Rein pekuniär betrachtet, wäre der Bekanntheitsgrad von American History X eher trivial, wenn man als primäre Bemessensgrundlage die Einspielergebnisse der weltweiten Lichtspielhäuser heranziehen würde, so ernüchternd wirken die nackten Zahlen auf den ersten Blick. Bei einem Produktionsbudget von 20 Millionen Dollar konnte Tony Kayes bei Kritikern und Fans gleichermaßen geschätztes Filmepos lediglich 6,7 Millionen Dollar an den amerikanischen Kinokassen einspielen, außerhalb der USA kamen weltweit nochmal 17 Millionen Dollar hinzu, was in Filmkreisen auch als wirtschaftlicher Totalflop bezeichnet wird. Fairer Weise muss man zu den amerikanischen Zahlen noch erwähnen, dass der Streifen dort mit einer limitierten Anzahl an Kopien angelaufen ist, nur knapp 500 Kinos entschieden sich staatenweit, das kontrovers diskutierte Politdrama dem interessierten amerikanischen Volk näher zu bringen.
David MCKenna, der später unter anderem auch die Skripte zu Get Carter (2000) und SWAT (2003) verfassen sollte, verknüpft in seinem Drehbuch gekonnt frei erfundene Filmfiguren sowie fiktive Plotbestandteile mit real existierenden Personen und Handlungsabläufen, so ließ er sich bei der Geschichte rund um den Nazi Aussteiger Derek Vinyard (Edward Norton) und seinem Bruder Danny (Edward Furlong) vom Lebenslauf des ehemaligen Skinhead Gangmitglieds der weißen Supremenisten Frank Meeink (geb. Francis Steven Bertollini ; 7. Mai 1975) entfernt inspirieren. MCKennas Hauptfigur muss wie Meeink, nach einem rassistisch motivierten Gewaltakt, eine 3 jährige Gefängnisstrafe absitzen und beide durchlaufen in Ihrer Haftzeit, beeinflußt von einschneidenden Erlebnissen im schwierigen Gefängisalltag aber auch vom Zusammentreffen mit unterschiedlichsten Ethnien, einen kompletten Sinneswandel Ihrer politschen Ansichten, woraus ein nicht ganz einfacher Ausstieg aus dem rechten Milleu-Umfeld resultiert. Neben Dereks Charakter wurde außerdem die Rolle vom im Hintergrund agierenden Nazioberhaupt Cameron Alexander (Stacy Keach) einem "Vorbild" aus der Wirklichkeit nachempfunden, dem Anführer der 1970 gegründeten Skin Bewegung White Aryan Resistance Thomas Linton Metzger (geb. am 9. April 1938 in London).
Die argumentative Auseindersetzung mit dem seit jahrhunderten existierenden schwarz/weißen Rassenkonflikt Amerikas erfolgt im Film aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der betreffenden Bevölkerungsgruppen und ordnet jeder feindseeligen, aktiven Handlung der einen Seite eine unausweichliche Reaktion des jeweiligen Kontrahenten zu, Gewalt erzeugt Gegengewalt, was durchaus auch als Kernaussage und versteckte Botschaft verstanden werden kann, vor allem, wenn man sich mal das relativ überraschende, schockierende Finale separat vor Augen hält, dass die Sinnlosigkeit und den gefährlichen Sog einer entstehenden Gewaltspirale eindrucksvoll dokumentiert. Bei der Ursachenforschung von nationallistischem Gedankengut orientiert sich American History X dabei vorzugsweise an den gängigen Klischees und benennt neben traumatischen Kindheitsereignissen auch Armut, einen geringen Bildungsstand, Arbeitslosigkeit und fehlende Zukunftsperspektiven bei jungen Amerikanern als Nährboden für Neid, Mißgunst, Wut und Haß dem Fremden gegenüber. Diese Darstellung ist meiner Meinung nach einerseits natürlich korrekt, andererseits aber auch ein kleines bisschen zu eindimensional geraten, den Rassismus ist nicht ausschließlich nur ein Thema im Proletariat bzw. in sozial benachteiligten Kreisen, sondern zieht sich wie eine Art Kaugummi durch alle möglichen Bevölkerungsschichten, es ist die Angst sowie das Unbehagen vor dem Unbekannten und vor dem Anderen, gepaart mit allgemeiner Unzufriedenheit auf das eigene Ich bezogen, was Fremdenfeindlichkeit befeuert und Antisemitismus ist nicht nur ein Phänomen in Amerika, sondern überall auf der ganzen Welt.Die technische Realisierung von Regisseur Tony Kayes und seinem Team ist handwerklich aufwendig ausgefallen und über jeden Zweifel erhaben. Zunächst einmal müssen die authentischen Filmkulissen erwähnt werden, so wurde das Umfeld der Jugendgangs und der rechtsorientierten Protagonisten von der Kamera absolut realitätsnah eingefangen, hier haben die Set Designer ganze Arbeit geleistet. Die Filmerzählung selbst wechselt geschickt nonlinear zwischen Gegenwart und Vergangenheit und um die unterschiedlichen Zeitebenen auch optisch voneinander abzugrenzen, bebildert Kayes die von Dareks jüngerem Bruder Danny im Off teilweise poetisch kommentierten Erinnerungssequenzen in schwarz und weiss, was dem Auditorium einen ästhetisch ansprechenden Eindruck der Szenerie zu vermitteln mag und auch die wohl dosierten, größtenteils recht pogromen Gewaltspitzen bekommen durch dieses Stilmittel der Visualisierung eine zusätzlich verstörende Wirkung. Ergänzend hierzu lässt sich zweifelsfrei konstatieren, dass die Gewalt in American History X, was teilweise auch der ernstaften Thematik geschuldet ist, zwar explizit und detailliert dargestellt wird, dies aber nie zum Selbstzweck bzw. zur Verherrlichung geschieht, sondern ausschließlich um die Tragik bzw. die Abscheulichkeit der gezeigten Tathergänge zu unterstreichen.
Doch auch der thematisch anspruchsvollste Hintergrund und die qualitativ hochwertigste Inszenierung nützten einem Filmprojekt letzten Endes wenig bis gar nichts, wenn die Produktionsfirma keine passenden Schauspieler verpflichten konnte, die den zweifelsfrei ausgefeilten Charakteren von American History X Leben einhauchen und dem Zuschauer die Geschichte glaubwürdig aber gleichzeitig auch unterhaltsam übermitteln. Eine alte Volksweißheit besagt, ein Film kann immer nur so gut sein, wie sein(e) Hauptdarsteller ist bzw. sind und diese Einschätzung passt bei American History X wie die Faust aufs Auge. Edward Norton setzt seine Aufgabe, den auratischen Nazi Wortführer Derek Vinyard zu verkörpern, derart formidabel und evident um, dass man als Zuschauer den Eindruck gewinnen könnte, Norton sei auch im realen Leben der fragwürdigen Ideologie seiner Rollenbeschreibung verfallen, so brilliant setzt er seine ausdrucksstarke Mimik bei seinen rhetorisch wortgewandten und überzeugenden Reden ein, außerdem trainierte er sich für seine Rolle im Vorfeld der Dreharbeiten knapp 30 Pfund Muskelmasse an, um die Transformation vom schmächtigen, desillusionierten Jugendlichen zum kräftigen, redegewandten Skin Primus auch körperlich diegetisch zu plausibilisieren. Dereks jüngerer Bruder Danny wird von Edward Furlong ebenfalls überzeugend dargestellt, Dannys Rollensauslegung ist eher auf die Bewunderung seines großen Bruders und auf das daraus resultierende Mitläufertum ausgelegt und beeinflusst dabei signifikant seine eigene Meinungsbildung, Furlong gelingt es, die wesensbezogenen Attribute wie innere Zerrissenheit, Trotz, Unsicherheit und Verzweiflung seines Filmcharakters integer und glaubhaft auf die Leinwand zu bringen. Neben den beiden Hauptprotagonisten verdienen sich exemplarisch noch Guy Torry als schwarzer Gefängnisinsasse, dessen Funktion eine Art Schlüsselrolle für die Bekehrung von Dereks Leitgedanken einnimmt (Stichwort Kult-Monolog Ku-Klux-Klan Imitation), Avary Brooks als dunkelhäutiger Schuldirektor Dr. Sweeney und der bereits im oberen Absatz zitierte Stacy Keach alias Cameron Alexander eine gesonderte namentliche Erwähnung, sie alle tragen auf Ihre ganz persönliche Art zum großartigen Schauspiel der holotischen Darstellerriege bei.Wenn man nun bilanzierend das als durchaus gelungen zu bezeichnende Gesamtwerk in Augenschein nimmt, kann man es eigentlich gar nicht glauben, dass es vor Veröffentlichung zu großen Differenzen zwischen dem Hauptdarsteller Edward Norton und Regisseur Tony Kayes gekommen sein soll, so wurde der Film vor dem eigentlichen Release wohl mehrfach umgeschnitten und das teilweise ohne Zustimmung und Absegnung von Kayas, Norton wollte Gerüchten zu Folge sein eigenes Mitwirken noch mehr in den Vordergrund stellen. Sei es drum, American History X hat es in der uns allen bekannten, finalen Schnittfassung zu einem Referenztitel in Sachen Umgang mit Rassimus geschafft, da der Film trotz der etwas einseitig, rudimentären, klischeebehafteten Ursachenforschung von Faschismus auch brauchbare Lösungsansätze vorschlägt, in dem die Betroffenen angehalten werden, die richtigen Fragen zu stellen, darüber hinaus bietet die Geschichte symphatisch, groß aufspielende Darsteller, der Situation angemessene, harte, aber nie selbstzweckhafte Gewaltdarstellung, ansprechende Dialoge und zusätzlich einen Hauch von Melancholie. "Hass ist Balast. Das Leben ist zu kurz um andauernd wütend zu sein" Zitat Derek Vinyard Ende. MovieStar Wertung: 9/10 Punkte.