Review

Dank seiner Gangsterfilme „Lock, Stock and Two Smoking Barrels“ oder danach vor allem „Snatch.“ abgefeiert und als würdige Alternative zu Großmeister Quentin Tarantino („Pulp Fiction“, „Kill Bill“) ausgerufen, musste der britische Filmemacher Guy Ritchie mit seinem „Swept Away“ – Remake, das der mit seiner Frau Madonna in der Hauptrolle besetzte, ungewohnt herbe Schelte beziehen. Der Genrewechsel missglückte, der Film floppte und die Kritiker verrissen das Stück.
Um seine alte Reputation zurück zu erlangen, ging er mit „Revolver“ zumindest in einigen Aspekten wieder zu seinem Ursprung zurück, ohne gänzlich seinen Drang aufzugeben, zu zeigen, dass mehr in ihm steckt und auch ein kultverdächtiger Regisseur sich noch weiterentwickeln kann.
„Revolver“ sollte sein Comeback darstellen, wurde von den Kritikern erneut vernichtend bewertet und tut sich erneut schwer interessierte Filmverleihe zu finden. Insbesondere hierzulande ist noch immer kein Start in Sicht, doch derweil trumpfen bereits die ersten DVDs aus dem Ausland auf...

Auf seiner Suche nach dem Pfad zurück zum Erfolg betritt Ritchie mit „Revolver“ einige Irrwege, fährt den Karren aber nicht so tief in den Dreck, wie es einige Reviewer bereits behaupten.
Verabschieden muss sich der Zuschauer aber nun endgültig weitestgehend von dem Ritchie-Style, den er einst kennen gelernt und geliebt hat. Die Zeit der leichtfüßigen Gangster-Balladen mit einer Maximalanzahl skurriler Figuren, amüsanten Zufällen, Wortwitz und Situationskomik scheint nun endgültig für ihn vorbei. Ritchie ist augenscheinlich erwachsen geworden und holt wohl auch deswegen als Zugpferd Jason Statham („The Transporter“, „Cellular“) zurück, dem unter ihm seinerzeit der internationale Durchbruch gelang.

Statham, mit Bart und langen, öligen Haaren, spielt den Profispieler Jake Green nicht mit der selben Ausdrucksstärke seiner jüngsten Actionrollen, beweist aber, dass er auch abseits von Coolness und Fights, nuanciert aufspielend eine gute Figur macht. Sein nach Vergeltung lechzendes Ego, ausgestattet mit zynischen Voiceovers, Lebensweisheiten und ultimativen Spielregeln könnte geradewegs Frank Millers „Sin City“ entlaufen sein, wobei hier bereits früh deutlich wird, woher Ritchie seine Ideen denn herkarrt. Die spätere Verwendung von Animationssequenzen, wie sie auch Tarantino in „Kill Bill“ nutzte und die regelmäßige Einblendung historischer Zitate sind jedenfalls nicht auf seinem Mist gewachsen und nur allzu deutlich von seinen Vorbildern abgeschaut.
Mit dem klaren, phasenweise surrealen Edellook, irgendwo zwischen der grellen Glitzermetropole Las Vegas und dem glatten, einfachen London, feiert man jedoch zumindest ein optisches Wiedersehen mit einem Stilmittel, dass Ritchie einst mitkreierte. Es bleibt also erneut alles im weitesten Sinne rein britisch, auch wenn, wohl auch aufgrund einer angestrebten internationalen Auswertung auf stark prägendes Lokalkolorit verzichtet wurde.

Bei „Revolver“ geht es um nichts anderes als das Spiel, Schach wenn man so will. Nicht einfach, sondern gleich in drei Dimensionen. Das Spiel selbst, das Spiel, das andere mit einem treiben und das Spiel, das man mit anderen treibt, während andere glauben es mit dir zu treiben. Klingt kompliziert? Ist es auch ein wenig, doch wenn man am Ball bleibt, klappt das mit dem Verständnis, obwohl Ritchies Ambitionen zum Schluss eine Stufe zu hoch wollen.

Jake Green ist der Dreh- und Angelpunkt des Films. Der Zocker, der sieben Jahre unschuldig im Knast verbrachte und den Casino-Besitzer Macha (am besten während seiner Tobsuchtsanfälle: Ray Liotta, „No Escape“, „Narc“), dem er diesen Aufenthalt zu verdanken hat, provoziert und dazu wie eine Weihnachtsgans nach allen Regeln der Kunst ausnimmt, muss gewaltig schlucken, als man ihm nach einen Ohnmachtsanfall mitteilt, dass er nur noch drei Tage zu Leben hat. Da ihm nach diesen Schock zu allem Überfluss auch noch Machas Schläger auflauern, was er im Gegensatz zu seinen Freunden knapp überlebt, machen ihm die zwei Kredithaie Avi („Outkast“ – Mitglied André Benjamin, „Be Cool“, „Four Brothers“) und Zach (Dauer-Mafioso Vincent Pastore) ein Angebot. Er befolgt ihre Anweisungen ohne Fragen zu stellen, gibt ihnen sein ganzes Vermögen, das er seit seiner Entlassung aus dem Knast angesammelt hat und wird dafür von ihnen für den Rest seines Lebens, also die nächsten paar Tage, beschützt.

Mehr zu verraten, wäre nicht im Sinne des Zuschauers, denn es gibt in Folge einige Wendungen die man nicht, oder gerade weil die Vorlage schrieb und inszeniert, erahnen könnte. Typische Elemente wie schwarzer Humor (Unglück mit einer Shotgun nach Mauersprung und eine daraus resultierende, die Wahrheit verdrehende Nacherzählung, die in Bildern festgehalten wird) und skurrile Figuren (ein Profikiller, der zum ersten Mal danebenschoss, in der Krise bekommt den Moralischen) findet man zwar vor, allerdings nur am Rand. Der Fokus bleibt auf der verzwickten Geschichte rund um Jake Green, Manipulation, Gegenmanipulation, Lüge und Wahrheit, Betrug, sowie der näheren Erläuterung der Essenz, was einen perfekten Spieler ausmacht, wen er wie beobachten und vor allem welche Regeln er beachten muss.

Jake Green ist und bleibt in diesem Spiel leider die einzig interessante Figur in einem ansonsten eher unwichtigen Skript, das nebenher noch Macha Drogendeals mit der fernöstlichen Mafia abschließen lässt. Die sich darin verwickelnden Avi und Zach, die dann auch mittels Abschleppseil Machas Geldschrank entfernen, genießen derweil ihr Spiel mit Green und weiden sich in dessen Unwissenheit, denn Green erlernte seine Fähigkeiten, die auf einer unschlagbaren Formel fußt, einst im Knast von zwei Zellenkollegen und bekommst seit seiner Rückkehr in die Freiheit lebensrettende Kärtchen von einem anonymen Gönner zugesteckt.

Der gemächliche Verlauf und der fehlende, letzte Pep schlagen während dessen leider meist negativ zu Buche. Ganz so, als ob Ritchie sich nie gänzlich von seinem früheren Erfolgsrezept lösen kann, greift er immer wieder auf die bewährten Hilfsmittel zurück und serviert zum Ende hin eine, wenn auch saubere und kurze, in der Umsetzung aber relativ coole Schießerei, die eher einer Exekution gleicht.

Das im letzten Drittel stattfindende Abtauchen in die Gefilde eines David Lynch wirkt dann im Kontext wie ein zwanghafter Versuch von Guy Ritchie sich und dem Publikum beweisen zu wollen, dass er mehr als style over substance beherrscht. Mit dem Vorschlaghammer hätte er da allerdings nicht gleich hantieren müssen. Greens Selbstfindung, der Kampf mit seinen Dämonen auf einer höheren Ebene und das Reintischmachen sind ein anstrengender Abschluss, der sich nur wenig an das Vorangegangene anschmiegt, viel zu gehetzt die Sache auf den Punkt bringt (Der wahre Feind lauert in dir selbst...) und mit der gedrückten Stimmung bricht, um stattdessen zum Verwirren und Interpretieren einzuladen. Nicht unbedingt das, was man mit dem Trailer und dem Namen Guy Ritchie in Verbindung bringt.


Fazit:
Ich fand „Revolver“ als Experiment eigentlich ganz interessant und brauchbar, gleichzeitig aber auch weit weg von „Snatch.“ entfernt, auch wenn dessen Einflüsse hier hin und wieder präsent sind. Dabei muss ich mich allerdings auch ständig an Jason Statham klammern, der mit seinen aussagekräftigen Monologen die Faszination des Zuschauers fast schon für sich allein einnimmt. Während das im Kontext durchaus intelligente und auch mehrfach in der Realität anwendbare Spiel im Spiel im Spiel zunächst ein wenig verwirrt, dann jedoch komplexe Züge offenbart, die nach anfänglichem Zögern wohl in den meisten Fällen ein Grinsen auf das Gesicht des mitdenkenden Zuschauers zaubert, bleibt der letzte Akt ein tiefsinniges Geduldspiel, für das Ritchie zumindest bisher noch das Talent fehlt, um in eine Dimension vorzustoßen, in der das Wesen von Green trefflich analysiert wird.
Schwierig hier eine Empfehlung auszusprechen, denn „Revolver“ ist nur der halbgare Versuch zu neuen Ufern aufzubrechen. Für Fans von „Lock, Stock and Two Smoking Barrels“ und „Snatch.“ fehlt dem Film die Leichtfüßigkeit, der Humor und die einprägsamen Figuren inklusive des britischen Flairs. Diese Elemente greift Ritchie hier zwar alle noch mal auf, lässt sie aber genauso wieder fallen, als hätte er gleich wieder gemerkt, dass er so etwas dieses Mal ja nicht drehen wolle.
Diejenigen, die sich auf ein substanzielles Werk von ihm gefreut haben, das zum ersten Mal auch den Zuschauer fordert, werden enttäuscht sein, dass sie bis zum Ende warten müssen und Ritchie inflationär mit philosophischen Aussagen um sich wirft (Ich will ihm hier nichts unterstellen, aber stand da etwa Madonna mit Kabbala Gewehr bei Fuß?). Weder Fisch noch Fleisch und deswegen nur Durchschnitt, wohlgemerkt zäher Durchschnitt, der aufgrund seiner Zwiespältigkeit nie in Schwung kommt.

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