Iris (Olga Kurylenko), eine junge, hübsche Frau wird bei der Arbeit in einer Limonadenfabrik durch eine kaputte Flasche verletzt, die Spitze ihres Ringfingers wird abgetrennt. Traumatisiert und erschöpft macht sie sich danach auf die Suche nach neuer Arbeit in einer französischen Hafenstadt und landet zufällig in einem abgelegenen Herrenhaus, wo eine Aushilfe für den Sommer gesucht wird. Das Haus beherbergt ein obskures Institut zur Konservierung von Dingen, die Menschen besonders wichtig sind, seien es Pilze, Musikstücke, Knochen etc. Diese Proben werden konserviert und dort aufbewahrt und können von den Auftraggebern jederzeit besucht werden. Außer dem etwas distanzierten Institutschef leben noch zwei ältere Damen (u. a. Edith Scob aus "Augen ohne Gesicht"!) in diesem ehemaligen Kinderheim sowie anscheinend ein kleiner Junge. Nach und nach taucht Iris immer weiter in diese seltsame, hermetische Welt ein. Zudem fängt sie eine Affäre mit dem Chef an, obwohl sie auch einen Hafenarbeiter, mit dem sie sich das Hotelzimmer teilt (er arbeitet nachts, sie tagsüber), attraktiv findet. Die Beziehung zum Chef ist geprägt von einem seltsamen Fetischismus für ein paar roter Schuhe, die er Iris geschenkt.
Je länger Iris in dem unheimlichen Institut als Sekretärin arbeitet, je mehr scheint sie sich vom "realen" Leben zu entfernen...
Diane Bertrands Film von 2005 entstand als internationale Koproduktion mit Geldern aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland (Filmförderung Hamburg), ist aber nie bei uns erschienen. Ob das schade ist oder nicht, vermag ich selbst nach Sichtung des Films nicht eindeutig zu sagen.
Der Film "L' Annulaire" entwickelt stellenweise durchaus einen Sog (unterstützt durch die großartige Musik von Beth Gibbons, der Portishead-Sängerin) mit hypnotischen Bildern, einer überzeugenden Hauptdarstellerin und interessanten Ideen, aber dennoch lahmt der Film v. a. in der Mitte (in der Mitte kam mir der Film fast wir die Parodie eines französischen Arthouse-Films vor, mit ausgedehnten Liebesszenen (bitte kein Missverständnis: Frau Kurylenko ist mehr als prächtig anzuschauen!), gestelzten Dialogen und prätentiösen, sinnlosen Erzählkurven, um dann wieder die Kurve zu kriegen), und das Ende wirft mehr Rätsel als Lösungen auf. Dies muss per se gar nicht schlimm sein, aber dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass es sich die Regisseurin etwas zu einfach gemacht hat. Besonders der etwas abrupte Bezug auf das chinesische Brettspiel Mah Jong wirkt konstruiert und wie eine etwas skurrile Schnitzeljagd, um den Zuschauer eine Deutung zu ermöglichen. Ich möchte hier nicht spoilern, aber es scheint etwas wirr und aufgesetzt.
Iris, so gut sie verkörpert wird, bleibt dennoch eine etwas eindimensionale Figur, deren offensichtliches Bedürfnis nach Veränderung, zu wenig thematisiert wird. Warum sie sich zudem ausgerechnet in den bizarren Institutsleiter verliebt und sich seinem Schuhfetischismus anpasst, bleibt wenig nachvollziehbar. Obgleich Iris in jeder Szene zu sehen, bleibt somit eine gewisse Distanz zur Protagonistin, wobei sie nicht unsympathisch ist. Auch die beiden älteren Frauen sind als Figuren verschenkt.
Vielleicht hatte Diane Bertrand Angst, etwas stärker die unheimliche Seite (die definitiv vorhanden wäre!) zu betonen, um nicht in den Verdacht zu kommen, einen Genrefilm zu drehen. Das ist ziemlich Schade, denn Potenzial wäre genug da gewesen.
So ist der Film kein völliger Flop und durchaus interessant, aber etwas mehr Erzähltempo (oder Kürzungen) und eine etwas konkretere Handlung hätten ihm meiner Meinung nach gut getan.