Review
von Leimbacher-Mario
Wo viel Sonne, da viel seelischer Schatten
"Plein Soleil" aka "Purple Noon" aka "Nur die Sonne war Zeuge" ist die perfekte Symbiose aus italienischem & französischem Spannungs-Kino. In Sachen Literaturverfilmungen ganz weit vorne, ein Alain Delon im frühen Zenit seiner Schönheit & ein Thriller über Identität & geheime Wünsche, der einem den Atem raubt & Sonnenbrand schenkt. Vor lauter Spannung & malerisch schönen Bilder, vergisst man quasi das Eincremen.
Der sonnendurchflutete Film Noir handelt von Tom Ripley, der einen steinreichen Mann während einer Bootsfahrt umbringen will & schon lange den Plan geschmiedet hat, dessen Identität & den einhergehenden Reichtum & exquisiten Lebenswandel zu übernehmen. Die Sonne hört nicht auf zu brennen, die Darsteller sind mehr als angenehm anzusehen & die Bilder der Italo-Küsten würden einen in Urlaubsstimmung versetzen, hätte man nicht so viel Angst vor eleganten Psychopathen des Schlages Ripley. Doch eine gewisse Anziehung ist nicht zu vermeiden...
Die Version aus den 90ern mit Matt Damon ist gut - doch "Plein Soleil" schnuppert Meisterwerk-Luft. Der einzige kleinere Haken ist das Finale, dass sich dem Filmtrend des einigermaßen versöhnlichen Endes beugt, anders als im Buch oder in "Der talentierte Mr. Ripley". Der Rest ist ein visueller Hochgenuss & ein spannungsreiches Versteckspiel, bei dem man dem Bösewicht der Story nicht selten die Daumen drückt. Alain Delons Charisma & Bombenaussehen spielen da sicher keine allzu kleine Rolle. Eines der schönsten Monster der Filmgeschichte - das muss man sogar als Heteromann neidlos anerkennen. Kein Wunder, dass der Film unverkennbar homoerotische Untertöne besitzt.
"Plein Soleil" ist ein eiskalter Thriller in der heißesten Umgebung. Intelligent, herausfordernd, hübsch & psychologisch wertvoll. Der fast perfekte Mord, ein teuflisch guter Plan um ins Dolce Vita zu kommen. Und fast würde man es Ripley gönnen, nach all dem Spaß & Herzklopfen, die er einem beschert. Die tödlich-sexy Seite des süßen Lebens der oberen Zehntausend. Ein Thriller, der sich einbrennt wie die Sonne über der Amalfi-Küste Mitte Juli.
Fazit: nie war ein Film Noir heller, selten war einer hübscher. "Plein Soleil" ist die mit Abstand beste Version des Highsmith-Romans & ein sonniger Thriller aller erster Kajüte! Als ob ein Hitchcock-Thriller Luxusurlaub macht. Eurokino in Sonnenbrand-Ekstase. Nice & heiß!