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Aus David Lynchs durchaus skurrilem Oeuvre sticht dieses schrille Werke noch einmal deutlich hervor: Nicolas Cage und Laura Dern vögeln, tanzen und kämpfen sich als Sailor und Lula durch die USA, verfolgt von Lulas verrückter Mutter, einem Privatdetektiv und diversen Gangstern (die 90er scheinen irgendwie das Jahrzehnt der brutalen Hollywoodpärchen gewesen zu sein - man denke etwa an „Natural Born Killers", „True Romance" oder „Kalifornia"). Dazu gibt es schräge Gesangseinlagen von Elvis-Fan Sailor, Rückblenden in ihre traumatischen Vergangenheiten und allerhand bizarre Typen - und natürlich Sailors Schlangenlederjacke, die ein „Ausdruck seiner Individualität und seines Glaubens an die Freiheit" ist.

Klingt schrill und durchgeknallt? Ist es auch! Wer von Lynch düstere Albtraum-Märchen voll beunruhigender Metaphorik gewohnt ist, wird von diesem teils quietschbunten Trash-Trip ziemlich überrascht sein. Was er in anderen Werken mitunter nur andeutete oder als ein Stilmittel unter vielen verwendete (perfekt etwa in der nur kurze Zeit später entstandenen Kultserie „Twin Peaks"), ist hier filmfüllendes Programm: die Dekonstruktion amerikanischer Pop-Mythen, von Elvis über den Zauberer von Oz bis kitschigen Romantikfilmen à la Hollywood. So beginnt „Wild at Heart" direkt mit einer erstaunlich blutrünstigen Szene, wenn Sailor angegriffen wird und aus seiner anfänglichen Verteidigung ein brutaler Totschlag wird.

Dieser Mix setzt sich fort: Szenen von eigentümlicher Romantik und Intimität zwischen den beiden zentralen Charakteren wechseln sich ab mit bizarren Auftritten der von Hass verblendeten Mutter und brutaler Gangster; Hard-Rock und Elvis-Kitsch stehen gleichberechtigt nebeneinander. Und wie so oft bei Lynch regen die Handlungen einzelner Figuren immer wieder zum Staunen an: Da unterbricht Sailor mit einer Handbewegung ein Rockkonzert, um einen Typen aufzumischen, und übernimmt danach kurzerhand das Mikro des Sängers, als wäre das alles selbstverständlich oder er der Chef des Schuppens. Solche Details, die sich stets ein Stück weit neben der Logik unserer Realität zu bewegen scheinen, verleihen auch diesem schrillen Werk einen gewissen Lynch-Touch. Dazu trägt auch eine düstere Unfallszene auf einem nächtlichen Wüsten-Highway bei (mit einem seltsamen Gastauftritt von Sherilyn Fenn).

Cage und Dern sind inmitten dieses Chaos' die perfekte Besetzung. Mit viel Overacting, schleichenden Körperbewegungen und gedehnter Sprechweise gibt vor allem Cage seinem durchgeknallten Charakter die richtige Mischung aus Coolness und Unzurechnungsfähigkeit mit. Das macht bei allen Trash-Anleihen und überzogenen Szenen durchaus Spaß. Aber auch in Nebenrollen glänzen große Namen in mal mehr, mal weniger bizarren Rollen - Willem Dafoe etwa, Isabella Rossellini oder Harry Dean Stanton.

Vor allem in der zweiten Hälfte zieht sich die Handlung jedoch ein wenig zu sehr in die Länge. Das liegt mitunter an den zahlreichen Rückblenden, die oft unvermittelt den Storyfluss unterbrechen und nicht immer wirklich notwendig erscheinen. Auch rollen die Ereignisse stets etwas zu plötzlich ab, es gibt weder Einleitung noch Ausklang, alles bleibt immer im direkten Moment verhaftet. Diese stakkatohafte Erzählweise kann recht irritierend wirken, auch wenn sie als bewusstes Stilmittel eingesetzt wird. Und im Vergleich zu Lynchs großen Meisterwerken - „Blue Velvet", „Lost Highway", „Mulholland Drive" - wirkt hier die stilistische Filmsprache (trotz starkem Soundtrack) ein wenig zu plump und offensichtlich.

Mit „Wild at Heart" hat David Lynch einen schrill-verrückten Kommentar zur US-Pop-Unterhaltung beigetragen, bei dem man von weggeschossenen Köpfen bis guten Feen in Seifenblasen so ziemlich alles erwarten kann. Spaß macht dieser skurrile Streifzug durch Genre-Klischees allemal, und auf eine wirklich seltsame Art kann man diesen Film sogar kitschig nennen. Mit den großen Werken des Meisters des Surrealen kann er aber nicht ganz mithalten.

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