Vater und Sohn sitzen daheim im Wohnzimmer. Der Sohn brütet über einer Hausaufgabe. Der Vater liest. Fragt der Sohn: „Dad, warum haben wir die beste Regierung der Welt?“
Darauf der Vater ohne aufzuschauen: „Weil man immer wieder Berufung einlegen kann!“
Das ist die Weltsicht, die in Jason Reitmans „Thank you for smoking“ postuliert wird.
Ausreichende Basis für eine saftige Portion Nihilismus, doch Reitman (Sohn des Regisseurs Ivan Reitman) wählt den Humor als seinen Weg, um dem Zynismus der Moderne zu begegnen.
In den 70er Jahren wäre man wohl mit der Ausweglosigkeit der Mechanismen unserer modernen Welt zu einem grimmigen Fazit gekommen, Reitman versucht auf andere Art und Weise, die Zuschauer wachzurütteln. Er bekämpft keinen übermächtigen Feind, er führt den Zuschauer auf sich selbst zurück.
Denn „Thank you for smoking“ ist (obwohl das höchstwahrscheinlich falsch verstanden werden wird) kein Film contra die übermächtige Tabakindustrie, sondern eine Satire auf die Moderne und die Pervertierung des ach so großen american way of life. Er führt keinen Privatkrieg gegen etwas, er führt dem Zuschauer bestehende Zustände vor, bisweilen mit leichten Übertreibungen, aber immer sehr nah an der Wahrheit.
Wortführer und Protagonist ist dabei Nick Naylor, Lobbyist und Pressesprecher der Tabakindustrie, der fürs Reden und Argumentieren bezahlt wird, der Aal im Karpfenteich, zuständig dafür, die Angriffe auf seinen Arbeitgeber abzuwehren. Dabei ist er sich bewusst, dass diese Angriffe bezüglich Gesundheitsschädigung richtig sind, doch das zählt für ihn nicht: er tut ganz einfach, was er gut kann. Reden.
Damit gleicht er in seiner Motivation ein wenig Nicholas Cage’s Figur Yuri Orlov in der Waffensatire „Lord of War“, der ebenfalls seinen Job macht, weil er ihn gut kann.
Während der Waffenhändler jedoch seinen beruflichen Erfolg mit persönlichem Scheitern kompensieren muß und sich eine gewisse Resignation über das Ende des Films legt, entlässt uns Aaron Eckhart (als Nick) mit einem Happy End und einem Augenzwinkern.
Nichts ist gut, nichts ist besser geworden, schlussendlich hat er einen neuen Job, aber die gleiche Tätigkeit, nur dass er im Gegensatz zu Cage die Beziehung zu seinem Sohn hat retten können.
Bis dahin ist aber ein weiter Weg und wunderbar episodisch entlarvt der Film nacheinander die ganzen Mechanismen der Industriegiganten, der Politik und der gegnerischen Aktivisten, Hollywood nicht zu vergessen.
Was da geschieht, ist zynisch, berechnend und menschenverachtend, aber niemals einseitig, denn die Gegenseite, die von uns angenommenen „Guten“ haben selbst hauptsächlich persönliche, wenn auch nicht finanzielle Motive. Wenn in der finalen Anhörung Naylor also gefragt wird, ob seine Pro-Zigarettenhaltung etwas mit seinem Job bei der Tabakindustrie zu tun hat, kontert dieser wertneutral, das sei genauso absurd, als hätten die ganzen Wahlkampfspenden Einfluß auf den Kurs des ermittelnden Senators.
Absurd ist alles, worum es sich hier dreht. Die bittere Wahrheit lässt sich am einfachsten mit Humor schlucken und der Roman Christopher Buckleys geht gegen alle vor: Tabak, Waffen, Alkohol, Politiker, Gesundheitsapostel, das Fernsehen, die Presse, die Hintermänner usw.
Weil in diesem infernalischen Totentanz jedoch keine Lösung auszumachen ist, zielt der Film auf den Zuschauer.
So wird die wahre Aussage des Films dem Zuschauer dann auch permanent serviert: jeder tut, was er kann. Jeder hat seine Rechnungen zu bezahlen.
Aber alle haben einen freien Willen und jeder entscheidet für sich und sein Leben allein.
So wird Nick sich nicht untreu, selbst als alles gegen ihn steht, so wenig wie sich die Zuschauer nicht untreu werden dürfen und argumentiert bis zum Schluß seine Gegner zu Tode, getreu dem Motto: „Man kann jede Diskussion, jede Auseinandersetzung gewinnen, sofern man die richtigen Argumente hat.“
Das Ergebnis ist ein etwas unebener, aber dafür ungeheuer komischer Film, der nicht mal überzogen wirkt, sondern einfach nur wahr. Die Komik ist in der Realität vorhanden, man muß sie nur finden. Und das hervorragend aufgelegte Ensemble (nicht mal Katie Holmes als engagierte Reporterin fällt da wirklich unangenehm auf) spielt wie aus einem Guß und komplettiert das Mosaik von Handlung.
„Thank you…“ ist eine Anregung zum eigenständigen Denken und bezüglich freien Willen.
Einmal, während eines Fluges, meint Naylor über seine Mitreisenden: „Wenn ich nur einen von diesen Jungs überzeugen kann, wegen mir das Rauchen anzufangen, hab ich meine Reisekosten wieder drin.“
Ich meine, wenn nur einer nach Genuß dieses Films öfters mal merkt, dass er in seinen Entscheidungen die freie Wahl hat, sofern er sich nicht von außen beeinflussen lässt, hat Reitman sein Ziel erreicht. Viel Vergnügen! (9/10)