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Den für Klassiker wie „The Thomas Crown Affair“ oder „Rollerball“ verantwortlichen Regisseur Norman Jewison vorzuwerfen mit „The Hurricane“ berechnend einen Film marginal ausgeloteten Skandalpotential gedreht zu haben, ist mit Sicherheit nicht ganz falsch. Thematisierung von Rassismus und Kritik an der amerikanischen Justiz sind von je her für gute Kritiken zu haben. Doch in diesem Fall bleibt es bei einem Versuch dessen, denn der Film scheitert in so ziemlich allen Belangen. Und wäre da nicht Denzel Washington („Training Day“, „Man on Fire“), wäre das hier eine verkorkste, überlange Schlaftablette erster Güte.

Rubin „Hurricane“ Carter (Washington) wird von klein an mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert, früh in ein Erziehungsheim gesteckt und später unrechtmäßig, für Morde, die er nicht begangen hat, lebenslang eingesperrt. Dieses Leben härtet ihn schon in jungen Jahren ab und verhilft ihm nach seiner Militärzeit zu einer erfolgreichen Boxkarriere, die durch seine Verurteilung jäh beendet wird.

Norman Jewison erzählt die Geschichte rückblickend durch die Augen des jungen, schwarzen Lesra Martin (Vicellous Reon Shannon, bekannt als Präsidentensohn aus Keith Palmer aus „24“). Der talentierte Junge wird von einer Lebensgemeinschaft gefördert, beschließt mit ihr nach Kanada zu ziehen und dort hart für seinen Schulabschluss zu arbeiten. Seine skeptisch an der Armutsgrenze lebenden Eltern sind wenig von seinem Wunsch begeistert, wollen ihm aber nicht im Weg stehen. Der anfangs des Lesens nicht mächtige Lesra kauft sich auf einem Flohmarkt eben Carters Buch, indem er „seine“ Geschichte erzählt. Ergriffen von dessen Schicksal beschließt er Kontakt zu Hurricane aufzunehmen.

Denzel Washington ist hier zum ersten Mal eine außergewöhnliche Leistung in seiner Karriere zu attestieren. Für ihn schien die Rolle des Boxers eine Art Signal zu sein, denn ihm gelang es die hier gezeigte Leistung zu konservieren. Seine lebendigen Darbietungen in „Training Day“ oder jüngst in „Man on Fire“ sind meilenweit von seinen früheren akzentlosen Auftritten in „The Pelican Brief“ oder „The Siege“ entfernt. Washington füllt den Boxer zum Leben – auch abseits des Rings. Damit bleibt er der einzige triftige Grund sich diesen Film anzuschauen.

Der Rest entpuppt sich leider als zäh erzähltes, für die filmische Adaption auch noch vereinfachtes, kaum polarisierendes Drama. Das kanadische Trio gab es beispielsweise nie (Es war fast ein ganzes Dutzend, das sich damals des Falls annahm) und gilt als Zugeständnis – als Unterhaltungszweck für den Film. Der rassistische Polizist Della Pesca (Dan Hedaya, „Daylight“, Alien: Resurrection“) steht nur stellvertretend für den damaligen gesamten Polizeiapparat und wird im Epilog deswegen auch nicht erwähnt. Viel schwerwiegender als diese geschichtlichen Vereinfachungen wiegt aber die problematische Identifizierung mit Carter. Sein Wandel im Knast vom wütenden, jähzornigen, gestählten Kämpfer zum nachdenklichen, ruhigen, lesebegierigen, abgeklärten Insassen erfährt keinerlei Erklärung.
Wenig glaubwürdig ist in dieser Hinsicht auch Wiederaufnahme des Falls durch die Kanada-Clique. Sind es doch Figuren, die von Rechtsprechung und Justiz gar keine Ahnung haben, jedoch mal eben alle nötigen Beweis aus dem Hut zaubern können.

Der Mangel an dramatischem Fingerspitzengespür schlägt sich spätestens im letzten Drittel wieder, denn hier wir „The Hurricane“ zu einem lahmen Gerichtsfilm, bei dem man den Ausgang wie Verlauf (inklusive inbrünstiges Plädoyer) längst kennt. Stattdessen wäre eine Fokussierung des Unschuldigen selbst viel interessanter gewesen. Sein tägliches Leben im Knast, seine sich verändernde Einstellung und sein schwindender Glaube an die Gerechtigkeit werden nur ungenügend wiedergegeben. Hier ist auch ein wenig Kritik an Washington gerichtet, denn der bleibt, außer im Gespräch mit seinen Anwälten, von einer unerklärlichen inneren Ruhe erfüllt. Ganz als ob er sich längst mit seinem Schicksal abgefunden hat, was er ja nun gar nicht hat. Ebenfalls an emotioneller Tiefe mangelt es der anvisierten Vater-Sohn-Beziehung zu Lesra.

Mit plakativ bedeutungsschwangeren Phrasen wie „Ich schmeckte mein Blut und es gefiel mir“ oder „Hass brachte mich in den Knast - Liebe bringt mich wieder hinaus“ (frei wiedergeben) versucht „The Hurricane“ dann verzweifelt zu versinnbildlichen, dass seine Hauptfigur eine betrogenes Opfer war und glorifiziert es dabei zunehmend. Das ist übrigens immer eine Gefahr bei solchen Geschichten, die auf Autobiographien beruhen. Kritisch auseinandersetzen können sie sich mit ihren Figuren inhaltlich nicht. Das hat der Verfasser schon im Vorfeld unterbunden.


Fazit:
Von Denzel Washington weitestgehend beeindruckend getragenes Drama, das inhaltlich zu wenig vorweisen kann. Regisseur Norman Jewison setzt auf die falschen Schwerpunkte, ermüdet mit altgedienten Motiven und schafft es nicht mal sie neu zu verpacken. Für Aufruhr hat der Film im Vorfeld dank seines skandalträchtigen Falls zwar gesorgt, verdient hat des dieser überlange Streifen jedoch nicht. Warten wir also auf die Kino-Verfilmung der Mike-Tyson-Gesichte?!

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