeln ergeben einen faszinierenden, berauschend schönen, detailverliebten Bilderreigen, der aber nur auf voller Breitwand im Kino seine ganze audiovisuelle Wirkung voll entfalten kann. Schwingt euch nach Möglichkeit auf ins nächste Programmkino und lasst euch verzaubern!

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