„Harry Potter“ ist ein gelungenes modernes Märchen, denn für Kinder ist es wirklich gut zu sehen, wie dieser in der Realität unterdrückte Junge in der Parallelwelt von Hogwarts richtig aufblüht. Als Harry nach Hogwarts kommt ist er endlich nicht mehr das Opfer seiner Stiefeltern sondern ein normales Kind unter anderen und auch noch der Hoffnungsträger einer Welt voller Magie. Das Vertrauen und die Zuneigung die er in Hogwarts erfährt machen ihn stark für seine Bürgerliche Realität, und so können auch die jungen Leser dieser Geschichten die Erfahrungen aus Hogwarts in ihren Alltag übertragen.
Die Geschichten sind Spannend und zusammen mit der Charakterzeichnung sehr gut auf die Ansprüche junger Leser abgestimmt. Kurzum, die Bücher und die auf ihnen basierenden Filme nehmen Kinder ernst, sie biedern sich nicht an mit Möglichkeiten des Coolnesgewinns durch Imitation der Erwachsenen sondern bieten die Möglichkeit mit und an ihnen zu reifen und begleiten die Leser und Zuschauer durch die Wirren des älter Werdens. So wie Harry älter wird und sich seine Probleme ändern, ändern sich auch die Probleme der Leser und auch die Verfilmungen der Bücher. Überdeutlich wurde das mit dem dritten Film, der insgesamt düsterer und ernster wirkte aber immer noch in einer Verzauberten und aufrichtigen Märchenwelt zuhause war.
Nun also der vierte Film und alles scheint anders zu sein. Es wird von einem Wettkampf zwischen drei Zauberschulen erzählt, der eigentlich nur für die späteren Jahrgänge frei ist aber in denn doch irgendwie Harry Potter als vierter Teilnehmer hinein gerät. Während also die Wettkämpfe bestritten werden müssen bleiben die Fragen zu klären, wie es möglich war dass auch Harry Potter an diesem Wettbewerb teilnehmen kann und wer hinter den Unglücksfällen steckt, die sich in letzter Zeit häufen. Wirklich viel Neues bietet die Erzählung also nicht. Höhepunkt dieses Teils und auch des als „Trimagisches Turnier“ bezeichneten Wettkampfs ist dann auch nicht das physische Abenteuer sondern das psychische Abenteuer eines Weihnachtsballs.
Schon während der Zugfahrt nach Hogwarts und später im Speisesaal hat Harry nur Augen für eine Mitschülerin, und so wird die Liebe ein wichtiges Thema in der Welt der jungen Helden und dieser Weihnachtsball kommt da genau richtig. Die Kinder beginnen sich für das andere Geschlecht zu interessieren, wissen aber überhaupt nicht, was sie mit diesem Interesse anfangen sollen und so bewegen sich alle Begegnungen mit der Liebe in einem Spannungsfeld zwischen Schüchternheit, Ekel und verstohlener Verehrung. Hermines heimliche Blicke auf den Turnierteilnehmer der ungarischen Gastschule oder Rons Schock nachdem er sich endlich getraut hat die Vertreterin eines Mädcheninternats zu fragen, ob sie ihn auf den Ball begleiten würde, sagen wie viele ähnliche Momente viel über die Figuren aus und sind auch immer mal wieder für einen Lacher gut. Und hier liegt auch das Problem dieser Verfilmung.
Bei der Verfilmung eines Buches muss man sich immer damit befassen, welche Stellen man weglässt und welche man betont, um bestimmte Entwicklungen klar zu machen. Newell hat sich nun dafür entschieden die Gags, Effekte und Sensationen zu betonen.
Während der gesamten Ballsequenz sind die Szenen, in denen Zeit ist für die Zweifel und Sorgen der Kinder den Klamaukigen Fehlentscheidungen zahlenmäßig deutlich unterlegen, so dass fast das Gefühl einer Pennälerkomödie aufkommt. Ohnehin hat diese Sequenz den Regisseur wohl überfordert, denn nicht nur ihr mangelnder Tiefgang irritiert, auch ihre lose Einbindung in die Handlung fällt auf, und erst die Lektüre des Buches klärt auf, dass der Ball ein Teil des „Trimagischen Turniers“ ist und dass dieses nicht nur ein Wettkampf sondern eine Maßnahme zur Völkerverständigung ist. Wer das Buch gelesen hat wäre wohl von allzu ausführlichen Erläuterungen gelangweilt worden, aber der Logik des Filmes hätte etwas Klarheit an dieser und anderen Stellen nicht geschadet.
Für Psychologie lassen die Actionsequenzen ohnehin wenig Platz, so dass sich die Unzulänglichkeiten in diesem Bereich in Grenzen halten. Sehr erschreckend ist es aber fest zu stellen, dass Newell Effekteinstellungen in das Drehbuch hinein mogelt um das Staunen der Kinder in Hogwarts und im Kinosaal voll aus zu kosten. In den bisherigen Filmen waren alle Effekte wirklich teil einer Fremden und schönen Welt. Sie lösten höchstens Erstaunen aus, weil die neue Umgebung an sich staunend machte. Schon während des dritten Teils ist diese Welt ein richtiges Zuhause für Harry, seine Freunde und die Zuschauer geworden, ein Zuhause, mit dessen Regeln man sogar spielen konnte, wie die Zeitreise zeigte. Der vierte teil will den Zuschauer nun in Erstaunen darüber versetzen, wie spektakulär beispielsweise der Feuerkelch erscheint und wie Aufregend die Arena ist, in der die Quidditch-Weltmeisterschaft stattfindet. Dass das Spiel selber dann nicht gezeigt wird ist nur konsequent.
Alles scheint nur, anders zu sein, denn in Wirklichkeit ist diese Bewegung weg davon, den Zuschauer ernst zu nehmen nur eine logische Fortsetzung der Tatsache, dass die Kinder mit dieser Serie älter werden sollen. So traurig es ist, aber dieser grobe, auf bloße Oberflächenreize reduzierte Film ist so mittelmäßig wie jede zweite Großproduktion aus Hollywood.
Mit den Geschichten sollen die Kinder herangeführt werden an die Gefühle und Erlebnisse, die die meisten Erwachsenen auch erleben. Aber mit den Verfilmungen sollen sie ab jetzt wohl an die Art von Filmen gewöhnt werden, denen die Erwachsenen zu immer höheren Einspielergebnissen in den ersten Wochen verhelfen. Kein Wunder, dass die größten deutschen Kino- und Fernsehzeitschriften diesen Film für den besten der Serie halten, entspricht er doch am ehesten dem, was sie auch sonst für empfehlenswert halten. Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass sich die Verfilmungen so entwickeln, schade ist es trotzdem.