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Staffel 1

Das hätte sich unser aller Lieblingsrömer Gaius Julius Caesar sicher nicht träumen lassen, dass er mal zur wahrscheinlich bekanntesten Persönlichkeit der Geschichte und Namenspatron für echte wie Fussball-Kaiser werden würde. Gemessen daran ist seine mediale Aufarbeitung - von seiner Dauerrolle als Witzfigur in einem ziemlich populären Comic und dessen Verfilmungen abgesehen - eher knapp: neben einem Film aus den 50igern bleibt sein Auftritt als Cleopatras Lover im gleichnamigen, auch schon leicht angestaubten Kostümschinken der bekannteste. Doch das Interesse an Geschichte ist da, wenn sie denn richtig aufbereitet ist: Während das Kinopublikum massenweise in den eher unhistorischen, aber spektakulären "Gladiator" strömte, saufen historische Biographien - zuletzt der öde Alexander - an den Kinokassen regelmäßig ab. Nunmehr versucht der US-Bezahlsender HBO in Koproduktion mit europäischen TV-Anstalten einen Mittelweg und nutzt die Epoche Caesars als Hintergrund für eine nicht unclevere Mischung aus Historiendrama und Seifenoper.

Die 12 Episoden der ersten Staffel umfassen den Zeitraum von Caesars endgültigem Sieg in Gallien (52 v. Chr.) über den Bürgerkrieg gegen seinen ehemaligen Bundesgenossen Pompeius bis zu den berühmten Iden des März. Neben der bekannten Geschichte der historischen Figuren steht das Schicksal einiger "normaler" Römer im Mittelpunkt, so z.B. das der Legionäre Lucius Vorenus (Kevin McKidd) und Titus Pullo (Ray Stevenson), sowie etlicher mehr oder weniger fick- pardon fiktiver Frauen.

Ich gebe zu, ich werde mit HBOs historischen Maxi-Mini-Serien von Band of Brothers über Deadwood und nun Rome wohl nicht mehr wirklich warm werden; trotz ansehnlichem Aufwand und durchweg professioneller Machart springt der Funke der Begeisterung bei mir einfach nicht über. Während BoB mich trotz spektakulärer Kriegsszenen wegen seiner zu vielen und letztlich austauschbaren Charaktere kalt gelassen hat, bietet Rome zwar interessante Figuren, dafür fehlt es doch irgendwie an den im Historiengenre gewohnten Höhepunkten. Dennoch: Im Vergleich etwa zu Deadwood sehe ich dann doch eine ganze Reihe von Fortschritten: Das Szenario ist für uns Mitteleuropäer natürgemäß deutlich interessanter, und die Handlung bewegt sich wenigstens von der Stelle. Episodenweise kommt sogar so etwas wie Spannung auf (obwohl man sich einen Teil derselben durch einen Blick in ein Geschichtsbuch schnell verderben kann).

Natürlich protzt auch diese Serie mal wieder werbewirksam mit dem angeblich höchsten TV-Budget aller Zeiten (100 Millionen, behauptet man); dass so etwas nicht für ein Taschengeld zu produzieren ist, steht wohl außer Frage, aber wirklich erkennbar ist für mich nicht, wo das viele Geld hingeflossen sein soll. Die großen Schlachten finden weitgehend offscreen statt, angeblich riesige Legionen marschieren mit einer eher überschaubaren Zahl von Statisten durchs Bild, und der Schauplatz Rom besteht aus einigen wenigen doch recht knapp geschnittenen Kulissen. Ziemlich authentisch wirkt die Serie trotzdem, Requisiten und Kostüme sind auf dem erwartet hohen Niveau. Wie bei HBO eigentlich gewohnt, stimmen die historischen Fakten zumindest im Großen und Ganzen, und wer sich alte Abbildungen von Caeser und Pompeius ansieht, kann sogar gewisse Ähnlichkeiten mit den Schauspielern feststellen. Die sind auch ohne die ganz großen Namen durchweg gut, vor allem Ciaran Hinds als Gaius Julius ist eine wirklich erstklassige Besetzung.

Dramaturgisch ist sind die Episoden so aufgebaut, dass sich die Geschichte der historischen Protagonisten mit derjenigen der fiktiven Figuren immer wieder an entscheidenden Stellen kreuzt (besonders drollig, wenn auch vermutlich nicht unbedingt historisch: die Cleopatra-Episode). Mit diesem clevereren Trick vermeidet man für halbwegs geschichtsfeste Zuschauer jedenfalls mal den Alexander-Effekt (endlose Laufzeit und so gar nichts Neues). Allerdings erscheint mir der eine oder andere der etwas zu zahlreichen Erzählstränge dramaturgisch nicht wirklich hilfreich; vor allem die verschiedenen Frauenfiguren stehen allesamt irgendwie unter dem Verdacht, hauptsächlich zwecks Beisteuerung von etwas Sex und allenfalls ein paar Intrigen dabeizusein. Und wo wir gerade beim Thema sind: Nachdem bei Deadwood für meinen Geschmack doch ein bisschen arg auf Verbalerotik gesetzt wurde, bietet Rome dem zahlenden Zuschauer wieder deutlich mehr von dem, was er vermutlich sehen will: Sex and Violence. Nackte Tatsachen sind alles andere als Mangelware, wobei im Zuge der Gleichberechtigung auch weibliche Pay-TV-Kundinnen ein paar erstaunliche Dinge(r) zu sehen bekommen, und die (insgesamt eher wenigen) Kampfszenen sind auch nicht gerade zimperlich. Wenn die Serie - wie zu lesen war - im nächsten Sommer als Urlaubsvertretung für Meister Jauch zur besten Sendezeit laufen soll, kann man sich schon mal gedanklich auf eine arge Schnipselversion vorbereiten.

Fazit: HBO lehrt Geschichte, die Dritte. Ansehnliche Mischung aus Fiktion und Schulbuchhistorie, ziemlich geschickt aufgearbeitet und mit einigen wirklich guten Schauspielern. Allerdings lange nicht so spektakulär, wie man angesichts des Szenarios vermuten könnte - auf große Höhepunkte wartet man weitgehend vergeblich, und nicht jeder der zahlreichen Erzählstränge ist wirklich interessant. Dennoch: Wer Caesar nicht (nur) für eine Hundefuttermarke hält, sollte einen Blick riskieren.

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