Die Welt ist schlecht. Das sag nicht ich. Das ist auch nirgendswo verankert oder bewiesen. Die Pessimisten, die sich dann wohl auch als Realisten sehen, unter uns stimmen dieser These wohl auch zu. Die Nachrichten sind voll von tagtäglichen Kriegsmeldungen, Banküberfällen, Morden und Ähnlichem.
Auch Lawrence Kasdans "Grand Canyon" stellt die Behauptung auf, dass das Meiste auf der Welt schlecht, sinnlos und demütigend ist. Das ist hier nicht zu übersehen. Es geht um verschiedene Personen aus der Stadt der Engel, Los Angeles. Alle haben mehr oder weniger was miteinander zu tun und vor allem etwas gemeinsam. Sie erleben, nicht nur während des Films, viel Übel, das einem den Sinn am Leben schnell nimmt, sofern man überhaupt einen darin gesehen hat. Da wäre Mack, der nachts von ein paar Gangstern überfallen wird und in letzter Sekunde von einem Schwarzen namens Simon gerettet wird. Simon seinerseits hat keine Frau, lebt alleine und sucht die große Liebe. Seine Schwester lebt ebenfalls ohne Partner, aber mit 3 Kindern, wovon der Größte in einer Gang involviert ist, was wiederum seine Familie nicht außer Gefahr lässt. Es gibt noch viel mehr Einzelschicksale, angefangen von einem Findelkind bis hin zur unglücklich verliebten Sekretärin. Alle sind miteinander verworren, in einem Netz voll von Leid, Trauer, Pessimismus und Nihilismus. Alles ist schlecht. Völlig ohne Sinn.
Diese Aussage wird hier bis zum Exzess aufgedrängt. Episodenartig werden die Schicksale erzählt, begonnen wird mit Macks nächtlicher Odysee von einem Basketballspiel auf dem Weg nach Hause. Da Stau vorherrscht, wählt er eine Abkürzung, verfährt sich aber und gerät völlig unschuldig an eine Bande Gangster. Das ist wirklich ein Auftakt nach Maß, sieht man diese ersten 20 Minuten. Schön fotografiert und vor allem gute und nachvollziehbare Dialoge. Man ist nichts ohne eine Waffe. Der Gangster schafft es, Simon und dem Zuschauer eine hanebüchene, aber irgendwie doch wieder verständliche Argumentation über das Besitzen einer Waffe vorzutragen. Man wird ohne Waffe nicht respektiert. Betrachtet man diesen Auftakt, ist man guter Dinge und erwartet wirklich etwas Großes.
Dem ist leider nicht so. Es sind diese Kleinigkeiten, die die Qualität stark mindern. Nur das Problem ist, da sind so viele Kleinigkeiten. Auch der sonst so starke Beginn hat ein paar Schwächen aufzuweisen. Macks Auto stirbt einfach ab und zu allem Überfluss funktioniert genau in dieser kritischen Gegend der Stadt sein Handy nicht. Und trotz seiner Angst vor einem kriminellen Übergriff stehen die Fenster von Fahrer- und Beifahrertür offen. Klar wäre er jetzt nicht viel sicherer, wären sie geschlossen, aber das ist doch im Instinkt des Menschen, die Fenster zu schließen, wenn man schon in einer gefährlichen Situation ist.
Ich weiß auch nicht, ob "Grand Canyon" bewusst so pessimistisch sein oder ob das nur eine Hyberbel darstellen soll. Es wird nämlich schon dick aufgetragen und die Welt arg schlecht dargestellt. Mag ja sein, dass nicht überall Sonnenschein herrscht, aber es ist auch nicht so tragisch wie im Film beschrieben. Zudem passieren mir die Unglücke der beteiligten Personen zu parallel. Wenn man schon einen verschachtelten und in verschiedenen Erzählperspektiven umherspringenden Film schafft, dann soll auch etwas mehr Abwechslung drin sein. Hier ist zunächst alles schlecht, egal von welcher Person aus gesehen. Doch hin und wieder geschehen auch positive (man mag es kaum glauben) Dinge, diese aber dann so aneinandergereiht, dass es irgendwie unglaubwürdig und vorhersehbar wird.
Zumindest was die Probleme per se angeht, ist es abwechslungsreich. Da geht es um Liebe, Vertrauen, Treue, Einsamkeit, Armut, Schicksal und und und. So richtig interessieren tut man sich allerdings für die wenigsten der Protagonisten. Für mich war es noch recht interessant, die Entwicklung von Mack und Simon zu verfolgen, aber die ganzen Abschweifungen wieder, wie das angespielte Verhältnis von Mack zu seiner Sekretärin oder der Schwester von Simon und so weiter, das interessiert nicht wirklich. Nicht, weil es grundsätzlich nicht von Interesse ist, das wurde einfach nur unzureichend inszeniert.
Meines Erachtens trägt "Grand Canyon" zu dick auf, er ist zu pessimistisch, auch wenn es gegen Ende auch den ein oder anderen Funken Hoffnung zu verzeichnen gibt. Von den Schauspielern her erinnert man sich höchstens an Kevin Kline und Danny Glover und das garantiert nicht aufgrund ihrer ellenlangen Filmographien oder ihrem Bekanntheitsgrad, sondern ganz einfach ob ihrer Qualität. Der Rest kann sich höchstens Mitläufer schimpfen und geht völlig unter. Wieder ein Argument, wieso die meisten Probleme der Beteiligten nicht wirklich interessieren.
"Grand Canyon" ist sicherlich nicht schlecht, aber auch alles andere als gut. Die Story hat viel Potenzial, die Aussage auch, doch Beides wurde bei Weitem nicht so ausgeführt, wie es hätte sein können. Der Score, der an einen 80er Jahre Actioner erinnert, erübrigt so Vieles.
6/10 Punkte