Die ganze Nation geht mal wieder auf den Knien, es ist wieder Potter-Time!
Zum vierten Mal jährt sich der Massenstart, der immer zur Premiere einer neuen Verfilmung der Bücher J.K.Rowlings anfällt und es ist wieder einer vom Feinsten.
Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn der vierte Band lag genau im Zenit des weltweiten Hypes, der bezüglich der Reihe einsetzte und die Erwartung an den wohl buntesten Potter-Band waren dementsprechend gewaltig.
Da war es natürlich illusorisch, zu hoffen, daß das 800-Seiten-Werk in irgendeiner Form vorlagengerecht in eine gut 150-Minuten-Kinofassung zu pressen wäre.
Und so ist es dann auch geschehen.
Was nun in den Kinos zu sehen ist, wirkt wie eine Rumpfversion eines viel detaillierteren Director’s Cut, der aber wohl nie kommen wird, ein Film, dessen Drehbuch sich an den wichtigen Angelpunkten des Buchs entlang hangelt, ohne wirklich tiefer in die reizvolle Materie der Zauberer einzusteigen, weil die vielen inhaltlichen Extras den Fluß der Story einfach nur aufgehalten hätten.
Ergo hakt das Skript diese Plot-Säulen im Eiltempo ab und hofft, daß auch ja alle Zuschauer alles mitbekommen werden. Von der Quidditch-WM mit dem Erscheinen des dunklen Mals über das trimagische Turnier geht man direkt über zu den drei zu lösenden Aufgaben, unterbrochen nur von dem Weihnachtsball, bei dem erstmals hochpubertäre Teenagerproblematiken hochkochen. Schließlich gibt’s ein großes Finale auf einem Friedhof samt Rückkehr des bösen Lord Voldemorts und damit wäre der Film auch schon am Überlaufen.
Ich will jetzt gar nicht erst in den Kanon der Vorlagen-Puristen einsteigen, allerdings muß ich konstatieren, daß durch diese rabiaten unterhaltungsfixierten Kürzungen einiges an verbindendem und auch erklärendem Material verloren gegangen ist oder ausgespart wurde.
Als Beispiele wären zu nennen etwa die drei unverzeihlichen Flüche, die zwar besprochen werden, gegen die die Schüler jedoch nicht im Bild trainiert werden, so daß Harrys finaler Widerstand gegen den tödlichen Fluch Voldemorts geradezu mirakulös wirkt. Auch die Auflösungen und Aufklärungen am Ende wirken überhastet und verknappt und der Tenor der Wiedergeburt Voldemorts wird zum Schluß mehr der Transferfähigkeit der Zuschauer überlassen.
Daß man verschiedene Figuren gestrichen hat, kommt dem Plot nicht immer in die Quere (Ludo Bagman etwa) und der „BELFER“-Handlungsstrang ist in seiner Abwesenheit schon als Wohltat zu bezeichnen. Aus der Reporterin Rita Kimmkorn jedoch lediglich einen belanglosen Supportplayer zu machen, deren Geheimnis am Ende unterschlagen wird und die praktisch nur als Showstopper in Erscheinung tritt, ist fast ein kleines Verbrechen.
Das wirkliche Problem des Films ist die Art, wie er die Figuren behandelt. Konnte Cuaron mit dem dritten Film seine Charaktere wirklich und wahrhaftig noch ausbauen und mit mehr Tiefe versehen, wird jetzt der erzählerischen Hektik so ziemlich alles geopfert.
Der Konflikt zwischen Ron und Harry, irgendwo zwischen Neid und Eifersucht angesiedelt, ist deutlich unterentwickelt, die pubertären Zwänge kommen ziemlich überraschend, ebenso wie die romantischen Schwärmereien gegenüber der Mitschülerin Cho. Alles verdichtet sich erst in der Weihnachtsballsequenz, bis dato waren die Szenen zu dem Thema immer sehr auf komisch gestrickt, so daß die geradezu dramatische Emotionalität am Ende des Balls fast verstörend wirkt.
Es hat fast den Eindruck, als wollte Newell eine Show mit seinen Charakteren bieten, bei der Harry als actionbetonter Held im Mittelpunkt steht, seine inneren Konflikte aber komplett unterschlagen werden. Wenn er in der zweiten Prüfung etwa nicht nur seine „Kostbarkeit“, sondern auch die Fleurs retten will, dann hat man nie den Eindruck, er tut es, weil er um das Leben der zu Rettenden ernsthaft fürchtet. Das ist um so entfremdender, weil der Wettbewerb hier wirklich als mögliche tödliche Vorstellung herüberkommt und nicht als kontrollierbares Turnier.
Im Widerspruch dazu steht dann wiederum die dritte Prüfung in dem Heckenlabyrinth, in dem man sich die Monstren und magischen Fallen wohl aus Kostengründen gespart hat, das aber sonst seinem angesprochenen Zweck nie Rechnung trägt.
Gegen den vielbeschäftigten, aber nicht genügend ausgeleuchteten Harry steht etwa ein Ron, der eindeutig in die Richtung „comic relief“ geschoben wird, wo er endlich mal Tiefe entwickleln könnte. Aber dafür bleibt keine Zeit.
Und auch Hermine wird, wenn sie auch noch am besten aus der Rechnung heraus kommt, mehr zum Ausdruck von Emotionen umgeformt, für die die meisten Charaktere keine Zeit haben, eine praktisch erklärende Instanz, die man bei besserer erzählerischer Ausgewogenheit gar nicht nötig gehabt hätte.
Ausgesprochen gut ausgesucht sind die Darsteller der neuen Figuren, sowohl Victor Krum als auch Karkaroff kommen brauchbar herüber, auch Barty Crouch und sein Sohn treffen den Ton gut, nur Fleur Delaceur hätte noch etwas ätherischer wirken dürfen. Aber sie alle haben nur Bit-Parts, die der Handlung zuspielen.
Allein Ralph Fiennes als nasenloser Voldemort kann sich freispielen, aber dafür erinnert er sehr stark an seine Performance in „Roter Drache“. Trotzdem eine gute Option für die finalen Filme. Von Natasha Richardson als Rita Kimmkorn ist leider zu wenig zu sehen und auch Harrys Romanze Cho hat hier nur eine Szene, die aber gut ausschaut.
Dennoch bleibt bestehen: der Erzähl- und Zeigewut wird hier alles untergeordnet, jegliche Subtilität oder storybezogene Raffinesse bleibt auf der Strecke, das Ergebnis ist bunt, laut, schnell und unterhaltsam, aber eben weniger sättigend als im Falle des letzten Films, dem bisher qualitativen Höhepunkt der Saga. Aber wer „money shots“ wie den unnötig überlangen Drachenkampf hat, muß sich wohl darum nicht sorgen.
Was also wurde falsch gemacht? Gar nicht mal so viel, denn in der Summe der Teile könnte der Film funktionieren, wenn man es z.B. wenigstens in diesem Fall so machen würde, wie Peter Jackson mit seiner HdR-Trilogie, nämlich für die DVD-Version noch eine halbe Stunde Material hintenan hängen. Fans würden eine Drei-Stunden-Version zweifelsohne begrüßen und den Buchfans würden damit sicher auch noch einige Gefallen zugunsten der Figuren getan.
Aber ich schließe mich gar nicht der Wirkung des Films aus: wenn ich den Wälzer nicht gerade frisch wieder gelesen habe, läßt man sich von Mike Newell einfach überrollen und der Eindruck hält einige Tage an, bis sich die verschiedensten Fragen in den Vordergrund drängen.
Von da an gilt: take the money and run! (7/10)