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Harry und Saylor küssen sich innig und liebevoll und sind eigentlich gerade auf dem Weg ins Schlafzimmer, als der Diener Gerda ankündigt. Saylor kann gerade noch ins Nebenzimmer flüchten, da steht Gerda auch bereits im Zimmer und macht Harry eine Szene. Wer da im Schlafzimmer ist will sie wissen, bestimmt wieder diese Person! Sie will ins Zimmer gehen, Harry verwehrt ihr den Zugang und es kommt zu einem Gerangel. Da ein Schuss, ein Schrei – Das Gerangel geht weiter, doch jemand ruft „Halt!“. Halt? Wieso Halt? Der Schuss kam zu früh, und die Szene muss wiederholt werden. Also gut, alle wieder auf ihre Plätze, die Szene wird wiederholt, und während des erneuten Gerangels kann Gerda in die Kulisse des Schlafzimmers sehen. Sie sieht Saylor, die regungslos auf dem Bett liegt. Wieso regungslos? Da stimmt doch was nicht … Regisseur Kalser ruft den Arzt, und der bestätigt den Tod Saylors. Durch eine Kugel. Saylor wurde erschossen! Die Kriminalpolizei kommt, niemand darf das Filmatelier verlassen, und Kriminalrat Holzknecht und Kriminalkommissar Möller ermitteln unter den Schauspielern, den Komparsen und der Mannschaft. Denn es ist sicher, dass niemand das Studio verlassen hat, der Mörder also noch hier sein muss.

Und auch wenn der Herr Kriminalrat ein wenig zu viel weiß ohne dass es jemals vorher zur Sprache kam, und auch wenn der Herr Kriminalrat ein wenig zu allwissend über den Dingen schwebt und fast wie der Regisseur bei einem Kriminalfilm agiert, so ist DER SCHUSS IM TONFILMATELIER trotz allem ein richtiger Krimi. Viele Verdächtige in einem abgeschlossenen Raum, eine verschwundene Waffe, ein Kommissar der nicht der Hellste ist, und eine ganze Menge Schauspieler deren Beruf es ist, so zu tun als ob.

Die Hauptverdächtigen sind Gerda (Gerda Maurus) und Harry (Harry Frank), denn die beiden sind seit einiger Zeit verlobt, was Saylor, mit der Harry ein Verhältnis unterhielt, gar nicht gepasst hat. Viele Dinge kommen zum Entsetzen des Regisseurs Kalser (Erwin Kalser) zur Sprache, und mittendrin ist der Hilfsregisseur Kestin (Erich Kestin), der ständig neue Verdächtige aus dem Hut zaubert: Der Kameramann Ewald (Ewald Wenck) in seiner schalldichten Box, weil dort niemand den Schuss hört. Der Oberbeleuchter Bahlke, weil der so finster schaut. Und so manch anderer. Aber der Herr Kriminalrat ist nicht auf den Kopf gefallen, und macht sich die technischen Möglichkeiten eines Tonfilmateliers zunutze, um die letzten Minuten vor dem Mord zu rekonstruieren.

Und genau dieses ist es, was den Film aus dem Mittelmaß heraushebt. Vor allem aus heutiger Sicht ein spannender Blick in die Produktion eines Tonfilms zu einer Zeit, wo dieses Medium noch funkelnagelneu war (Der erste komplette deutsche Tonfilm war laut der Wikipedia MELODIE DES HERZENS, dessen Premiere am 16. Dezember 1929 war, die Dreharbeiten zu DER SCHUSS.. begannen im Mai 1930), und gleichzeitig ein drolliges Vexierspiel mit den Beteiligten eines Films. Die Hauptdarsteller und der Regisseur spielen sich quasi selbst, und der Kommissar braucht beispielsweise einige Zeit um herauszubekommen, dass aus der Waffe, welche die Komparsin Ilse Korseck (Ilse Korseck) präsentiert, gar nicht geschossen worden sein kann, weil das ja eine Filmwaffe ist. Wenn Alec Baldwin gewusst hätte, dass das so einfach ist mit der Waffe und dem zu synchronisierenden Schussgeräusch. Denn wenn der Schuss nicht vom Band kommt, dann klingt er gleich völlig falsch! Ja ja, das lernt man in diesem Film …

Ein großer Spannungskrimi ist DER SCHUSS.. dabei nicht, auch wenn die Aktionen des Mörders um seine Spuren zu verwischen (unter anderem werden Filmstreifen in Brand gesteckt, was bei dem damals gebräuchlichen Filmmaterial auch schnell in einer Katastrophe hätte enden können) durchaus spannend sind. Ein wenig hat sich narrativ die Zeit ja doch weitergedreht. Und zwischen 1930 und 2020 gibt es zugegeben gewisse Unterschiede in Form und Inhalt, die DER SCHUSS.. ein klein wenig gealtert darstellen, was vor allem dem gottgleichen Kriminalrat anzulasten ist. Aber der Film ist hübsch gemacht, und bietet wie gesagt spannende und interessante Einblicke in eine Filmproduktion von damals. Und alleine deswegen lohnt die Sichtung schon.

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