Bomben auf Beirut, Raketeneinschläge in Haifa - für wenige sind diese Meldungen ein Grund zur Freude. Gefeiert wird nur im Kreise derer, die bei jedem Schuss die Kasse klingen hören. Weihnachten, wann immer ein neuer Krieg ausbricht. Yuri Orlov (Nicolas Cage), ist der "Lord of War", ein Waffendealer. Krisenregionen sind seine Konjunkturmotoren. Die Wege führen schon lange nicht mehr nur nach Rom, sondern dorthin, wo Geld zu verdienen ist.
Afrika - das Paradies für Waffenschieber. Bürgerkriege, reiche Führer - "blutige" Diamanten als Gegenwert für Munition. Der Beginn des Films ist ein visueller Paukenschlag. Von der Fabrik bis zum Kopfschuss - die Kamera bebildert die Perspektive einer einzelnen Kugel. Der Weg des bleihaltigen Kriegers - von der Fertigung bis zum Endziel.
Der organisierte Kopfschuss! Wie es dazu kommt zeigt "Lord of War". Zynisch, erleuchtend und sarkastisch erzählt Regisseur Andrew Niccol die Lebensgeschichte eines ukrainischen Einwanderers, der zu einer Größe im amerikanischen Waffenhandel wird. Ein Leben im Dunstkreis der Bomben und Raketen, die er selbst an den Mann bringt.
Wie das Business abläuft, ist ebenso interessant wie schockierend. Zwischen Verhandlungen, Deals und dabei auftretenden Komplikationen ergreift der Protagonist immer wieder selbst das Wort. Bitterböse, aber umso prägnanter, hält er der Gesellschaft den doppelmoralischen Spiegel vor die Nase, indem er Abläufe trocken erklärt und nüchtern kommentiert, dass beispielsweise eine AK-47 vor Öl und Kaviar das Hauptexportmittel Russlands ist. Diktatoren sind gern gesehene, weil verlässliche Handelspartner und der Zusammenbruch der Sowjetunion war für den Waffendealer ein vorgezogenes Weihnachtsfest, da der Zugang zu riesigen Waffendepots in der Ukraine fortan nur noch Formsache war. Bestechung, sadistische Warlords, Kinder mit Gewehren im Anschlag. "Lord of War" badet sich in Zynismus und Sarkasmus, ohne dabei den Faden zu verlieren. Der Film hat keinen dokumentarischen Anspruch, aber es steckt viel Wahrheit darin. Fakten sprechen für sich, die Historie bietet politischen Irrsinn. Orlov erzählt, was man nicht unbedingt hören bzw. sehen möchte.
Trotzdem taucht man tief in die Welt der Waffen ein. Regisseur und Drehbuchautor Niccol verkauft seine Botschaft mit Unterhaltungswert. Der Protagonist ist greifbar und im eigentlichen Sinne kein kaltblütiger Unmensch - die Branche ist das perverse. Er ist ehrlich, erspart uns die Scheinheiligkeit und erklärt stattdessen, wie die Business wirklich läuft. "Lord of War" ist eigentlich vielmehr die Erfolgsgeschichte eines Geschäftsmanns, der den Konventionen der Ökonomie folgt. Macht und Geld, darum geht es. Viele sitzen im Boot, ob offiziell oder inoffiziell. Ein Teil des 20. Jahrhundert aus Sicht eines Warlords - harter Tobak. Der Horizont des Waffenhandels wird aufgedeckt und man mag erstaunt oder schockiert sein - es ist nicht leicht die schöne, heile Welt aufrechtzuerhalten.
Für Moralisten ist kein Platz, das spürt auch der Interpol-Agent Jack Valentine (Ethan Hawke), als er versucht Orlov in die Quere zu kommen. Die Wege beider kreuzen sich, Cage und Hawke tragen das Duell zwischen Moral und Macht auf einem hohen Niveau aus - Spannung ist garantiert, auch wenn im Laufe des Films deutlich wird, wer am längeren Hebel sitzt.
Die Einleitung ist das Fazit. Die Geschichte wiederholt sich und scheint sich nicht zu ändern. Gerade eben: Neue Angriffe im Libanon und in Nordisrael! Die Yuri Orlovs dieser Welt sind aktiv, eine perverse Wirtschaft boomt. "Lord of War" wirkt wie eine zeitlose Satire - der zynisch sarkastische Fingerzeig über das Business mit Kriegen. Ein Film, der fesselt, schockiert und trotz allem unterhält. (9/10)