Review

Trotz seiner Drehbücher zu verschiedenen lukrativen Kino-Erfolgen, u.a. „U-571“, „the Fast and the Furious“ und „Training Day“, weigerten sich die verantwortlichen Major-Studio-Entscheidungsträger der Traumfabrik Hollywood, der Umsetzung des diesem Film zugrunde liegenden David Ayer Skripts grünes Licht zu gewähren, weshalb jener die Sache irgendwann schließlich in die eigenen Hände nahm: Er sicherte sich eine unabhängige Finanzierung, debütierte als Regisseur und realisierte sein kantiges, nur bedingt massentaugliches Thriller-Drama auf diese Weise doch noch – mit förderlicher Unterstützung der Gebrüder Weinstein sowie des Hauses „Bauer/Martinez“…

„Harsh Times“ eröffnet in Form eines komplett in Nachtsicht-Optik gehaltenen Blicks auf ein militärisches Schlachtfeld irgendwo in der Wüste – die erste (und keineswegs einzige) Gemeinsamkeit mit der ähnliche Thematiken aufgreifenden 2005er Produktion „the Jacket“: Eine Special Forces Einheit der US-Rangers nähert sich, im Schutze der Dunkelheit und zerklüfteten Landschaft, vorsichtig einer Gruppe feindlicher Kombattanten. Wie ein Messer durch Butter schaltet ein Soldat des Teams, Jim Davis (Christian Bale), die ersten Feinde lautlos und „sauber“ aus, bevor eine Granate geworfen wird und ein Feuergefecht entbrennt, welches, dank der technischen Überlegenheit sowie des Überraschungseffekts, einen zügigen Abschluss findet. Anschaulich wird uns, den Zuschauern, vor Augen geführt, welch präzise, tödliche, eiskalte Tötungsmaschine Jim ist – während des Einsatzes trägt er unter seiner Kampfuniform zudem ein Skelett-Kostüm (bestehend aus Gesichtsmaske und Handschuhe) – psychologische Kriegsführung oder gar symbolische Manifestation seines Innenlebens? Man kann nur spekulieren, denn in der nächsten Szene erwacht er aus diesem aus Erinnerungen zusammengesetzten Albtraum – auf dem Rücksitz seines Wagens liegend, der vor einer Hütte im mexikanischen Hinterland parkt, in welcher seine Verlobte Marta (Tammy Trull) zusammen mit ihrer Familie haust. Monate sind seit dem Ende seiner aktiven Dienstzeit vergangen, die Entlassung war ehrenhaft. Liebevoll verabschiedet er sich wenig später von seiner großen Liebe, da er nun nach Los Angeles aufbrechen wird, wo er dem L.A.P.D. beitreten will, um sie in Folge dessen, im Anschluss an ihre Heirat, vollkommen legal in die USA nachzuholen – ein fester Job ist nämlich eine zwingende Voraussetzung dafür…

Zurück in der Stadt der Engel, an jenem Ort, an dem er aufwuchs, schließt er sich mit seinem alten Kumpel Mike (Freddy Rodriguez) zusammen, der sich ebenfalls gerade auf Jobsuche befindet – allerdings eher auf Drängen seiner Lebensgefährtin Sylvia (Eva Longoria) hin, einer inzwischen gut verdienenden Anwältin, auf deren Kosten er aktuell lebt. Aus ihrer Abneigung Jim gegenüber macht sie kein Geheimnis, weshalb sie es gar nicht gern sieht, dass die zwei Freunde nun losziehen, um Bewerbungen zu verteilen und sich vorzustellen. Als erstes zerplatzt Jim´s Traum einer Aufnahme bei der Polizei – in dem begründenden Schreiben, das er gleich am Morgen abholt, steht, man habe ihn aufgrund der Ergebnisse des durchgeführten psychologischen Profilings abgelehnt. Sein Wunsch nach zukünftiger Stabilität scheint vorerst gescheitert, also müht er sich, im Anschluss an ein kurzes Dampfablassen an einer Straßenkreuzung, die in ihm aufkochenden verbitterten Gefühle anderweitig zu kaschieren: Mike lässt sich von ihm mitreißen – sie täuschen falsche Nachrichten auf Sylvia´s Anrufbeantworter vor, um die Impression zu erwecken, er habe bei Job-Gesprächen einen positiven Eindruck hinterlassen, und fahren stattdessen weitschweifig in den Straßen der Metropole umher. Sie trinken, rauchen, legen sich mit Bandenmitgliedern an, zu denen Jim´s (sichtlich verängstigte) Ex derweil Kontakt besitzt, nehmen Drogen und versuchen eine gestohlene Waffe gegen Cash zu verkaufen. Alles wirkt wie früher, sie fühlen sich an jene Zeiten erinnert – nur sind sie heute erwachsen, und die Situationen, in denen sie sich (im Zuge ihrer vermeintlichen Unbekümmertheit) begeben, um ein vielfaches gefährlicher, wie sie schon bald feststellen müssen…

Der (temporär) vernebelte Fokus gen Zukunft klärt sich jedoch schlagartig, als das „Department of Homeland Security“ Interesse an Jim bekundet – bloß verlangen sie sowohl einen Drogen- als auch Lügendetektor-Test. Trotz bestimmter Faktoren (wie z.B. Täuschungsversuche), die sich im Laufe des Aufnahmeverfahrens herauskristallisieren, wollen sie ihn mit an Bord haben – unter der Voraussetzung klarer Bedingungen, für welche sie seine Ablehnungsgründe wohlwollend unberücksichtigt übergehen würden: Er darf nicht heiraten und muss umgehend eine Stelle in Kolumbien antreten, um dort gewichtig an Anti-Drogenkartell-Aufräumaktionen teilzunehmen, bei denen man Männer benötigt, die gehorsam sowie ohne zu zögern töten können (und wollen). Zugleich findet Mike, unverhofftes „Vitamin-B“ sei Dank, ebenfalls eine Einstellung – ein letzter gemeinsamer Road-Trip gen Mexiko soll diese Phase ihres Lebens würdig abschließen, doch Sylvia legt ein entschiedenes Veto ein und stellt Mike vor die einschneidende Wahl: Er empfindet ihre Drohung als unfair und erniedrigend, also schließt er sich seinem Gefährten auf der Reise an, in deren Fortgang Jim´s selbst-zerstörerische Tendenzen zunehmend die Oberhand gewinnen – vor allem, als er sich der Konfrontation mit Marta stellen muss, inklusive der gravierend veränderten Sachlage, welche ihre eigentlichen Pläne ja geradezu unmöglich erscheinen lässt…

„Harsh Times“ ist kein Film für die breite Masse – seine sperrige, ruhige Struktur dürfte viele Betrachter enttäuschen, die im Vorfeld (zum Beispiel vom Trailer her) eine andere Erwartungshaltung gegenüber der allgemeinen Ausrichtung aufgebaut haben, ähnlich wie es bei dem Indie-Drama „the Quiet“ jüngst genauso der Fall war. Wer nicht bereit ist, unter die Oberfläche zu schauen, ist hier definitiv falsch aufgehoben. Ayer kennt sich in L.A. bestens aus – Arbeiten wie „Dark Blue“, „S.W.A.T.“, „the Fast and the Furious“ und „Training Day“ beweisen das eindrucksvoll. Er selbst diente beim Militär und wuchs in den Vierteln der Millionenstadt auf – das gesamte von ihm erschaffene Szenario strahlt Authentizität aus: Die verwendete Sprache, der Slang und Rhythmus sowie die Verhaltensweisen der Beteiligten erzeugen ein absolut stimmiges Feeling, das jede Synchronisation vermutlich zerstören oder trivialisieren dürfte. Vieles erinnert, optisch und inhaltlich, an letztgenanntes Referenzwerk, das 2001 ja sogar zu Oscar-Ehren gelangte: Ein gewaltbereiter, korrumpierender Soziopath chauffiert einen zu ihm aufblickenden Kameraden von einem riskanten und prägenden Schauplatz zum nächsten, Drogen sind im Spiel, Gesetze werden ignoriert bzw gebrochen, Grenzen ausgelotet und überschritten – nur entstand das Skript dieser Veröffentlichung mehrere Jahre zuvor, von „kopieren“ kann also keine Rede sein. Der Plot ist auffällig dünn – er ist der Atmosphäre und den Charakteren von Anfang an untergeordnet: Es geht um die Beziehung der beiden Männer zueinander, zwangsläufige Veränderungen, dem Festhalten an alten Gegebenheiten, fehlender Reife und Moral sowie den krankhaften Auswirkungen psychologisch traumatisierender Erlebnisse. Obwohl die Figuren kaum Indentifikations-Anknüpfpunkte bieten, entwickeln sie eine merkliche Pull-Wirkung – wer bereit ist, sich auf diesen „Walk on the wild Side“ einzulassen, sollte auf seine Kosten kommen. Von den ersten Minuten an liegt eine bedrückende Spannung in der Luft: Jim ist eine wandelnde menschliche Zeitbombe – man weiß genau, dass etwas Schreckliches passieren wird, und trotzdem ist der Verlauf aufgrund seiner Beschaffenheit (aus sich zufällig ergebenden Momenten, Ironien und fatalen Entscheidungen) nahezu nie vorhersehbar. Jede Sekunde könnte die geistige Sicherung in Jim´s Kopf rausspringen, das Hantieren mit einer Waffe innerhalb einer speziellen Konstellation in einem Gewaltakt resultieren. Es gibt im Grunde nur ganz wenige Möglichkeiten, wie die Sache wohl ausgehen wird – der Weg dorthin ist sprichwörtlich das Ziel. Als es schließlich soweit ist, umgeht Ayer den „war klar“-Gedanken, indem er das Finale (nicht nur im Vergleich zum Rest) auf clevere Weise vollkommen überstilisiert präsentiert und so im Ansatz einen gewollten Stilbruch begeht. Auch die daran anknüpfende Schluss-Sequenz bewegt einen, ungeachtet ihrer konventionell anmutenden Natur, da man exakt weiß, was für eine vielschichtige Tour de Force dieser vorausging.

Jim Davis ist kein Mensch, der schon immer böse war und in die Armee eintrat, um Menschen töten zu dürfen – nein, wer zwischen den Zeilen liest und genau hinhört, wird feststellen, dass er früher ein freundlicher, verlässlicher Typ war, dessen Gesellschaft man schätzte. Abgesehen von diesen subtilen Hinweisen erfahren wir nichts über jene Zeit, sein Verhalten im Einsatz wird nur anhand des anfänglichen Flashbacks aufgezeigt – darüber hinaus werden wir glücklicherweise von jeglichen Rückblenden verschont. Sein Resümee fürs Vaterland öffnete ihm in der Heimat, wider erwarten, keine Türen, die durchlebten Umstände haben ihn verändert, eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft darf bezweifelt werden. Um die Fülle an aufgestauter Verzweiflung und Frustration irgendwie zu kompensieren, nimmt er Drogen (Alkohol, Tabak, illegale Substanzen etc) und sucht ein Ventil im Alltag. Ihm fehlt das High des Kampfes – das kann er, es markiert quasi seinen Platz auf dieser Welt, egal wie sehr er sich dagegen wehrt. Was in ihm zerstört wurde, kann selbst die Freundschaft zu Mike oder Liebe zu Marta nicht mehr beheben oder übertünchen. Der Prolog legt offen, zu was er im Krieg fähig war, die folgenden zarten Momente mit seiner Verlobten zeigen eine andere, zutiefst menschliche Seite seiner Persönlichkeit auf…dann eine amüsante Irritation, da er sich in seiner heimatlichen Umgebung wie ein Möchtegern-Latino-Street-Thug aufführt, gefolgt von seinem permanenten Abgleiten in die psychische Instabilität, als seine Pläne für eine ebenmäßige Integration ins Zivilleben von einem Moment auf den nächsten förmlich zersplittern. Homeland Secutity distanziert sich, wie das L.A.P.D. zuvor, von Individuen seines Profils – bleibt nur ein undankbarer, brutaler Job, bei dem das Aufspüren und Vernichten im Mittelpunkt steht. Der Gedanke macht ihn fertig – vielleicht ist das, wohl oder übel, sein Schicksal? „I’m a Soldier of the Apocalypse” meint er an einer Stelle und malt sich sein zukünftiges Tätigkeitsfeld aus, während seine Freunde nicht verstehen können, wie er sich bloß auf sowas einlassen kann – das Töten berührt ihn nicht mehr, es ist zu einem Teil von ihm geworden. Es ist diese Zerrissenheit, welche sich nahtlos auf das Publikum überträgt: Gönnt man ihm nun eine Chance oder wünscht man ihm den Tod? Ist er ein Anti-Held, die auszureißende Wurzel allen Übels oder eine bemitleidenswerte Gestalt, die permanent zwischen Wut, Verzweiflung, Angst und dem Bestreben schwankt, einfach ein normaler Bürger sein zu wollen? Christian Bale („Batman begins“/„the Prestige“) verkörpert all das in Perfektion und beweist somit erneut, dass er der wohl wandlungsfähigste Schauspieler der Gegenwart ist. So übergangslos wie er zwischen Spanisch und Englisch wechselt, kann sich seine Gemütsverfassung in einem Wimpernschlag verändern: Die Rolle dieser gepeinigten Seele ist komplex, facettenreich, schwierig – und Bale´s Leistung genialer noch als sein beeindruckender Auftritt in „American Psycho“. Er trifft jede Note und verleiht ihr einen auf beunruhigende Weise natürlich anmutenden Touch. Nicht mehr lange, dann erhält der smarte Waliser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seinen ersten Oscar fürs heimische Regal…

Freddy Rodriguez („Havoc“/„Grindhouse“), dem der Sprung von der Mattscheibe („Six Feet Under“) auf die große Leinwand inzwischen, trotz Mega-Flops wie „Poseidon“ und „Lady in the Water“, geglückt sein dürfte, spielt Mike: Obwohl nicht ausnehmend sympathisch, sorgt man sich um ihn und stellt sich die Frage, wie bzw ob er wohl aus dieser abwärts gerichteten Spirale herauszukommen vermag, bevor es zu spät ist. Er ist zerrissen zwischen der loyalen Treue zu seinem Kumpanen und der Stimme der Vernunft daheim, von welcher aber keiner denken soll, sie würde zuviel Einfluss auf ihn ausüben – das wäre nämlich eine kapitale Sünde in diesem Testosteron-getränkten Umfeld. Ohne Sylvia´s Einfluss sieht er zwar, wohin der Pfad (vermutlich) führt, schafft jedoch aus eigener Kraft den Absprung nicht (mehr). Rodriguez agiert großartig und kann über weite Strecken problemlos neben Bale bestehen – in bestimmten Augenblicken, wie dem Realisieren, wie regungslos Jim den Tod eines Menschen hinnimmt, brilliert er ansehnlich, indem er die leisen Töne bravourös trifft. Beide Darsteller ergänzen sich in glaubwürdiger, purer Harmonie – ihre Rollen sind wie Brüder, der Zusammenhalt wird von der Verantwortung des Erwachsenwerdens bedroht, weshalb sie sich vehement dagegen sträuben. Mike sieht Jim dementsprechend als die Person an, welche er mal war, während Sylvia (wie jeder andere Außenstehende) das sieht, zu dem er geworden ist. Sie lieben ihre Frauen, die im Prinzip viel zu gut für sie sind, belügen sie allerdings regelmäßig. Mike´s bessere Hälfte wird von Eva Longoria (TV´s „Desperate Housewives“/„the Sentinel“) gespielt: Ihr Auftritt ist zurückhaltend und subtil, weshalb jeder, der sich hier über sie beschwert, dies rein auf der Basis persönlicher Vorurteile tun dürfte. Sie spricht offen das aus, was sie denkt („My biggest Nightmare is you with a Badge!“), hält zu ihrem Freund, weil er ihr viel bedeutet und sie ihm auch etwas schuldet – denn er hat sie in ihrer Studienzeit finanziell unterstützt, bevor seine Firma den Sitz ins billigere Indien verlegte und er seinen Job verlor. Ihr Part ist stereotyp, unbeträchtlich – im Kontext betrachtet nichtsdestotrotz belangreich. Ferner beeindruckte mich Tammy Trull („the Ministers“/„Havoc“) mit einer starken Performance als treues Geschöpf Marta. In der intensivsten Szene des Films, im Zuge einer von Jim´s Aussetzer, droht er, nachdem er erfahren hat, dass sie schwanger ist, sie zu erschießen, wenn sie keiner Abtreibung zustimmt – sie erwidert nur, dass sie ihn dennoch liebe, da sie in ihm das sehen kann, was er ist, gänzlich unabhängig seiner Taten. Großes Kino. Alle Rollen, und mögen sie noch so sehr im Schatten der zwei Leads stehen, sind wichtig – in diesem Sinne sollte man getrost erwähnen, dass J.K.Simmons (TV´s „the Closer“/„Spider-Man“) ebenfalls einige amüsante Minuten Screen-Time als Homeland Security Beamter besitzt.

Ähnlich wie bei „Training Day“, besteht der Verlauf größtenteils aus Autofahrten durch L.A.´s hispanisch geprägten Unterleib, einem konzentrierten Sammelpunkt von Kultur und illegalen Aktivitäten, sowie diversen Stationen entlang des Weges. Das Tempo ist so sprunghaft wie der Gesamtrhythmus, die Ereignisse kaum vorhersehbar, da hinter jeder Kurve eine andere Situation lauern könnte, welche ihrerseits weiterführende Aktionen, Reaktionen oder ganz neue Ansätze hervorrufen kann. Die Herangehensweise schwankt zwischen bedächtig und impulsiv – so wie Jim´s Gemütsverfassung. Die ruhigen Szenen verleihen den intensiven zusätzlich Momentum. Das Publikum wird Zeuge einer Tour ins Ungewisse: Man fühlt augenblicklich, dass ein unschönes Ende unumgänglich ist – „Taxi Driver“ wird einem unweigerlich in den Sinn gerufen. Viele werden keine Verbindung zu den portraitierten Menschen und der gewählten Ablaufpräsentation herstellen können – aber wie schon gesagt: Mainstream-Konsumenten sind hier ohnehin nicht optimal aufgehoben, da sich die tiefe Befriedigung, welche dieses Werk einem zum Nachdenken und Hinterfragen geneigten Zuschauer offenbart, erst einmal förmlich erarbeitet werden muss. Wer den richtigen Zugang zu der Materie findet, gerät allerdings rasch in den Einfluss einer sich lohnenden Sogwirkung. Dass, angesichts der Konzentration auf die beiden Hauptprotagonisten, einige Subplots ein Quäntchen mehr Gehalt verdient hätten, lässt sich verschmerzen, genauso die Charakterentwicklung, welche sich sehr in Grenzen hält – bloß muss man dabei auch bedenken, dass es sich um eine nur wenige Tage andauernde Momentaufnahme handelt. Das Drehbuch ist beileibe nicht makellos, dennoch funktioniert es prima und wartet mit gelungenem schwarzen Humor sowie einigen wahrhaft genialen One-Linern („I see dumb People“) auf, die Inszenierung ist (dem Setting angepasst) schön roh und uneben ausgefallen. Urbane, entfremdete Trost- und Hoffnungslosigkeit vermittelt Ayer unter anderem, indem er auf die üblichen Luftaufnahmen weitestgehend verzichtet und stattdessen Gebäudeansichten meist nur in Form von Reflektionen in den Seitenfenstern zeigt, von gelegentlichen Smog-verhangenen Panorama-Aufnahmen der Skyline mal abgesehen – South Central ist kein Ort, an dem man sich freiwillig aufhalten möchte. Er nutzt viele Close-Ups, um möglichst nahe am Geschehen dran zu sein, Handkamera-Verwendung inklusive. Die Optik ist hochwertig und orientiert sich augenscheinlich an Antoine Fuqua´s Stil. Über einige Tony-Scott-artige Ausbrüche (unterschiedliche Farbtöne, sehr grainy und flashy), welche Jim´s instabile Gemütsverfassung veranschaulichen sollen, lässt sich sicherlich streiten – ich fand sie okay, zumindest minimierten sie den Nachdruck der betreffenden Momente in keiner Weise.

Im Kern ist „Harsh Times“ das Portrait eines Kriegheimkehrers, dessen Psyche großen Schaden genommen hat („Post-Traumatic-Stress-Disorder“), so dass er nun kein normales Leben mehr zu führen vermag. Jim ist Opfer und Täter zugleich, wurde ohne Betreuung aus dem Dienst entlassen, leidet nun an Albträumen, was er mit Drogen zu betäuben versucht, und kann seine Wut nicht mehr kanalisieren, weshalb sie sich in explosionsartigen Ausbrüchen gegen Fremde und Freunde gleichermaßen richtet. Auch wenn das Skript vor dem aktuellen Irak-Konflikt verfasst wurde, ist die Thematik aktueller als je zuvor und wird zukünftig gewiss noch stärker an Brisanz gewinnen. Ayer will bestimmt nicht verallgemeinernd aussagen, dass Krieg Menschen in Soziopathen verwandelt – aber über diese „unsichtbaren“ Folgen derartiger Einsätze hört und weiß man bislang noch immer viel zu wenig. Ironie und Satire kommen faustdick ins Spiel, als die Regierung ihn speziell aufgrund seiner „Fähigkeiten“ rekrutieren möchte – jemand wie er ist perfekt für die anvisierten Aufträge, bei denen die „Gefahr“ besteht, dass „normale“ Soldaten nicht dazu bereit sind, sprichwörtlich „ausnahmslos alles“ zum Gelingen der Operationen beizutragen. Im Grunde haben wir es mit einer (späten) „coming of Age“-Geschichte zutun, denn die Charaktere halten beinahe verbissen an der Vergangenheit fest, obwohl sie innerlich wissen, dass jene Zeiten ein für alle Mal abgeschlossen werden müssen – nur ist das keineswegs leicht, wenn man in der alten Nachbarschaft wohnt und/oder permanent mit denselben Leuten verkehrt. Mike wird etwa von einer Firma eingestellt, bei der ein Jugendkumpel für die Personalauswahl verantwortlich ist. Manchmal muss man einfach loslassen, ungeachtet der Verlockungen von Kameradschaft und aufregender Abenteuerlust. Diese Balance versucht Mike zu halten, doch allein die Jim/Sylvia-Konstellation veranschaulicht, dass dies auf Dauer nicht möglich ist.

Fazit: „Harsh Times“, dessen Story auf dem Papier eventuell relativ simpel gestrickt anmuten mag, bietet dem Betrachter nicht nur einen düsteren, pessimistischen Blick auf den selbst-zerstörerischen Niedergang eines Menschen, sondern regt unterhalb der Oberfläche zudem zum weitläufigen Nachdenken an. David Ayer gelang ein ungemein kraftvolles Regiedebüt, das, obwohl nicht perfekt, zu jeder Zeit fesselt, unterhält und von der ersten Minute an ein ungemütliches Gefühl heraufbeschwört, das im letzten Akt seinen tragischen Höhepunkt findet. Schön, dass es noch solch intelligente, risikofreudige Indies gibt … knappe „9 von 10“

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