Hast.
Ein Wort, das ich bisher nicht mit „Harry Potter“ in Verbindung gebracht habe. Wozu auch? Die Bücher spielen längst in der Liga „Telefonbuch“ und auch die Verfilmungen gehören zu den laufzeitstärksten Kinderfilmen. Da wird alles schön langsam ausgebreitet und…
…und dann erblicke ich den vierten Potter-Film. Au Backe. Gut, gut, über 600 Seiten wollen hier gebündelt werden, da müssen manche Charaktere und Begebenheiten Federn lassen, aber, um mal dabei zu bleiben, HARRY POTTER UND DER FEUERKELCH sieht aus wie ein gerupftes Huhn. Die ersten Minuten gehören zum absolut Konfusesten, das ich jemals erblicken durfte.
Ein dunkles Haus, finstere Machenschaften, ein Mord, Harry erwacht, macht mit seinen Freunden einen Ausflug nach sonst wo, lernt Cedric kennen, kommt bei der Qudditch-WM an, trifft dort die Malfoys, verfolgt das Endspiel und die darauf folgenden Ausschreitungen irgendwelcher Ku-Klux-Hexer, sieht einen irren Typen ein Zeichen in den Himmel pusten, wird fälschlicherweise verdächtigt, dampft ab nach Hogwarts.
Das alles geschieht in gefühlten fünf Minuten, entspricht knapp 150 Seiten des Buches, und kann nur Verwirrung bei Nicht-Lesern und Ärger bei Lesern erzeugen. Ich bin übrigens verärgert.
Jetzt gar nicht mal aufgrund des Fehlens diverser Personen (Bagman? Winky?) oder des Abänderns der Ereignisse (die Ehrenloge, der Auftritt der Todesser, das dunkle Mal), was natürlich laufzeitbedingt geschehen musste, sondern weil diese ganze Sequenz so lieblos geschnitten daherkommt, dass es jedem begeisterten Leser wie purer Hohn vorkommen muss. Wüst und zusammenhanglos hechelt der Film durch eines der atmosphärischsten Kapitel der Bücher. Jeder Leser kann hierüber nur entsetzt sein. Da stecken die Todesser mal eben das gesamte „WM-Dorf“ in Brand. Geht´s noch? Wenn diese Abwandlung wenigstens stimmig daherkommen würde, aber Pustekuchen. Hier habt ihr die Brocken, fresst mal schön, den Rest erschließt ihr euch aus dem Gedächtnis. So wirkt das.
Zwar fängt sich der Film wieder einigermaßen, sobald das Trimagische Turnier beginnt, aber bis zum Schluss wird man das Gefühl nicht los, dass hier die falschen Prioritäten gesetzt wurden. Die anderen Champions kommen ganz anders daher als im Buch beschrieben (Krum), sind völlig unergiebige Randfiguren (Fleur) oder unsympathischer als im Buch angelegt (Cedric). Änderungen, die schwerlich zu begründen sind. Harrys Prüfung mit dem Drachen, im Buch bewusst kurz gehalten, wird hier zur ellenlangen Actionsequenz ausgebaut. Dafür fallen dann Dinge wie Rons Brüder oder Hermines Kampf für die Hauselfen unter den Tisch. Moment mal, Hauselfen? Ach, die werden ja ganz ausgespart, Verzeihung. Mein ersehnter Blick in die Küche von Hogwarts muss wohl warten. Kleinigkeiten, zugegeben, aber das Salz in der Suppe. Dadurch wurde Harrys Welt erst lebendig. Die enorm handlungsorientierte Inszenierung lässt somit jeden Zauber missen und macht den Film zur langwierigen Pflichtübung. Ein einziges Abhaken von Elementen, visuell beeindruckend, aber kein schöner Film wie sein Vorgänger. Dem gelang es nämlich, die Aussagen des Buches zu visualisieren und die Handlung dennoch dramaturgisch zu raffen. Nichts anderes sollte eine gute Verfilmung tun. Die wir hier nicht haben. Denn auch beim Showdown hetzt der Film sich ab, das Labyrinth wird hurtigst abgefrühstückt, ab auf den Friedhof, man macht zicke-zacke-Ritual-Kacke, bumm, da isser, der Hühnerschreck.
Voldemorts Auferstehung kann man wohl mit Fug und Recht zu den Höhepunkten der Bücher zählen, da hat man sich gefälligst Zeit zu lassen. Was hier an Atmosphäre aus dieser prinzipiell guten Szene herauszuholen war, man darf gar nicht drüber nachdenken. Da fragt man sich, wofür der Beginn des Films so hastig war, wenn es nun auch hier hopp-hopp geht. Wenn man den Film im Geiste noch einmal durchgeht, kann es schon mal mit einem selbst durchgehen: Wofür z.B. die Szenen mit Rita Kimmkorn, die haben auch nur kostbare Laufzeit gestohlen und sind in gleich zweierlei Hinsicht überflüssig: Erstens dient Rita hier nicht wie im Buch dazu, Harry gegenüber seinen Mitschülern zu entfremden und ihn damit auf sich selbst zurückzuwerfen (Harrys zunehmender Egoismus spielt somit in den Filmen keine Rolle, möchte ich meinen), und zweitens wird die Rita-Story auch nicht aufgelöst (ähem, Käfer?). Wie ich schon sagte, hier wurden dramaturgisch völlig falsche Schwerpunkte gesetzt. Aber das sollten die verantwortlichen Herrschaften selbst wissen, ist schließlich ihr Job.
Da wieder einmal Steve Kloves für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, kann ich jetzt nicht allzu viel darüber sagen, inwiefern er an diesem Manko Schuld trägt. Wenn man die Filme von Columbus, Cuarón und Newell betrachtet, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass es hier letzten Endes doch der Regisseur ist, der dem Ganzen seinen Stempel aufdrückt. Dies gelingt Newell aber nur in den wirklich gelungenen, witzigen Szenen rund um den Schulball. Da schimmert dann sein „Vier Hochzeiten…“-Talent durch. Da ist er bei sich, das kann er. Aber die großen Sequenzen? Nur die Szene im See ist wirklich rechtschaffen gruselig und gelungen, alles andere wird extrem abgewandelt (Drache) oder hastig dahingeschludert (Labyrinth). Vordergründig ist der Film wie seine Vorgänger spannend. Tricktechnisch perfekt. Das Auge freut sich, der Bauch grummelt. Denn es fehlt der Inszenierung das verbindende Element, nennen wir es nun den Zauber oder das Herz.
Für das sorgen dann wenigstens die Schauspieler. Ob nun die Jungdarsteller hinreißende Gefühlswirrungen rund um den Schulball durchleben oder die alte Garde Szenen an sich reißt (Alan Rickman und Brendan Gleeson sind einfach nur wundervoll), hier darf man sich freuen, dass die Charaktere punktgenau umgesetzt werden. Michael Gambon, Maggie Smith, Jason Isaacs, alle eine Bank. Lediglich im Lager der Bösen ist mit „Crouch Jr.“ ein Ausfall zu beklagen, und das liegt zu einem großen Teil daran, dass die Rolle im Vergleich zur Vorlage völlig verdreht wird (ich sage nur: im Buch gab es zwei Anhörungen im Denkarium zu sehen). Dieses wilde Gestiere und Gezüngel, herrje. Was da verloren geht, es ist zum Heulen. Ralph Fiennes darf hingegen ausgiebig böse sein, das geht klar (was nur bedingt klar geht, ist seine Synchronstimme, die hätte ruhig böser, verzerrter sein dürfen, aber das ist hier wirklich meine kleinste Sorge). Er kann da echt einen Filmbösewicht par excellence prägen.
Was fange ich nun mit diesem Film an? „Der Potter der verschenkten Möglichkeiten“, so wird er mir in Erinnerung bleiben. Als gruselig-humoriger Blockbuster völlig in Ordnung, als Adaption des Romans schlichtweg traurig. Mike Newell war definitiv nicht der richtige Mann für den Job. Alfonso Cuarón, bitte im Zaubereiministerium melden!
Was hat man sich nicht gefreut: „Harry bringt die Kinder wieder zum Lesen“. Glückwunsch an den Film, dass er jetzt dasselbe bewirken kann, denn wer wirklich wissen möchte, was es mit dieser Quidditch-WM auf sich hat, wer wirklich das Verhältnis von Bartemius Crouch zu seinem Sohn begreifen will oder sich dafür interessiert, was aus Hauself Dobby wurde, der wird um die Lektüre des vierten Bandes nicht herumkommen. Und wie ich zu demselben originellen Fazit gelangen:
Das Buch war besser.