Review

Bei vielen Filmen, die man selbst nicht schätzt, kann man meist noch nachvollziehen, dass und weshalb andere Menschen ihnen etwas abgewinnen können. Und es gibt rare Fälle, in denen es einem völlig schleierhaft erscheint, was andere Menschen an einem Film, den man selbst mehr oder weniger zum Bodensatz zählen würde, gut finden. Esoterische Filme und verschwörungstheoretische Filme, die häufig genug das Mögliche mit dem Zwingenden und das Unmögliche mit dem Möglichen verwechseln, machen es einem - wenn man denn eine ablehnende Haltung einnimmt - besonders schwer, sich für sie zu erwärmen, weil man nicht bloß andere Vorstellungen von Formvollendung, Unterhaltungswert oder Anspruch hegt, sondern oftmals gleich die gesamten Argumente, die ganze vermeintliche Logik eines Films für komplett unsinnig erachtet, sodass nach Entweder-oder-Prinzip nur die Urteile richtig bzw. falsch bleiben und Zwischenpositionen kaum denkbar sind.
"The Celestine Prophecy", auf dem gleichnamigen Roman (1993) von James Redfield basierend, scheint so ein Fall zu sein: Redfield, der in seinem Handbuch zu seinem Roman schreibt, dass er die 'neun Erkenntnisse', die er seinen Leser(inne)n unter die Nase reibt, eigentlich gar nicht weiter erläutern und sie lieber der Phantasie der Leute überlassen wollen würde, pocht auf Intuition, auf Erfahrungen und auf die Möglichkeit, eigene Energien gezielt auf die Objekte der eigenen Aufmerksamkeit zu lenken; Energien, die mit der göttlichen Energie verbunden wären und sich über ein Gefühl der Liebe erkennen ließen. Man merkt schnell, dass Redfield sich auf fernöstliche und westliche Mystiker stützt, sowie auf Philosophen, Psychologen und Soziologen, die sich mit diesen beschäftigen: Doch er selbst hat scheinbar - trotz seines Soziologie-Studiums - gar nicht die Absicht, analytisch tätig zu werden und verfolgt stattdessen bloße Schilderungen mystischen Erfahrens, reiht altbekannte Behauptungen und Fazite aneinander, unterschlägt Gegenthesen zu umstrittenen Thesen und verzichtet auf eine logische Entwicklung seiner Gedanken. Mit Übungen und Arbeitsgruppen will er die gewillten Anhänger dazu bringen, ihre Schwingungen richtig auszurichten und die eigene, innere Weisheit aufzuspüren und plündert in seinem Handbuch neben Kübler-Ross (die Redfields ersten Roman sehr mochte) und Carl Jung auch ziemlich obskure und als unseriös geltende Quellen wie etwa Cleve Backster, der ab 1966 die Meinung vertrat, dass Pflanzen Gedanken lesen können und Gefühle haben und - wie Joghurt oder Sperma - zur Wahrnehmung befähigt sind; sein Kopfsalat sollte sogar in eine Art Koma fallen können, sobald um ihn herum Salat gegessen wird.
Redfields Celestine-Zyklus, der inzwischen ein halbes Dutzend Bücher samt Handbuch und Magazin umfasst, mutet dementsprechend absurd an, verfolgt allerdings das löbliche Ziel, alle Menschen etwas liebevoller gegenüber ihrer Umgebung werden zu lassen - und dürfte nebenbei auch ordentlich Gewinn erwirtschaften, wenn Redfield auch darauf hinweist, dass es nie kostenpflichtige Celestine-Workshops geben wird. (Vom Arbeitsgruppen-Handbuch einmal abgesehen...)

Hätte Redfield vielleicht doch etwas stärker auf schnöden Mammon Wert gelegt, hätte "The Celestine Prophecy" womöglich eine halbwegs anständige Hollywood-Produktion mit funktionierenden Action- & Abenteuersequenzen und einer stimmigen Dramaturgie werden können, welche die Thesenhaftigkeit des Romans mit seinen schwammig-esoterischen Ansichten etwas zurückfährt und die Naivität des Stoffes mit handwerklichen Qualitäten noch etwas übertüncht. Große mystische Filmkunst vom Schlage eines Tarkowskijs, Herzogs oder Malicks wäre angesichts der kolportagehaften, actionlastigen Handlung um geheimnisvolle Schriftrollen, Urwald-Reisen und Interessenkonflikten zwischen diversen Institutionen und Einzelpersonen vermutlich ohnehin nicht möglich gewesen, ein kurzweiliger Genrefilm - der bestenfalls mit dem Eso-Kitsch Aronofskys oder den naiveren Spielberg-Familienfilmen mithalten könnte - vermutlich schon.
Doch Redfield konnte es sich nicht nehmen lassen, das Drehbuch selbst zu schreiben und es in die Hände von - ausgerechnet! - Armand Mastroianni zu geben, der ja eher mit relativ durchschnittlichen Horrorthrillern wie "He Knows You're Alone" (1980) oder "American Killing" (1982) und ziemlich schlechten Trashstreifen wie "The Supernaturals" (1986) aufgefallen ist und in letzter Zeit vor allem TV-Genre-Dutzendware anfertigt. Da war das Debakel im Grunde vorprogrammiert: Redfield ist mehr darum bemüht, alle 'neun Erkenntnisse' in den hundert Minuten unterzubringen und zaubert dementsprechend durchschnittlich alle zehn Minuten einen Erklärbären aus dem Hut, welcher der Hauptfigur John (Matthew Settle) - die nach einem Mini-Prolog im Jahre 1622 mit ihrer schwierigen, gegenwärtigen Situation hadert - beim Weg zur höchsten spirituellen Erkenntnis behilflich ist. In der fünften Filmminute ist die Exposition des Helden bereits abgeschlossen und eine alte Freundin - gerade erst aus Peru zurückgekehrt! - stiftet ihn zur Reise an: In Peru könne er bei Pater Jose auf eine uralte Prophezeiung stoßen, die derzeit intensiv studiert werde und sein Leben verändern könne. Ein Zufall - der bei Redfield nie bloß ein Zufall ist - lässt im Flugzeug einen anderen Passagier, der ebenfalls mit Pater Jose bekannt ist, in der zehnten Minute einen entscheiden Hinweis geben, der schon in der 14. Minute zum Zusammentreffen mit dem Geistlichen führt. Keine zwei Minuten später tritt eine der vielen Schurkenfiguren auf, die vermutlich keiner der redfieldschen Erkenntnisse teilhaftig geworden ist, dem Geistlichen jedoch recht wirkungsvoll eine Waffe vor den Kopf zu halten versteht. Derweil flieht John, lernt Wil (Thomas Kretschmann) kennen, der mit Pater Jose befreundet ist und John nun an die 'neun Erkenntnisse' und zahlreiche interessierte Mitmenschen heranführt - darunter Miguel, Julia, Marjorie und Vater Sanchez (Joaquim de Almeida) -, die allesamt von Schönheit & Energie & tieferer Wahrheit schwärmen und John (und das Publikum) für ihre Interessen & Ansichten gewinnen wollen: mit hübschen Frauen, lächelnden Gesichtern, paradiesischen Landschaften und einschmeichelnder Wohlfühlmusik... wer braucht da noch gute Gründe?
Schnell erlebt John diverse Visionen und wundersame Träume, lernt es, seine Energie richtig zu nutzen und hat bald böse Kirchenvertreter - die an alten, unchristlichen Prophezeiungen nicht interessiert sind - und Staatsmänner am Hals; allen voran Jürgen Prochnow in einer stereotypen Schurkenrolle. Wenn über längere Zeit keine neuen Figuren auftreten, werden stattdessen die einzelnen Erkenntnisse vermittelt, die John in der Folge dabei behilflich sind, Energieströme zwischen seinen Fingerspitzen und in der Pflanzenwelt strömen zu sehen. Am Ende bekommt das Publikum diese Erkenntnisse nochmals in Form eines langen Fließtextes präsentiert.
Blasse Figuren, arge Argumentationsprobleme, eine von Person zu Person und von Erkenntnis zu Erkenntnis hetzende Dramaturgie und - handwerklich ganz annehmbar, aber recht uninspiriert gestalteter - 08/15-Kitsch machen aus dem Film ein Desaster; und von den ambitionierten Regie-Einfällen, die Mastroianni etwa in seinem Debutfilm durchaus erkennen ließ, ist hier wirklich gar nichts zu erkennen. Dem Charisma der bekannten Stars und den routiniert beherrschten technischen Arbeitsmitteln ist es zu verdanken, das der Film nicht vollständig missraten ist.

Wenn dieser Film tatsächlich das Leben einiger Kinogänger(innen) verändert haben sollte, dann liegt das weniger an seiner Machart, als an den offenbar wenig beneidenswerten Leben dieser Leute: Wenn ein unkreativer, dramaturgisch hilfloser - und zurecht vielfach von der Kritik zerrissener - Film mit inhaltslosen Botschaften, denen zufolge man sich öffnen und tiefere Wahrheiten in sich dringen lassen müsse, ernstlich etwas in einem auslöst, dann muss man zuvor eine wahrhaft unvorstellbare Leere verspürt haben. Die Celestine-Erkenntnisse scheinen in erster Linie die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft zu befriedigen, sie stellen zwischen den Rezipient(inn)en (und dem Verfasser) eine Geistesverwandtschaft her, für die man keinerlei Wissen benötigt: bloßes Verlangen reicht vollkommen aus, um schließlich alles und jeden zu lieben und intuitiv eine erlangte Weisheit in sich zu spüren, die man mit anderen Eingeweihten teilt.
3,5/10

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