Bereits mit seinem Regiedebut "Cabin Fever" stellte Eli Roth eine unterhaltsame, wenn auch recht dämliche Mixtur aus Horror und Splatter auf die Beine, die an den Kinokassen zudem recht erfolgreich war. In einer etwas länger andauernden Ruhepause kam Roth dann die perfekte Idee für seinen nächsten Film, die er sogleich seinem "Mentor" Quentin Tarantino vor die Nase hielt, der sich ebenso begeistert zeigte und sich so gleich als Ausführender Produzent bereit erklärte und zudem im Voraus mächtig die Werbetrommel für den Film rührte. Was die Beiden derart in Erstaunen versetzte, war angeblich eine thailändische Website, auf der man für 10.000 $ die Möglichkeit geboten bekam, jemanden vor laufender Kamera foltern und töten zu lassen. Ob dies alles nur ein groß angelegter PR Gag war, oder auf Tatsachen beruht, kann ich nicht sagen, aber als Vorlage für einen Film wie "Hostel" eignet sich etwas derartiges natürlich gut, zudem ist es eine effektive Werbemaßnahme.
Ob sich all die Werbung aber letzten Endes lohnt, entscheidet die Umsetzung des endgültigen Films und gerade da hat Roth alles richtig gemacht. "Hostel" wurde und wird als extrem heftiger Terror-Horror angepriesen und das nicht ohne Grund. In den letzten Jahren war eine stetig wachsende Anzahl von immer brutaler werdenden Horrorstreifen zu bemerken, und mit "Hostel" hat dieser Trend nun fürs Erste sein endgültiges Maximum erreicht. "The Hills Have Eyes", "Saw", "The Descent".. Diesbezüglich eine Liste anzufertigen, wäre eine langwierige Aufgabe, nicht aber, den ersten Platz zu finden. Von all den Streifen, die in der letzten Zeit versucht haben, das Publikum auf ihre Weise zu schockieren, gelingt dies "Hostel" ohne Frage am Besten und das nicht ausschließlich aufgrund abartiger, ekelerregender Szenen, obwohl es diese natürlich auch ausreichend zu bestaunen gibt.
Der Punkt ist, dass "Hostel" alles zeigt, was gezeigt werden muss, um beim Publikum eine gewisse Reaktion von Angst und Entsetzen hervorzurufen, dabei nie aber eine gewisse Linie überschreitet. So kann man dem Film nicht unterstellen, er sei nur auf Blut & Innereien aus, denn das stimmt in dieser Formulierung definitiv nicht. Zuerst einmal lässt sich Roth viel Zeit, seine drei Charaktere vorzustellen. Natürlich tut er das auf seine typische Weise und lässt Paxton, Josh und Oli Gras rauchen, Sex haben und sich besaufen, doch gerade dadurch, dass die erste halbe Stunde ausschließlich aus derartigen Szenen besteht, lernt man die Hauptpersonen etwas besser kennen und baut ab einem gewissen Zeitpunkt sogar Symphatie zu ihnen auf. Um so schockierender ist dann die zweite Hälfte des Films, wenn es plötzlich und ohne Vorwarnung ans Eingemachte geht. Wenn von einer Sekunde auf die andere das erste Blut fließt, hat man fast schon vergessen, dass man sich einen Horrorfilm ansieht, sondern fühlt sich vielmehr wie in einem typischen Teenie-Movie, weshalb die sekundenschnell eintretende, rohe Gewalt etwas sehr brutales, grausames an sich hat, das man in anderen Horrorfilmen als selbstverständlich betrachten würde.
Obwohl in einem Film wie "Hostel" sicherlich niemand vordergründig auf die schauspielerischen Leistungen achtet, ist es schon erstaunlich, wie sehr sich die verschiedensten Darsteller ins Zeug legen, um ihr bestes zu geben. Jay Hernandez, Derek Richardson und Eythor Gudjonsson die auf ihrer alkoholgetränkten Rucksacktour durch Europa sind, machen einen sehr natürlichen, unveränderten Eindruck und wirken wie die typische, auf Sex und Spaß ausgerichtete "Jugend von heute", wie man sie wohl klischeebehaftet nennen könnte. Das macht jedoch nichts, auch wenn sicherlich nicht jeder Zuschauer mit derartigen Personen symphatisiert, kann man ihnen nicht absprechen, dass sie sehr viel glaubhafter als die Hauptdarsteller in vielen anderen Horrorfilmen wirken. Auch der restliche Cast macht seine Sache gut, angefangen von den gutaussehenden und meist nackten "Lockvögeln" Barbara Nedeljakova (Natalya) und Jana Kaderabkova (Svetlana), bis hin zu den Perverslingen, die sich in dem abgelegenen Industriegebäude tummeln, um dort für bahres hilflose Opfer quälen zu können. Unbedingt Ausschau sollte man übrigens auf Tarantino, Roth und nicht zuletzt den Kultregisseur Takashi Miike, die allesamt kleine, recht amüsante Cameos in dem Streifen haben.
Der Storyverlauf ist dabei für einen Film dieses Genres sehr eigenwillig, da, wie bereits erwähnt, in der ersten halben Stunde nichts passiert, was auch nur im geringsten auf einen Horrorfilm schließen lassen würde. Die drei Freunde reisen durch Europa und haben andauernd Sex, was meist sehr direkt und ohne jedweden Einflüge einer Pseudo-Moral dargestellt ist, nehmen Drogen und besaufen sich. That's it. Bevor nun aber jemand auf falsche Gedanken kommt und meint, dass ich "Hostel" Langeweile unterstellen möchte, rücke ich anstatt dessen gleich mit dem positiven heraus. Europa wurde mit hohem Wiedererkennungswert in den Streifen übernommen und ist einfach mal eine gelungene Abwechslung zu den typischen Horrorfilmen, die in den USA spielen. In Amsterdam treffen unsere drei Rucksacktouristen übrigens auf viele Deutschsprachige Menschen und verwenden die dt. Sprache auch selbst, was gerade hierzulande dem einen oder anderen ein Schmunzeln entlocken dürfte, auch wenn der Witz daran durch die Synchronisation irgendwie verloren geht.
Bratislava ist dann wiederum sehr gefährlich dargestellt, was den Tourismus der Hauptstadt der Slowakei sicherlich nicht gerade fördern dürfte. Alles macht einen lieblosen, verarmten Eindruck, auf den Straßen tummeln sich kleine Kinder, die sich zu großen Gruppen zusammenschließen, und so Erwachsene überfallen. (Kleine Anmerkung: Die "Bubble Gum Gang" wurde von echten Straßenkindern gespielt, was das Ganze wiederum noch glaubwürdiger macht.) Alles in allem haben mir die unterschiedlichen Locations und deren Darstellungen überaus gefallen, das Europäische Flair erzeugt eine ungemein dichte Atmosphäre.
So weit so gut, obwohl dies alles sehr für "Hostel" spricht, würde dies dem Film natürlich nichts nutzen, wenn er nicht auch in der Hinsicht etwas taugen würde, die im Voraus so beworben wurden. "Hostel" ist ab einem gewissen Zeitpunkt voller Gewalt, die einem durch Mark & Bein geht und einen des öfteren unwillkürlich erschaudern lässt. Überall in den dunklen Räumen liegen Waffenarsenale, die nur dazu dienen, die entführten Menschen, die an einen Stuhl gefesselt werden, zu foltern und zu quälen. Das Erschreckende daran ist, dass diese abscheulichen Taten nicht von irgendwelchen Typen begangen wird, denen man es onehin zutrauen würde, sondern von "Leuten wie du und ich", die sehr viel Geld dafür bezahlen, einmal Mörder sein zu dürfen. (Skurill: Der Preis, einen Einheimischen zu foltern, beträgt 5.000 $, ein Europäer kostet 15.000 $ und ein Amerikaner letztendlich 25.000 $, so habe ich es zumindest in Erinnerung). Überall in den Räumen liegen abgehackte Körperteile und von Blut verkrustete Folterutensilien, was eine sehr beklemmende Stimmung erzeugt. Splatter und Gore gibt es eher in Maßen, als in Massen, dafür aber so, dass eine derartige Szene ihre Wirkung auch mit definitiver Sicherheit nicht verfehlt. Das extremste Beispiel ist da wohl das Auge, das mit einem Schweißbrenner bearbeitet und anschließend herausgeschnitten wird, doch "Hostel" bietet noch vielerlei Grausamkeiten mehr. Selbst mir war hin und wieder danach, eine kleine Pause einzulegen oder den Blick von dem Bildschirm abzuwenden, was aber nicht nur auf die sehr offene Darstellung von Gewalt und Folter zurückzuführen war. Auch die Spannung, die in den Szenen innerhalb des dunklen, verfallenen Industriegebäudes erzeugt wird, ist enorm und von solch einer Intensität, dass es einem eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagt. Gerade die Mischung aus blutrünstiger Gewalt, Atmosphäre und düsterer Spannung macht "Hostel" zu einem einzigartigen Erlebnis. Nicht ohne Grund schoss der Streifen in den USA sofort auf den ersten Platz der Kinocharts und nicht ohne Grund arbeitet Eli Roth bereits an den ersten Entwürfen zu "Hostel 2".
"Hostel" ist Terrorkino pur, ein Film voller Folter, abscheulicher Gewalt und Menschenverachtung. Dabei macht Eli Roth allerdings nicht den Fehler, sich ausschließlich auf besagte Inhalte zu verlassen, sondern bringt auch glaubhafte, wenn nicht sogar symphatische Charaktere ein, und lässt diese genau dann leiden, wenn man als Zuschauer gerade beginnt, mit ihnen mit zu fiebern. Die Locations sind perfekt gewählt und verleihen dem Film eine ganz eigene, düstere und bedrohliche Stimmung. Letztendlich sollte jeder selbst wissen, ob er etwas derartiges sehen will, aber für mich stellt "Hostel" gerade durch seine Verknüpfung von kranker Grundidee, abstoßender Gewalt und an den Nerven zehrender Spannung ein Highlight des Genres dar, dass all seinen Genrekollegen die lange Nase zeigt und sich mit Recht an die Spitze des modernen Terrorkinos erhebt.