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Arthur Penn wurde Ende der 60er zu einem der Pioniere des „New Hollywood“, als er mit dem finalen Blutbad in „Bonnie und Clyde“ die Filmwelt schockierte. Weil die USA zum Ärger der Weltöffentlichkeit in Vietnam einen Völkermord veranstaltete, schickte Penn noch einen Film hinterher, der die Geschichte der Vereinigten Staaten in ein anderes, vielleicht realitätsnäheres Bild rückte und mit den Mythen vom heldenhaften Cowboy bis hin zum Frontiergeist Schluss machte.

„Little Big Man“ hieß der Film und natürlich gab es dafür keinen geeigneteren Darsteller als Dustin Hoffman, der dafür die Körpergröße, das Talent und nach „The Graduate“ auch den Bekanntheitsgrad mitbrachte, um den 121 Jahre alten Jack Crabb zu spielen, welcher in der Gegenwart einem Reporter seine Version des Lebens im Wilden Westen erzählt. Von Indianern im Kindesalter zum Vollwaisen gemacht, wächst er bei den Cheyenne auf und wird ein „Menschenwesen“. Immer wieder schlägt es ihn in die Welt der Weißen, die jedoch den Indianern mehr und mehr von ihrem Lebensraum nehmen und zahlenmäßig schon weit überlegen sind. Um zu überleben, schleicht sich Crabb in die Armee des legendären General Custer ein, der am Little Horn seine letzte Schlacht gegen die Indianer schlägt. Und Crabb ist auch dabei...

Anders als zum Beispiel Leone und Peckinpah entmythologisiert Penn den Wilden Westen nicht durch rohe Gewaltdarstellungen (obwohl ab und zu ein friedlicher Indianerstamm inklusive Frauen und Kindern dahingemetzelt wird), sondern pickt sich Legenden der amerikanische Historie heraus und zeichnet von diesen ein anderes Bild, als in den Geschichtsbüchern vermittelt wird. „Wild Bill“ Hickok treibt sich für einen Revolverhelden äußerst oft in Saloons herum und hat einen ziemlich unrühmlichen Abgang, eine erzpuritanische Pfarrersfrau entwickelt sich zur lüsternen Hure, die Figur des General Custer baut Penn mühevoll fast zwei Stunden lang auf, um sie dann in der Abschlussschlacht genüsslich zu zerpflücken und in ihrem Wahnsinn der Lächerlichkeit preiszugeben.

Eine friedfertige Erschließung des Westens gibt es für Penn nicht, Siedler konnten erst in neue Gebiete vorstoßen, nachdem Soldaten die unterlegenen Indianern mit rücksichtsloser Gewalt aus ihren Reservaten vertrieben haben. Die ansonsten augenzwinkernde Inszenierung löst in diesen Sequenzen pure Verzweiflung aus, da man vorher viel über das friedfertige Leben der Rothäute erfahren hat und dieses nun von mordlustigen Soldaten jäh zerstört wird.

Trotzdem bleibt „Little Big Man“ im Gesamtbild eher humorvoll, wozu Dustin Hoffman einen gehörigen Teil beiträgt, indem er bei seiner Odyssee durch den Westen trotz mancher Schicksalsschläge nie richtig niedergeschmettert zu sein scheint. Er, der keinen festen Platz mehr in dieser Zeit findet, schlägt sich doch immer wieder irgendwie durch und überlebt am Ende sogar Custers letzte Schlacht. Eine legendäre Darstellung Hoffmans, der zudem herrlich selbstironisch spielt und in einer Szene mit Faye Dunaway sogar seinen vorherigen Megaerfolg „Die Reifeprüfung“ parodiert.

Arthur Penn gelang mit „Little Big Man“ ein humorvoller Abgesang auf die Ideale des Wilden Westens und darüber hinaus ein erfrischend kurzweiliger Film, der zurecht als Klassiker gilt. Hoffman war selten besser und die Demontage einschlägig bekannter Mythen selten augenzwinkernder. Wer mit Peckinpah nichts anfangen konnte, findet möglicherweise hier sein Glück.

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