Ein Episodendrama recht unterschiedlicher Qualität, denn nicht jeder Part weiß durch eine clevere Pointe zu punkten oder der Unterhaltungswert schwankt zwischen „nur okay“ und „super“.
Ohnehin ist das Gesamtkonzept recht vage: Sieben Kurzgeschichten, die sich allesamt mit Verlusten und/oder gescheiterten Existenzen beschäftigen. Jede Episode illustriert ein Beispiel, woran ein Individuum scheitern kann.
Dadurch, dass es sich hierbei um eine Kompilation mit voneinander unabhängigen Beiträgen handelt, macht es Sinn, die Episoden einzeln durchzugehen.
1) The Same (Lost in body)
Ein Kleinwüchsiger himmelt seine wunderschöne, aber wesentlich größere Nachbarin an. Um ihr näher zu kommen und sie nicht an einen „normal“ großen Schönling zu verlieren, wendet er ungewöhnlich makabere Methoden an.
Ein sehr packender Einstieg, der in seiner Form fast einen Part aus „Tales from the Crypt“ darstellen könnte. Die Episode kommt völlig ohne Dialoge aus und begibt sich dabei in eine intensiv surreale Stimmung, wo eine Vision am Strand den atmosphärischen Höhepunkt darstellt.
Ein angenehm schauriger Grusel-Einstieg mit tiefschwarzer Auflösung und Gänsehauteffekt.
2) Euston Road (Lost in Deceit)
In einer Hotellobby fordert ein Gast einen anderen zu einer Wette auf. Er hat sieben Versuche um zu erraten, warum dieser alles verloren habe und nur noch seinen Wagen besäße. Im Gegenzug gibt es für jede falsche Antwort ein Glas Champagner.
Die Pointe ist zwar tricky, aber gleichermaßen recht alt, da ich sie in ähnlicher Form von einem Bühnenwitz mit Heinz Erhardt kannte. Der Weg dorthin bereitet jedoch Freude, da sämtliche Möglichkeiten, die der Wettpartner in Erwägung zieht, visuell umgesetzt werden.
Paul Bettany gibt hier den gewieften Typen, der zur Wette auffordert und sein Spiel überaus lässig und souverän erscheinen lässt.
3) Standing Room only (Lost in Identity)
Für eine angesagte Bühnenshow sind nur noch acht Stehplätze frei und während sich vor dem Theater eine Gruppe von Wartenden einfindet, weiß der Star des Programms seine Fans gleich mehrfach zu überraschen.
Eine durchgehend recht heitere Episode: Erst sitzt da ein alter Mann, dann kommt ein junger Hibbelkopp hinzu und verwirrt den Alten, bis eine hübsche Spanierin aufläuft und ihrerseits für Augenverdrehen sorgt. Eine illustre Gruppe sich anhäufender Wartender, nur ein etwas zu starkes Make-Up verrät auch hier die doppelte Pointe.
Ein Beitrag, der primär charmant altmodisch anmutet und mit dem Zusammenspiel der Figuren punktet.
4) Supermarket (Lost in Dreams)
Der Chef eines Supermarktes muss erkennen, dass Schauspieler nicht einfach ihre Berufung aufgeben können.
Der Inhalt beschreibt bereits die Pointe, denn hier entsteht überhaupt kein A-ha Effekt.
Der einzige besteht darin, dass Schauspielerin Illeana Douglas als Supermarkt-Angestellte arbeitet und auf ihre Rolle In „Echoes“ angesprochen wird. Später ergibt sich eine schauspielernde und singende Gruppe, bestehend aus Supermarkt-Kunden, dem Chef, Illeana Douglas und Jeff Goldblum. Am Rande taucht auch Daryl Hannah auf.
Der Unterhaltungswert geht während dieser Episode jedoch immer weiter zurück und bietet zudem keinen Abschluss, sondern lediglich einen Zustand. Hätte dringend um einige Szenen kürzer ausfallen müssen: Süße Idee, aber banale Entwicklung.
5) New Years Eve (Lost in Love)
Eine Silvesterparty in feiner Gesellschaft. Dennoch schleust einer seinen nicht eingeladenen Taxifahrer ein, während ein anderer fast seine Flirt-Chance verpasst, indes eine Minderjährige sich an einen erwachsenen Kerl ranmacht.
Hier wird die High Society herrlich aufs Korn genommen. Gut beobachtet und herrlich überspitzt reflektiert, denn am Ende wird der von der Party ausgeschlossen, der es am wenigsten verdient hat.
Keira Knightley (zwar süß, aber deutlich älter) spielt hier die Rolle der 17jährigen (ein anderer sagt 15!), was auf den ersten Blick wie Verarschung des Zuschauers aussieht, im Nachhinein kann man das aber ebenfalls als Seitenhieb auf den grassierenden Schönheitswahn innerhalb der Glamourwelt werten.
Eine überaus passable Satire.
6) Bangers (Lost in Mind)
Eine Frau kommt heim zur Mutter und berichtet der Katze vom Jobwechsel, während sie das Essen zubereitet und sich einen hebt.
Ein etwas verwirrender Beitrag, bei dem ich nicht einmal sicher bin, ob ich die Pointe überhaupt korrekt erfasst habe (sehr makaber).
Aber selbst wenn nicht, die fabelhafte Cate Blanchett stellt mit ihrer One-Woman-Performance alles in den Schatten. In einer Mischung aus Hocherotisch und Völlig Weggespaced wirbelt sie da durch die Küche und beschäftigt sich auf den ersten Blick mit Würstchen, Kartoffelpü und dem Wohl der Katze. Auf eine wirre Art unterhaltsam, wenn auch in der Aussage recht vage.
7) A Whole new Day (Lost in a Daze)
Ein Mann erwacht nach einer ausgiebigen Alkoholnacht in seiner Wohnung und muss feststellen, dass Frau, Kinder und das komplette Mobiliar verschwunden sind.
Auch die abschließende Episode würde weniger Freude bereiten, wenn nicht James Gandolfini die Rolle des Säufers übernommen hätte und mit seiner Performance, und auch rein optisch, an die besten Zeiten von Gene Hackman erinnern würde.
Urkomisch, wie er da selbstgerecht mit Freund und Schwägerin telefoniert und zynische Töne über seine Frau ablässt.
Inhaltlich stellt man sich lediglich die Frage, ob er nun wirklich über Nacht verlassen wurde, oder ob er sich in einer anderen Wohnung befindet.
Die Auflösung kommt zwar ein wenig banal rüber, weiß aber dennoch einen kleinen Schmunzler zu erzeugen.
Abschließend ergibt sich ein durchaus positiver Gesamteindruck, da die meisten Episoden an sich recht brauchbar sind und zudem fast durchweg prominente Darsteller auftauchen, die dem Ganzen etwas Lebendiges und zugleich Glaubhaftes verleihen.
Unterhaltsam sind sie irgendwie alle, nur die Pointen fallen unterschiedlich stark aus.
Stilmäßig reicht hier die Palette von Drama über Comedy bishin zu Horror.
„Stories of Lost Souls“ ist ein Episodenfilm, der zwischen typischem Arthouse und „Twilight Zone“ schwankt, weshalb auch nur Zuschauern mit breit gefächertem Interesse eine Empfehlung ausgesprochen werden soll.
Oder eben solchen, die sich über 75 Minuten (10 Minuten Abspann!) gerne mit sieben Kurzgeschichten unterschiedlicher Art auseinander setzen möchten.
Abwechslungsreich gestaltet sich das allemal.
7,5 von 10