Als Riesenfan von Fantasia war meine Freude groß, als die Fortsetzung - Fantasia 2000 - in die Kinos kam (1999 versteht sich). Doch diese Freude sollte einer ziemlich bitteren Enttäuschung weichen. Vom Konzept her ist Fantasia 2000 das gleiche wie der Vorgänger, daher ist dieses Review auch genau so aufgebaut, wie das für den ersten Film (den ich im Folgenden zur besseren Unterscheidung Fantasia 1940 nennen werde). Soll heißen: Ich beschreibe die acht Fragmente, während mir die Ansagen dazwischen immer noch egal sind.
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 5
Fantasia 2000 beginnt eigentlich recht vielversprechend: Zu Beethovens berühmter Fünften, flattern an Schmetterlinge erinnernde Gestalten durch eine farbenfrohe Umgebung und freuen sich des Lebens (sofern davon bei Kreaturen, die aus zwei schwebenden Dreiecken bestehen, die Rede sein kann). Doch dieser Frieden wird unterbrochen von dunklen Wesen, die eher an Fledermäuse erinnern, und in Form eines gigantischen Heeres die Schmetterlinge in die Enge treiben. Doch dann bricht mit einem DA-DA-DA-DAAAH die Sonne hervor und vertreibt die Störenfriede.
All das ist sehr surreal gestaltet und erinnert damit angenehm an den Auftakt von Fantasia 1940. Und es ist beeindruckend, wie sehr man mit geometrischen Figuren mitfühlen kann.
Dieser Teil von Fantasia 2000 ist kurz zusammengefasst, da er sehr kurz ist. Nicht mal drei Minuten nimmt er ein. Das trifft leider nicht auf das Kommende zu...
Ottorino Respighi
Die Pinien von Rom
Bei Fantasia 1940 hat man ein paar ungewöhnliche Bilder gesehen: tanzende Pilze, marschierende Besen, Nilpferde in rosa Tutus. All das war zwar eigenartig, aber dafür kreativ und unterhaltsam. Bei Fantasia 2000 haben wir fliegende Buckelwale. Das ist nicht nur eigenartig, sondern auch doof und langweilig. Zwar sehen die Wale beeindruckend aus und einige Szenen können sich durchaus sehen lassen, aber man hat die ganze Zeit das Gefühl, nichts zu verpassen, wenn man mal eben auf Klo geht. Okay, etwas passiert schon: Ein Blauwalkalb (lacht nicht, das sagt man so) wird von seinen Eltern getrennt und schwimmt durch eine Eishöle, um sie wiederzufinden. Aber das zieht sich ewig hin.
Und noch etwas: Die computeranimierten Wale können noch so realistisch aussehen; wenn man da die typischen Disneyaugen raufklatscht, wirkt es nur noch unfreiwillig komisch.
George Gershwin
Rhapsody in Blue
Ich habe den vorherigen Part bewusst nicht als Tiefpunkt bezeichnet, den haben wir nämlich hier. In diesem Segment stimmt so ziemlich gar nichts, nicht mal die Musik: Jazz... JAZZ! Das hier ist Fantasia, hier geht es um Klassik! Nun ja, der Jazz wird außerdem gepaart mit einem grottenhässlichen Zeichenstil, der wohl irgendeinem Karikaturisten huldigen soll. Gezeigt werden die Erlebnisse verschiedener Personen im New York der dreißiger Jahre. Die sind zwar teilweise durchaus witzig (mit Betonung auf teilweise), allerdings stößt es mir auch auf, dass plötzlich ein reales Szenario als Hintergrund dient. All das hat, wie ich finde, nichts in Fantasia zu suchen, deshalb gehen wir auch gleich zum nächsten Teil über.
Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch
Klavierkonzert Nr. 2
Es bessert sich zum Glück ein wenig. Hier erleben wir eine leicht abgewandelte Version vom standhaften Zinnsoldaten, einem Märchen von Hans Christian Andersen. Der Protagonist ist ein einbeiniger Zinnsoldat (als er gegossen würde, hat das Zinn nicht mehr ganz ausgereicht), der sich in eine Papierballerina verliebt, allerdings von einem eifersüchtigen Springteufel aus dem Fenster geworfen wird, in die Kanalisation gerät, von einem Fisch gefressen wird und letztendlich natürlich mit diesem Fisch in der Küche des Haushaltes landet, aus dem er zuvor gewaltsam entfernt wurde. Jetzt kommt es zum Finale zwischen dem Zinnsoldaten und dem Springteufel, in dessen Verlauf... der Springteufel im Kamin landet....? Und der Zinnsoldat und die Papierballerina kommen zusammen und leben glücklich weiter? Das geht doch nicht! Ich weiß, dass es bei Disney fast schon Tradition ist, Originalgeschichten zu vereinfachen und kinderfreundlicher zu machen, aber das hier geht zu weit! Der standhafte Zinnsoldat hat eines der bekanntesten Unhappy Ends, das kann man doch nicht einfach umkehren! Das ist einfach falsch! Das ist so, als würde man Bambi neu verfilmen und Bambis Mutter diesmal am Leben lassen, damit die armen Kinder nicht so schockiert sind.
Die Animationen treffen auch nicht wirklich meinen Geschmack: zu viel CGI, zu wenig Gezeichnetes, dadurch sieht alles so künstlich aus (aber bei weitem nicht so hässlich, wie bei Rhapsody in Blue).
Camille Saint-Saëns
Karneval der Tiere, Finale
Endlich wieder was vernünftiges! Wobei vernünftig wohl das falsche Wort ist, schließlich dominiert hier der Slapstick. Eine Gruppe von Flamingos führt einen offenbar streng einstudierten Tanz vor, nur ein einzelner Flamingo beschäftigt sich wohl lieber mit einem Jojo. Die anderen Flamingos sehen das nicht gerne und zwingen ihren Artgenossen am Tanz teilzunehmen, doch dieser weiß mit der Situation umzugehen.
Dieses Segment erinnert an den "Tanz der Stunden" aus Fantasia 1940 und stellt eines der wenigen Highlights in Fantasia 2000 dar. Und mit dem Karneval der Tiere, einem der ersten klassischen Werke, die ich je gehört habe, bekommt es von mir sowieso einen Bonus. Leider dauert es nicht mal zwei Minuten...
Paul Dukas
Der Zauberlehrling
Es folgt das bekannteste Stück aus Fantasia, in dem uns Micky Maus als titelgebender Zauberlehrling präsentiert wird. Sowohl der Kurzfilm, als auch das Musikstück... Moment mal, das hatten wir doch schon!
Jawohl, dieses Stück wurde eins zu eins aus dem alten Fantasia übernommen, daher werde ich es jetzt nicht noch einmal zusammenfassen. Falls man allerdings etwas entscheidendes, das Fantasia 2000 falsch macht, bisher nicht bemerkt hat, so ist dies spätestens jetzt der Fall. Hier beim Zauberlehrling hat jeder Ton, jede noch so kleine Melodie eine entsprechende Bewegung. Man ist versucht anzunehmen, dass die Musik zum Film geschrieben wurde... Und genau das fehlt bei den neuen Beiträgen. Stets merkt man, dass erst die Musik und dann der Film war. Und das ist neben den bisher genannten (und auch noch folgenden) mein größter Kritikpunkt.
Edward Elgar
Pomp and Circumstance Marches
Nachdem Micky Maus nun schon zum zweiten Mal einen Auftritt bei Fantasia hatte, wird es Zeit, dass auch Donald Duck mal an die Reihe kommt. Donald ist hier ein Gehilfe von Noah (ihr wisst schon, der mit der Arche) und hat die Aufgabe dafür zu sorgen, dass auch wirklich zwei Tiere von jeder Sorte an Bord kommen. Dabei übersieht er aber, dass seine Geliebte Daisy an Bord kommt – folglich geht er davon aus, dass sie in der Sintflut umgekommen ist (sie vermutet das Selbe übrigens auch von ihm) wird aber am Ende natürlich wieder mit ihr vereint.
Wie man es von Donald Duck erwarten kann, bekommt man hier in erster Linie Slapstick zu sehen. Leider ist dieser größtenteils eher durchschnittlich, aber ein paar Szenen können schon ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Besondere Erwähnung verdient die Szene, in der zwei ganz normal Enten an Donald vorbeilaufen und er gar nicht so richtig weiß, was er davon halten soll.
Igor Strawinski
Feuervogel Suite
Jetzt sind wir auch schon beim Letzten Segment von Fantasia 2000 angekommen, in dem ein Naturgeist in Form eines Mädchens das Leben des Frühlings in den Wald bringt. Als jedoch ein Berg sich partout nicht von Gras bewachsen lassen will, wird der Geist neugierig, sucht den Krater des Berges (der offenbar ein Vulkan ist) auf und löst einen aus-dem-Sessel-spring-Moment aus, in dem der Feuervogel erwacht. Dieser bringt nun Feuer und Zerstörung über den Wald, verfolgt dabei gnadenlos den Naturgeist und zerstört ihn auch letztendlich. (Ach, einen Naturgeist kann man zerschmettern, aber ein Zinnherz kann nicht im Kamin vorgefunden werden? Mistkerle!) Jetzt ist alles still und tot im Wald, nur ein Hirsch (der übrigens bereits am Anfang den Naturgeist erweckt hat) streift noch herum und belebt den Naturgeist letztendlich wieder, schließlich sind wir hier bei Disney. Jetzt wird wieder alles grün gemacht und selbst der Vulkan ist diesmal nicht vorm Leben sicher.
Vom optischen her ist dieses Segment mit Abstand das beste, besonders die Szenen mit dem Feuervogel strotzen nur so vor Bildgewalt (und erinnern an „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ aus dem alten Film). Auch insgesamt ist es einer der rar gesäten Höhepunkte, allerdings habe ich dennoch zwei Dinge an diesem Teil auszusetzen. Erstens: Der Hirsch sieht zu menschlich aus. Zweitens: Der Naturgeist erinnert äußerlich stark an Animes. Versteht mich nicht falsch, ich mag Animes sehr gerne, aber wenn Disney, ehemals Pioniere auf dem Gebiet der westlichen Animationsfilme, sich plötzlich quasi an der Konkurrenz orientieren, sollte einem das schon zu denken geben.
An dem bisher Geschriebenen kann man es wohl schon ablesen: Fantasia 2000 wird seinem Vorgänger nicht im Entferntesten gerecht. Zu einfallslos sind die Szenarien, zu lieblos die Umsetzung. Die besten Teile von Fantasia 2000 erinnern zwar an den Originalfilm (wobei sie ihn nicht erreichen) sind aber teilweise viel zu kurz und auch nicht frei von Makeln. Es ist bezeichnend, dass der mit Abstand beste Teil unverändert aus Fantasia 1940 stammt. Und im Gegensatz zum alten Film kann ich nicht mal sagen, dass die Musik grandios ist, dazu stört mich der Jazz zu sehr.
Mehr als fünf von zehn Punkten kann ich dafür wirklich nicht vergeben, und dabei profitiert der Film noch von meinem Fanbonus.