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Zwei junge Frauen (Carmen Montes, Fata Morgana) lieben sich in ihrer Wohnung. Als sie merken, dass sie aus einem anderen Haus von einer weiteren jungen Frau (Rachel Sheppard) beobachtet werden, genießen sie die Situation umso mehr. Sie ahnen nicht, dass sie damit eine Tragödie heraufbeschwören …

Jess Franco filmt nackte junge Frauen, so what? Kennt man, hat man schon tausendmal gesehen, ist langweilig, und überhaupt, wann passiert hier endlich mal was Neues?

Franco hat sein Leben lang Frauen als etwas Besonderes und Wundervolles begriffen*. Aus dieser Haltung heraus, und aus seiner grenzenlosen Bewunderung gegenüber der weiblichen Schönheit und Zärtlichkeit, hat er immer wieder auf das Sujet sich liebender Frauen zurückgegriffen. Im Alter, als er zum einen günstig auf Videomaterial produzieren konnte und gleichzeitig nicht mehr auf irgendwelche Zuschauerzahlen achten musste, hat er sich in mehreren Filmen ausschließlich um dieses Thema gekümmert. Narration oder Spannungsbogen gibt es hier nicht mehr. Franco hat sich in dieser Zeit stark an die Filme etwa Michael Ninns angenähert, der bedeutende Unterschied zu Ninn ist allerdings, dass die Frauen bei Franco normal aussehen. Sie haben ein kleines Bäuchlein, kurze Finger ohne zentimeterlange künstliche Fingernägel, sind nicht nahtlos braungebrannt, haben auch mal Orangenhaut, und die Hautunebenheiten sind nicht weggeschminkt. Was man hier sieht ist also weibliche Schönheit, ohne irgendwelche Filter, ohne offensichtliche Schminke.

Während Franco mit der Misshandlung gefangener Männer im back-to-back entstandenen PERVERSION sogar noch eine Art verqueren Kommentar auf seine eigenen, 25 Jahre früher entstandenen, WIP-Filme eingebaut hat, ist PASSION tatsächlich nur noch von Liebe und Zärtlichkeit durchdrungen (entsprechend ist PERVERSION vom filmischen her schmutziger und primitiver, während PASSION viel mit Licht und hervorragenden Szenenaufbauten spielt). Carmen Montes und Fata Morgana machen im Prinzip den ganzen Tag nichts anderes als Liebe. Sie streicheln sich, küssen sich, haben dabei ein paar sehr akrobatische Einlagen, überschreiten ganz nebenbei die Grenze zum Hardcore, und im Hintergrund erzählt die eine der beiden sehr poetisch wie sie vor dem Kennenlernen ihrer Freundin empfunden hat und wie sie jetzt empfindet. Wie in PERVERSION gibt es auch hier wieder eine Rasierszene, und wie ein Musiker oft ein Stück um ein bestimmtes Thema herumbaut, so hat Franco um das Rasieren herum eine sehr lange Szene in PERVERSION gefilmt, und ich vermute mal, dass diese Idee auch die grundlegende Inspiration für beide Filme war.
Hier aber ist die Szene eher kurz gehalten und flüssig erzählt - PASSION ist, nach den Maßstäben seiner Schaffensphase zu Beginn der Nuller-Jahre, geradezu ein Schnittgewitter. Die Geschichte -  richtiger: Die Bilder - wechseln häufig, es ist immer Bewegung vorhanden, immer ein Fluss in den Bildern. Es gibt hier keine zentrale und lange schnittfreie Szene wie eben in PERVERSION oder 10 Jahre später in PAULA-PAULA, es „passiert“ einfach mehr. Dies allerdings in ruhigen und poetischen Bildern.

Zwischen diese Liebesszenen geschnitten ist die Geschichte von Rachel, die gegenüber wohnt und die beiden Frauen mit dem Fernglas beobachtet. Rachel wurde gerade von ihrer Geliebten verlassen und in eine Depression gestürzt. Die Schicksale der drei Frauen verbinden sich auf dramatische Weise. Wie sehr das eigene Leben doch das Leben anderer beeinflussen kann, wie zufällige Bekanntschaften ganze Lebensläufe verändern können, auch das ist ein immer wiederkehrendes Thema in Francos Filmen, hier auf eine geradezu substantielle Basis heruntergebrochen und fast schnörkellos ausgeführt. Rachels Welt ist in dunklen Tönen gehalten und oft in kaltes Blau getaucht, während die Welt des Pärchens hell und warm ist, die Bilder viel Gelb und Orange enthalten. In einer geradezu schwebend anmutenden Szene öffnet Carmen Montes in einem luftigen Raum aus Grüntönen die Jalousien, und das Gefühl das dabei entsteht ist unbeschreiblich schön und warm. Wie Urlaub mit einem über alles geliebten Menschen. Und auf der anderen Seite (im wahrsten Sinne) dann wieder Rachel, bei der man oft das Gefühl hat dass sie in einem Kühlschrank lebt und ihre Gefühle auch genauso erstarrt sind.
Zusammen mit den ruhigen und wundervollen Bildern, die selbst in den wenigen Hardcore-Momenten poetisch sind (und das soll erstmal jemand nachmachen), und der die Handlung unmerklich beeinflussenden, leichten Jazzmusik, ergibt sich somit das filmische Gegenstück zu einem Liebesgedicht. Eine Ode an die weibliche Schönheit und Zartheit, und genauso auch eine starke lebensbejahende Aussage, das ist PASSION. Leidenschaft für das Leben und die Liebe.

Und wer von Jess Franco so etwas im Leben nicht erwartet hätte, der muss sich wieder einmal sagen lassen dass Franco immer wieder neu ist und immer wieder überrascht …

* Wie denn auch sonst???

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