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„Der Weihnachtsabend ist der furchterregendste Abend des Jahres!“

Eine von anscheinend nur vier Arbeiten des US-Regisseurs Charles E. Sellier Jr. („City Commando“) ist ausgerechnet der berüchtigte Weihnachts-Slasher „Silent Night, Deadly Night“ aus dem Jahre 1984.

Der kleine Billy (Robert Brian Wilson) muss mitansehen, wie seine Eltern von einem als Weihnachtsmann verkleideten Mörder brutal ums Leben gebracht werden. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Ricky wächst er daraufhin in einem katholischen Waisenhaus auf, wo die Mutter Oberin (großartig: Lilyan Chauvin, „Predator 2“) ihn triezt und misshandelt. Als junger Erwachsener hat er eine scheinbar normale Entwicklung genommen und steht in einem Spielzeuggeschäft in Lohn und Brot. Als Weihnachten naht, soll er jedoch für die Kinder den Santa Claus spielen – woraufhin sein Kindheitstrauma durchbricht und er mit einer Axt bewaffnet Jagd auf diejenigen macht, die naughty statt nice waren…

Wie vorausgegangene Weihnachts-Horrorfilme à la „Blutnacht – Das Haus des Todes“ oder „Teuflische Weihnachten“ beginnt auch „Silent Night, Deadly Night“ mit einer Rückblende, und zwar zum Weihnachtsabend 1971, an dem durch die Ermordung seiner Eltern Billys Welt zusammenbrach. Eine weitere Rückblende zeigt die Ereignisse im Waisenhaus im Dezember 1974: Es kommt zu freizügigen Sexszenen, die prompt von der Mutter Oberin bestraft werden. Auch Billy wird von ihr mit einem Ledergürtel gezüchtigt. Unverblümt werden Kindesmisshandlungen im Namen Gottes und der katholischen, äh, „Pädagogik“ auf den Bildschirm gebracht. Dass der verängstigte Billy einem Weihnachtsmann einen Kinnhaken verpasst, erscheint dagegen harmlos und verständlich – „Silent Night, Deadly Night“ behandelt auch, wie man Kindern zweifelsohne zu viel Angst vorm Weihnachtsmann machen kann, in dessen Charakterisierung ja schon immer eine autoritäre Note mitschwang.

Angekommen in der Gegenwart des Jahres 1984 wird bald deutlich, dass Billy ein schweres Trauma erlitt und auch als Erwachsener noch Angst vorm Weihnachtsmann hat. Als sein Chef von ihm verlangt, selbst den Weihnachtsmann zu spielen, nimmt die eigentliche Slasher-Sause ihren Anfang und Billy mordet sich mit seiner Axt bewaffnet durch die Szenerie. Auf ein Whodunit? verzichtet man komplett, „Silent Night, Deadly Night“ wird flott und absolut stringent erzählt. Dabei fährt man einen plakativen/exploitativen Angriff auf religiös infiltrierte, erzkonservative Moralvorstellungen und heuchlerische Festtagsidylle auf äußerst makabre Weise und geizt auch nicht mit nackten Tatsachen. Einer der fraglosen Höhepunkte des blutigen Treibens ist sicherlich die Szene, in der die barbusige Hot-Pants-Trägerin und Scream Queen Linnea Quigley („Return of the Living Dead“) auf ein Hirschgeweih gespießt wird. Falsche Weihnachtsmänner werden erschossen damit gleich weitere Traumata ausgelöst. Das Winterwunderland lodert lichterloh.

Der Skandal um den auch formvollendet mit einem saisonal-feierlich anmutenden Soundtrack mit Glockenspiel und weiterer üblich verdächtiger Instrumentierung versehenen und für derartige Low-Budget-Genrekost prima geschauspielerten Film ließ nicht lange auf sich warten; Klerus, Moralisten und weitere unheilige Konsorten liefen Sturm und „Silent Night, Deadly Night“ wurde aus den Lichtspielhäusern genommen – avancierte im Heimkino aber zurecht zum Kult.

„Nun kann euch nichts mehr geschehen – der Weihnachtsmann ist tot!“

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