[Die beiden Verbrecher Waldemar Velte und Kurt Sandweg können im Deutschland des Jahres 1934 aus dem Gefängnis ausbrechen. Man reist durch das Deutsche Reich, klaut Autos, überfällt Banken für den Lebensunterhalt, und flüchtet und gangstert sich so durch die Welt. Irgendwann schließt sich Brigitte an, weil sie den Kurt so schnieke findet, und in Basel, wohin man vor der schießfreudigen deutschen Polizei geflüchtet ist, stößt auch Monika dazu, die dann mit dem Waldemar was anfängt. Brigitte seilt sich wieder ab, ein anderer Mann ist reicher, und Waldemar und Kurt lassen Monika sitzen und wollen nach Brasilien. Nee, doch nicht, alles wieder zurück und nach Basel. Aber Monika hat mittlerweile Kontakt mit der Polizei, und wenn sie die beiden Freunde verraten würde, dann hätte sie eine Möglichkeit mit heiler Haut aus der Sache heraus zu kommen. Wird sie? Oder wird sie nicht?
SOMMERSPROSSEN hat mich ziemlich ratlos zurückgelassen. Eine Gangsterballade, die so auffällig auf den Spuren des Vorjahreshits BONNIE & CLYDE wandelt, sogar in einer ähnlichen Zeit angesiedelt ist, und den Blockbuster des Folgejahres, ZWEI BANDITEN, in der Geschichte mit der Flucht nach Südamerika sogar schon ein kleines Stückchen vorwegnimmt. Das Spannende dabei: Die beiden Bankräuber haben wirklich existiert, und waren in den Jahren 1933 und 1934 eine Zeitlang wohl tatsächlich gefürchtete Verbrecher. Helmut Förnbacher packt diese Geschichte nun in das Format eines „neuen deutschen Films“, bastelt außen herum jede Menge grafischer und technischer Spielereien, besetzt mit sich selbst und William Berger in den Hauptrollen sehr gut, mit der Italienerin Giorgia Moll und der damals angesagten Helga Anders genauso gut, gibt Altstars wie Willy Birgel oder Ruedi Walter eine große Bühne – Und hinterlässt einen ratlosen Maulwurf.
Was bei Arthur Penn actionlastig mit einem komödiantischen Touch erzählt wird, ist in der deutschen Version nicht ganz so actionlastig (war ja auch nicht der Stil der Zeit), hat aber immer noch diesen heiteren Unterton. „Zehn Jahre lang suchte der Baseler Schauspieler Helmut Förnbacher, 33, nach Produzenten für ein Thema, das ihn schon seit der Schulzeit beschäftigt hatte – vergeblich. Erst jetzt erhielt er die Chance, den Fall der deutschen Nazi-Flüchtlinge und Raubmörder Velte und Sandweg auf die Leinwand zu bringen – als Imitation: ‚Diesmal hat es genügt zu sagen, ich drehe einen Film im Stil von Bonnie und Clyde, und die Sache war gelaufen.‘“, so schreibt der Spiegel 1968 über den Film. Nur eine deutsche Kopie eines amerikanischen Erfolgs? Oder doch etwas Eigenständiges aus einer Zeit, in der Experimentierfähigkeit in der Kreativität groß geschrieben wurde?
Es ist schwierig, SOMMERSPROSSEN aus heutiger Sicht zu beurteilen. Auf der einen Seite ist der Film reichlich verspielt in seiner Machart, gleichzeitig aber auch sehr spröde was die Erzählung betrifft. Was da eigentlich passiert, wer die beiden sind, wo sie herkommen und wo sie hinwollen, das wird weitgehend ausgeblendet. Die 68er-Generation will sich in Bewegung setzen, und das Ziel liegt im Dunkel, warum sollte es den Hauptfiguren des Films denn anders gehen? Aufgebrochen wird die Ballade dann mit einigen politischen Untertönen, ebenfalls wieder im Stil der Zeit, die den Unterschied zwischen dem Einzelnen und der Masse versuchen zu erklären –Die Aussage „Schließ Dich der Bewegung an“ leuchtet gewissermaßen in Großbuchstaben von der Leinwand, mutet aus heutiger Sicht aber etwas eigenartig an. Trotzdem kann man SOMMERSPROSSEN wahrscheinlich wirklich nur mit der zeitgenössischen Brille wirklich genießen, zu prätentiös wirkt der Ablauf der Handlung, und zu künstlich das Geschehen, wenngleich die meisten Szenen wohl recht nah an der historischen Realität angesiedelt sind.
Wer mit den ausgehenden 60ern etwas anfangen kann, und bereit ist, sich in die kulturelle und soziologische Situation jener Zeit zu versetzen, dem kann SOMMERSPROSSEN eine ungeheure Befriedigung verpassen. Das wie erwähnt Prätentiöse, das fast jede Szene des Films durchzieht, ist genauso symptomatisch für die Kultur dieser Zeit, wie es die Aufbruchsstimmung und die Unruhe für das allgemeine Befinden waren. Nicht jede Szene hat unbedingt einen Sinn, auch wenn narrativ alles zusammenpasst, aber der Zuschauer wird dazu angehalten, die Zusammenhänge zwischen den Momenten selber herzustellen. Ein Unding im Jahre 2021, damals aber eine Selbstverständlichkeit. Die Aufforderung zum Selberdenken, genauso wie dazu, sein Leben selber in die Hand zu nehmen, durchzieht SOMMERSPROSSEN, und macht zumindest Lust dazu, den Lebensweg der beiden Bankräuber nachzuvollziehen. Aber Achtung, man läuft Gefahr sich mit dem Virus der Unruhe anzustecken …