Review

Durchwachsene bis mäßige Kritiken allerorten, ein paar Rezensenten liegen dem Film zu Füßen und gute Bekannte widersprechen sich tunlichst in Sachen Bedeutung von Guy Ritchies "Revolver".
Wer sich die Rückkehr des Briten zu seinen Gangsterwurzeln fünf Jahre nach "Snatch" gänzlich zu Gemüte geführt hat (und ich bin sicher, daß da so einige Zuschauer entnervt ausgestiegen sind, bevor die Schlußtitel rollten), spürt noch deutlich, daß da jemand verschiedene Einflüsse zu verarbeiten hatte, allen voran den vielleicht gut gemeinten, aber dann doch eher unbrauchbaren Einfluß der Ehefrau, die dermaßen auf den Knien den Mysterien der Kabbala hinterhergekrochen ist, daß das sogar auf die Kreativität ihres Männes abgefärbt hat (wenn auch nicht mehr lange).

Wenn schon zur heimischen Scholle zurück, dann doch wenigstens die bekannten Themen auf den Kopf stellen und was zuvor leicht und makaber erschien, kompliziert verschachtelt und extrem raffiniert erzählt, wird nun zu einem introspektiven und extrem finsteren Blick in den menschlichen Verstand.
Es ist schwer, von "Revolver" einen erschöpfenden Überblick für filmunkundige Leser zu erstellen, ohne den Film und seinen kompletten Verlauf zu spoilern, andererseits geht Ritchie seinen neuen Trip dermaßen sperrig und umständlich an, daß man es über weite Strecken für eins seiner typisch verschachtelten Plotspiele mit witziger Pointe hält. Damit bewegt sich der Zuschauer jedoch auf Glatteis, denn der Betrug liegt schon im Titel: wer da an eine Waffe denkt, ist falsch gewickelt, vielmehr bezieht sich der Titel auf das Verb, sich um etwas herumzubewegen und so dreht sich der ganze Film um die Wahrnehmung des eigenen Ichs, die Auseinandersetzung mit dem Bewußtsein, den Sieg über das Ego und die Verarbeitung von Ängsten, wobei Bessons Vorlage und Ritchies Skript für die Genrefans auch noch fleißig Versatzstücke von Singers "Die üblichen Verdächtigen" und Plot Points aus Finchers "Fight Club" verarbeiten - und wer ein bißchen mitdenkt und seinen zunehmend müden Geist in Form hält, spürt diese Leihgeschäfte auch lange, bevor sie in der Handlung wirklich ruchbar werden.

Die Story vom sieben Jahre eingesperrten Gangster, der von zwei mysteriösen Mitinsassen im Knast das perfekte Spiel mit den stets funktionierenden Regeln gelernt hat, das ihn jedoch scheinbar mittels einiger seltsamer Kredithaie, die ihn unter ihre Fittiche nehmen, um ihn vor einem Gangsterboss zu bewahren, selbst in den Allerwertesten beißt, ist so undurchsichtig wie offensichtlich metaphysisch angelegt; zu viel bleibt zu lange Zeit zu vage. Introspektiver Dialog ist noch dazu nicht eben die darstellerische Domäne von Jason Statham, wenn er gut zwei Stunden dazu eigentlich nur düster vor sich hinstarren muß - was sich dann in der letzten halben Stunde in einer enorm aufgesetzten, überzogenen und todlangweiligen Auseinandersetzung mit sich selbst endlich mal aufklärt.

"Revolver" dreht sich um sich selbst und in sich selbst zurück und ist damit entweder total brilliant oder verschroben visualisiertes Metaphernmemory, bei dem Kamera, Einstellungen, Schnitt und Musik eher entgegen den typischen Erwartungen arbeiten, aber ihre Verwandtschaft zu den stringenten Gangsterdramen stets vortäuschen.
Ob das alles wie eine Selbsttherapie eines in seiner eigenen Kunstwelt gefangenen Regisseurs wirken soll oder eine effektive Auseinandersetzung mit religiösen Theorien darstellt, bleibt dahingestellt - allerdings ähnelt das Ergebnis weniger Besson, als vielmehr wie Guy Ritchies Versuch, seine Werke mit der surrealen Doppeldeutigkeit von David Lynch zu kreuzen. Wo Lynch jedoch zu verstören und entfremden weiß und Ängste aus dem Unterbewußtsein fördert, um seine Spielereien in sich selbst zurücklaufen zu lassen, scheint der Brite unter enormen Verfremdungsbewußtsein und damit verbunden gigantischem Erklärungsdruck zu leiden, denn entweder labert er seine Mysterien tot oder breitet sie so exaltiert vor der Kamera aus, daß auch der Gutwilligste beizeiten angeödet reagiert.

Die Mischung aus gestrecktem Plot, Kabbala-Metaphern und psychologischem Mummenschanz kann zwar zeitweise einen gewissen Reiz ausüben und hat auch den einen oder anderen guten inszenatorischen Einfall zu bieten, strapaziert aber Geduld und "good will", weil die Themen nicht recht zueinander passen wollen.
Die Folge: Jason Statham muß seine innerlich komplexere Rolle noch hölzerner spielen als üblich, Ray Liotta kokettiert wieder mit seinem patentiert cholerischen Psychopathen und "Outcast"-Sänger André Benjamin und Vincent Pastore als die seltsamen Kredithaie passen so wenig in ihren Typisierungen zusammen, daß man dahinter (zurecht) den nächsten Plotdreh vermuten kann. Allenfalls Dauerbösewicht Mark Strong als unfehlbarer Killer Sorter trifft den alten Ton Ritchies, weil Sorters Einordnung in den Filmmystizismus nämlich abstrakter als der der übrigen Figuren ist und auch nicht erschöpfend erklärt wird.

Man erwarte also keinen gängigen, spaßigen oder sonstwie linearen Crime-Thriller mit Komödienaspekten, sondern ein mental überkochtes Genau-neben-die-Schüssel-urinieren, das alle Erwartungen unterläuft.
Für manche ist das genau die Würzmischung, die dem modernen Kino aktuell öfters fällt - für andere pseudopsychologisches Herumgefranze an halbgar durchdachten Themen einer bald geschiedenen Ehe.
Immerhin: hat man es gesehen, erinnert man sich daran. Nicht gern, aber lange. Das ist doch schon was. (4/10)

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