Review

„Travelling Matt erobert Osteuropa“ – Eine vollkommen ernst gemeinte Abhandlung über latente Parallelen zwischen Jim Hensons Plüschfiguren und Eli Roths „Hostel“

Dab da da dab da da da,
ja das war's für heut'.
Dum dum dum dum da du da da,
darum Schluss für heut'.
Hat's dir nicht gefall'n,
dann bohr' dir doch ein Loch ins Knie.
Denn manchen kann man's recht oft tun,
doch allen eben nie.


Hatte das deutsche Schlusslied der Fraggles etwa seinerzeit prophetische Aufgaben? Waren die knuffigen Fraggles dann letzten Endes doch nicht mehr als die apokalyptischen Reiter, die als Vorboten für Eli Roths „Hostel“ fungieren sollten – gewandet in quietschbunte Kinderunterhaltung? Oder ist das doch alles nur Zufall, diese Reihe von Konnotationen, die sich in meinen Augen zwischen Roths Schocker und dieser meiner liebsten Plüschtierserie aus Kindheitstagen bilden? Wir werden sehen…

Doch bevor wir dazu kommen, Parallelen aufzuweisen, begleiten wir zunächst einmal zwei amerikanische Jungs und ihren skandinavischen Freund Oli auf ihrem Eurotrip, auf der Suche nach dem schnellen Sex, billigen Drugs und ein wenig Rock’n’Roll (wahlweise eine andere musikalische Richtung). Gerade die Suche nach erst Genanntem erweist sich als Suche nach dem heiligen Gral, denn die drei sind nicht nur nicht gerade die Hellsten, sie scheinen auch in ihrem Umgang mit dem weiblichen Geschlecht eher minderbemittelt zu sein. Da trifft es sich dann ganz gut, dass sie in Amsterdam jemanden treffen, der den ganz, ganz großen Wurf prophezeit: in Bratislava soll es eine Jugendherberge geben, in der die wundervollsten, vollbusigen Frauen nur darauf warten, von Amerikanern flachgelegt zu werden. Und wenn Oli Glück hat, dann darf auch mal ein Skandinavier drauf… (so viel darf vorweg genommen werden: Oli wird kein Glück haben…)

Unsere Reise beginnt also im europäischen Fraggle Rock: Amsterdam. Einem Ort, an dem alle glücklich sind, weil Dauerkiffen angesagt ist und jeder Tag eine einzige Party zu sein scheint. Ganz nach dem alten Fraggles-Motto:

Sing und schwing das Bein,
lass die Sorgen Sorgen sein…


Und genau da – in Fraggle Rock – offenbaren sich auch schon sämtliche Vorurteile, die wohl der durchschnittliche US-Amerikaner über das europäische Volk haben dürfte: Holländer sind dauerkiffende Partymaschinen, die Deutschen sind einfach die ewig grimmigen Zeitgenossen, wie man sie noch aus früheren Zeiten kennt und den Osteuropäern sollte man sowieso nicht über den Weg trauen. Die Darstellung dieser Klischees durchzieht die erste Hälfte von „Hostel“ wie ein zäher Kaugummi. Langwierig, ärgerlich ist das, was man zu Beginn zu sehen bekommt und es wird dann auch nicht so richtig klar, was Roth mit dieser Exposition überhaupt bezwecken wollte, denn er hätte seine Story auch direkt in Bratislava aufsetzen lassen können.

„Fraggle Rock ist öde! Macht Euch raus da! Auf nach Bratislava!“ möchte man da als Zuschauer schon den Dreien verzweifelt zurufen, und irgendwann hat dann auch das zäh fließende Geschehen ein Ende und es wird dem Flehen des Zuschauers Folge geleistet…

Wie dereinst Onkel Matt Fraggle Rock verließ, um die große weite Welt zu erkunden, so machen sich also nun unsere drei Freunde auf ins osteuropäische Reich der Lüste. Weder Plüsch-Matt noch die drei Stelzböcke wissen zu Beginn ihrer Reise, was sie erwartet, und während Matt beispielsweise in Bayern auf Finger hakelnde Lederhosenträger trifft und er fasziniert von diesem Volkssport seinen Daheim zurückgebliebenen Fraggle-Freunden per Post davon berichtet, machen unsere „Hostel“-Protagonisten Bekanntschaft mit einem ganz anderen, aber doch irgendwie dem Fingerhakeln verwandten Sport – fast genau so martialisch, vielleicht etwas schmerzhafter, aber auf jeden Fall genau so sinnfrei: das Abschlachten von armen, notgeilen Touristen. Hier visualisiert Roth dann auch relativ schnell den Vorschlag, den uns die Fraggles früher nur allzu oft machten:

Hat's dir nicht gefall'n,
dann bohr' dir doch ein Loch ins Knie.


Eli Roth präsentiert uns den europäischen Osten dreckig, nicht gerade einladend, als Sündenpfuhl aus exzessivem Drogenkonsum und schnellem, billigem Sex. Man könnte sagen, Bratislava ist Roths Abwandlung der allwissenden Müllhalde Marjorie, bewohnt von den grimmigen Gorgs, hier in Gestalt von perversen westeuropäischen Geschäftsmännern. Geschäftsmännern, die, ebenso wie es die Gorgs auf die armen kleinen Fraggles abgesehen haben, auf der Jagd nach (bevorzugt amerikanischem) Frischfleisch sind. Und mit der Einführung der Gorgs fängt diese Splatter-Variante der Fraggles an, Spaß zu machen.

Ja, ich gebe zu: als Kind hatte ich unheimliche Angst vor den Gorgs. Es waren Wesen, die ich abscheulich fand, die mich auch ab und an in einem schlimmen Traum besuchten… Roths neumodische Variante der Gorgs schafft es zwar nicht ganz, den Zuschauer in vergleichbare Angstzustände zu versetzen, aber immerhin gelingt es ihnen, zu schockieren. Da muss man schon mal schlucken, wenn Finger abgehackt, Augäpfel… argh… nein, sprechen wir besser nicht drüber… bringen wir’s auf den Punkt: was Eli Roth da über weite Strecken der zweiten, bedeutend düstereren und bedeutend besseren Hälfte von „Hostel“ aufbietet, ist allerfeinste Splatter-Kost. Die Story gewinnt an Fahrt, wo man sich vorher noch im Sessel gewunden hat, um nicht einschlafen zu müssen, windet man sich jetzt, weil man versucht, den visuellen Reizen, mit denen Roth den Zuschauer (auf für den Genre-Freund positive Art) quält, zu entrinnen. Und das, während man sich unweigerlich immer stärker in das vertieft, was man da gerade sieht. „Hostel“ entwickelt sich also doch noch zu einem Terror-Filmchen; eine Entwicklung, die ich dem Film nach der ersten Hälfte so nun wirklich nicht mehr zugetraut habe.

Dass die gelungene zweite Hälfte jedoch nicht all das wett machen kann, was die erste verbockt hat, dürfte jedem klar sein. In der Gesamtbetrachtung von „Hostel“ klingt der Ärger über klischee-überladene Darstellung von Europäern und die damit einhergehende unnötige langwierige Exposition zu stark nach, als dass man dem Film Höchstnoten vergeben könnte. Ein Umstand, der sich auch in den vielen Kritiken, die sich für die Beurteilung von „Hostel“ der gesamten Palette von „Meisterwerk“ bis „Schund“ bedienen, widerspiegelt… und genau da hätten wir wieder einmal die Fraggles:

Denn manchen kann man's recht oft tun,
doch allen eben nie.
5/10

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