Walt Disney Pictures presents...
So die ersten Worte im Vorspann des Films von Henry Selick, der sich hier erstmals in einem abendfüllenden Spielfilm als ein Meister der Knetfigurenanimation profilieren kann, ohne dass Tim Burton ihm die Show stiehlt. Und dementsprechend fängt der Film auch an: James, ein netter kleiner Junge lebt glücklich bei seinen Eltern, die ihn über alles lieben. Und die er über alles liebt. Gemeinsam sitzen sie oft am Strand, gucken verträumt in die Wolken, malen sich aus, wie es wäre, nach New York, der Stadt, in der alle Träume wahr werden, zu gehen. Und natürlich sind sie sowas von glücklich. Alles ist so zuckersüß und idyllisch und in Technicolor und einfach nur disney, dass man fast kotzen möchte.
Aber halt!
Stand da nicht auch im Vorspann: Basierend auf einem Buch von Roald Dahl. Und der ist schließlich Garant für absolut schräge, zuweilen abgründige und zumindest für die ganz Kleinen durchaus furchterregende Unterhaltung. So wird die Idylle jäh unterbrochen von einem gewaltigen schwarzen Rhinozeros, das James’ Eltern verschlingt und ihn verwaist zurücklässt, weshalb er fortan bei seinen furchtbaren Tanten Spiker und Sponge leben muss, die für Träumereien und generell Spaß überhaupt nichts übrig haben und James wie den letzten Dreck behandeln. Doch durch einen unrasierten alten Mann, der James eine Tüte magischer Krokodilszungen andreht, werden einige wundersame Ereignisse angekurbelt, die dazu führen, dass James, zur Knetfigur geworden, mitsamt einer Horde sympathischer Rieseninsekten und einem gewaltigen Pfirsich nach New York unterwegs ist.
Zwei wesentliche Kritikpunkte: Gerade als man sich so richtig über die schrullig-fiese Atmosphäre im Hause der Tanten freut, kommt die erste Ernüchterung. Denn als Paul Terry alias James das erste Mal zum Singen ansetzt, wird sofort klar: Randy Newman ist leider nicht so gut wie Danny Elfman, die Musik, vor allem die Gesangseinlagen wissen nicht so sehr zu überzeugen.
Dann wäre da noch der übermäßige Einsatz von Zuckerguss gerade an Anfang und Ende, aber auch oft mittendrin. Dass Kinder und Disneyfans die Hauptzielgruppe sind, wird in solchen Szenen überdeutlich.
Dafür weiß der ganze Rest zu überzeugen, vor allem die geniale Optik, die ganz konsequent auf künstlerische Verfremdung setzt und keine Sekunde auch nur die Ambition äußert, in irgendeiner Weise Realismus zu übermitteln. Die Schauspieler bewegen sich in schrägen, verwinkelten Sets, die so wenig Tiefe haben, dass es kleine Theaterbühnen sein könnten, umgeben von gezeichneten und gemalten Hintergründen.
Die ganze Bandbreite von Selicks Kreativität entfaltet sich dann im Stop-Motion-Teil des Films, dem Kernstück. Liebevoll ausgearbeitete Figuren, die viel zu toll sind,um auch nur eine nicht zu nennen: Der komplexbeladene Regenwurm, der angeberische Tausendfüßler, der etwas snobbishe Grashüpfer, der damenhafte Marienkäfer („Ladybug“) die taube Glühwürmchendame und die elegante Spinne. Dazu noch ein Geisterpirat, der haargenau aussieht wie Jack Skellington, und etliche skurrile Ideen mehr, darunter ein Blechufo, ein Himmelsruderer und ein bedrohlicher mechanischer Hai.
Richtig bizarr wird es gegen Ende, als eine gewaltige Gewitterwolke in Form eines wutschnaubenden Rhinozeros auftaucht. Bei der Szene machen sich bestimmt einige Kinder die Hosen nass. Ich war ja schon sowas von beeindruckt...
Fazit (für die, die keine Lust haben, die ganze Rezension zu lesen): Stellenweise arg kitschiger Kinderfilm, aber die skurrilen, kreativen, liebevoll ausgearbeiteten und in manchen Momenten furchteinflößend bizarren Bilderwelten von Henry Selick (der Mann könnte in Burtons Fußstapfen treten) entschädigen vol und ganz. Und die Sequenz nach dem Abspann ist geil. Also alle Mann sitzen bleiben!