Review

„500% Kitano - nothing to add"
So lautete die - für viele Fans frustrierende - Werbezeile zu „Takeshis'", die bei den Filmfestspielen in Cannes im Jahr 2005 für viele fragende Gesichter sorgte. Im ersten Moment natürlich absolut nichtssagend, doch nachdem man Kitanos Werk gesehen hat, bleibt einem nichts anderes übrig, als grinsend die oben aufgeführte Zeile abzunicken.

Mehr Kitano geht einfach nicht. Und das liegt nicht nur daran, dass Beat Takeshi in einer Doppelrolle zu sehen ist. Vielmehr handelt es sich hierbei um den wohl persönlichsten Film des japanischen Meisterregisseurs. Mit einer Menge Selbstironie geht er diesen Blick zurück auf seine Karriere an, schickt den Zuschauer dabei in eine wirre, experimentelle Flut aus Träumen und erzählt daraus eine Geschichte über Wünsche, Sehnsüchte und der Suche nach sich selbst.

Doch der Reihe nach. Zunächst macht er sich mit einem offensichtlichen Augenzwinkern über seine Yakuza-Streifen her, mit denen er hauptsächlich in Verbindung gebracht wird. So steht er zu Beginn Auge in Auge mit dem Kontrahenten. Umringt werden die Beiden von den jeweils eigenen Männern, jeder mit der Waffe im Anschlag. Ein cooler Spruch ist zu hören worauf gleich der wilde Kugelhagel losbricht. Am Ende bleibt natürlich nur noch Kitano übrig - völlig unverletzt versteht sich. Der Abspann rollt über den Bildschirm während Takeshi lässig Richtung Ausgang läuft. Willkommen zurück in der Realität, oder doch nicht?

Denn hier muss er zunächst Spott über sich ergehen lassen, da er mal wieder einen Yakuza spielt. Mit der nötigen Arroganz eines Filmstars winkt Takeshi ab, hinterlässt aber gleichzeitig den Eindruck, dass er von der ganzen Filmwelt, dem Dasein als Star, der Verlogenheit und der fehlenden Freiheit ziemlich genervt ist, ja sogar die Nase voll hat und sich während einer längeren Tattoo-Session fragt, wie das Leben eines normalen Durchschnittsbürgers wäre. Dabei geht es um einen kleinen Supermarktangestellten dem er ein Autogramm gegeben hat, der nicht nur aussieht wie Superstar Kitano, sondern auch den gleichen Nachnamen trägt. Vergeblich geht dieser regelmäßig zu Vorsprechen, um endlich den Durchbruch im Filmgeschäft zu schaffen. Leider ist das fehlende Selbstvertrauen und die Schüchternheit ein großes Hindernis dabei. Verspottet von den Nachbarn flüchtet er sich also in seine Träume, in denen er ebenfalls ein großer und furchtloser Yakuza ist.

Hier nimmt der Film nun seinen experimentellen Charakter an. Kitano zieht dem Zuschauer den Teppich unter den Füßen weg und schickt ihn auf eine fantastische Reise. Er setzt dabei Traum, an Traum, an Traum, an Traum, an Traum. Verschachtelt sich immer tiefer in diesen Sog aus wirren, teils surrealistischen Szenen, die wie bei den eigenen Träumen immer ihren Ursprung in der Realität haben. So tauchen bekannte Figuren - Freunde, Manager oder auffallende Personen - in neuem Gewand im Traum auf und nehmen eine neue Rolle an. Das dabei verrückte, teils sogar absurde Ideen verwirklicht werden, versteht sich von selbst. Mal erwacht man in einem neuen Traum, dann tauchen tot geglaubte wieder auf, die Figuren legen ein merkwürdiges Verhalten an den Tag - verschmelzen teilweise sogar mit den Bildern, die alle aus vergangene Erlebnisse resultieren. Leute die die Werke Kitanos kennen, werden dabei sicher ein paar Szenen wiedererkennen, können diese vielleicht sogar den jeweiligen Filmen zuordnen. Beat Takeshi zitiert sich hier natürlich oft selbst, lässt vergangenes Revue passieren und man könnte daher mit dem Gedanken spielen, dass einige Passagen des Films für und über die Fans gemacht wurden, die selbst davon Träumen einmal große Stars zu werden und ihrem Idol nacheifern wollen, um in spektakulären Actionsequenzen als Held dazustehen.
Man kann es aber auch als innerlicher Hilfeschrei auslegen. Angst vor manischen Fans - so wie die Stalkerin, deren Auftritte aber eher humoristischer Natur sind - oder Neidern, deren Versuche nach oben zu kommen kläglich scheitern.

Jedoch sollte man nicht zu sehr auf den Sinn oder Unsinn des Films beharren oder in gar zu Tode analysieren. Denn „Takeshis'" bezieht seine Qualität vornehmlich aus den Bildern, der Narration, der Selbstironie und den tollen Einfällen, zu denen ich mit Absicht kaum ein Wort verloren habe. Man sollte den Film ohne großes Vorwissen ansehen und sich dann der sensationellen Wirkung hingeben. Man wird auf einen wilden Trip geschickt, bei dem es um die Selbstverwirklichung, dem Filmemachen und dem persönlichen Empfinden bei einem der tollsten Regisseure unserer Zeit geht. „Takeshis'" gehört zu den bizarrsten, interessantesten und vor allem besten Werken Kitanos. Ein Pflichtfilm für jeden Fan oder Sympathisanten. 

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