Review

Snow White

Es war wieder mal an der Zeit, einen richtig guten Schweizer Film in die Kinos zu bringen. Wurden die Schweizer Kinogänger in den letzen Jahren arg enttäuscht, kriegen sie hier, von Regisseur Samir, endlich Genugtuung. Snow White lebt vor allem von seinem Realitätsgehalt, der (fast) über die gesamte Spielzeit sehr hoch gehalten wird.

Nico ist ein typisches Goldküsten-Chick, es fehlt ihr an nichts. Dass ihr Vater für sie niemals Zeit hat interessiert sie nur bedingt – schliesslich finanziert er ja ihren übertriebenen Lebensstandart. Die Psychisch angeschlagene Mutter wird kurzerhand mitignoriert, man muss seine kostbare Zeit ja mit wilden Drogenpartys rumkriegen!
Auch Nico’s Freundin Wanda verkehrt in diesen „Jungreichen“-Kreisen, finanziert sich allerdings das Ganze aus der eigenen Tasche. Dafür hat sie ihre „Sponsoren“, denen sie lediglich ein bisschen Gesellschaft schuldet...
Wer fehlt? Ach ja, da ist noch Paco. Paco schwebt auf der Erfolgswelle, sein Rap-Hit liegt seit geraumer Zeit auf Platz 1 der Charts. Zusammen mit seiner Band tourt er durch die ganze Schweiz – mit Zwischenhalt in Zürich, wo er bei einem Konzert auch Nico kennen lernt. Anfänglich scheint ihre Liebe perfekt, doch der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Paco weiss nichts von Nicos Lebensstandart. Als sich dieses Geheimnis lüftet, brennt die Bude, die Ereignisse überschlagen sich. Hat sich dieses Leben gelohnt, Nico? Und du Wanda? Wie sieht’s in deinem Herzen aus, Paco?...

Jetzt mal im Ernst, „Snow White“ ist ein wirklich geniales Stück Film, eine wahrlich gelungener Weltanschauungsunterricht. Er wirkt teils relativ kitschig, teils ziemlich übertrieben. Doch trifft er das Bild einer Jugendgeneration an besser gelegenen Orten in der Schweiz extrem direkt. Das Spiel zwischen Arm und Reich, Ordnungsliebend und Chaot, Weltverbesserer und Spiesser – sensationell wie Samir diese Punkte aneinander gereiht hat!
Schauspielerisch gibt es nur kleine Mängel – gewisse Aktionen verschiedener Akteure wirken nicht immer sehr überzeugt. Wer mir wirklich gut gefallen hat ist Carlos Leal! Der „Sens Unik“ Leadsänger brilliert den ganzen Film durch, eine wahre Meisterleistung des sonst eher auf Musik fixierten Schauspielers.
Eigentlich hört sich diese Kritik ja in allen Punkten sehr gut an – dies berechtigterweise! Doch muss ich an dieser Stelle doch noch einen negativen Aspekt berücksichtigen: Die Synchronisation. Eigentlich war es ein Stück der Genialität, verschiedene Sprachen in den Film einzupflanzen. Englisch, Portugiesisch, Deutsch, Schweizerdeutsch, Französisch – es lebe der Kulturenreichtum. Weshalb man für die - zugegeben Bildhübsche - Nico, eine lediglich Französischsprachige Schauspielerin gewählt hat (Julie Fournier) wird mir ein Rätsel bleiben. Die eine Zürcherin spielende Franz-Braut wurde an praktisch jeder Stelle schlecht synchronisiert – so geht ein ganzes Stück der wirklich tollen Atmosphäre leider flöten...

Nichts desto Trotz ist „Snow White“ zweifelsohne grosses Kino, in der Schweizer Filmgeschichte für mich ganz oben einzuordnen. Der Film fasziniert, bietet Abwechslung, überrascht, trifft die reale Welt tief.

Hey, endlich wieder mal ein guter CH-Beitrag, lange hat’s gedauert!

9/10

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