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Tim Burton - Danny Elfman - Johnny Depp - Animationsfilm; man kann sich ungefähr denken, in welche Richtung das gehen wird, dass es hier auf jeden Fall einen ordentlichen Schuss des Makaberen gibt, vor allem aber einer Sache ist man sich schnell sicher: das Ding wird gut. Allerdings verheißt diese Annahme noch nichts über die Güte des tatsächlichen Films, denn auf dem Weg dahin kann einiges schiefgehen.


Tut es aber nicht. Nein, wir bekommen es hier genau damit zu tun, was wir erwarten: mit einem perfekt getrimmten, bis in die letzte Ecke unterhaltsamen Film, der sogar im Gegensatz zu Disneyproduktionen durch seine Skurrilität die Edge besitzt, die solchen geschliffenen Produktionen sonst fehlt.
Dabei läuft die grundsätzliche Story nach Norm, beziehungsweise nicht so besonders neuartig ab: Der reiche, bürgerliche Victor (ein so schüchterner wie höflicher Johnny Depp) soll mit der armen, dafür aber adligen Victoria (eine im Käfig gehaltene freundliche Emily Wason) verheiratet werden. Die beiden mögen sich sogar, aber die steife Adelswelt ist nichts für den tolpatschigen Victor.
Die Hochzeit platzt, Probleme entstehen, und durch abenteuerliche Lösungswege kommt es doch zum Happy End. So weit, so gut. Nur führt der Umweg zum Glück durch die Unterwelt, weil sich Victor den falschen Ort für seine Eheeidprobe ausgesucht hat und prompt mit einer frisch (seltsames Wort in diesem Kontext) dem Grab entstiegenen Braut vermählt ist. Er ist verständlicherweise nicht sehr begeistert, lernt die Toten aber schließlich als gute Freunde kennen und in einem aberwitzigen Aufstieg der Unter- an die Oberwelt kann die eigentlich verfahrene Situation gehörig auf den Kopf gestellt werden, sodass die Guten einander finden und die Bösen ihr Fett wegkriegen.

Wer grundsätzlich gar nichts (abgesehen vom schwülstigen Wortstil, der in diesem Film nur pointiert eingesetzt wird) mit dem literarischen Typ der Gothic Romance à la "Frankenstein" oder "Dracula" anfangen kann, wird sicher nur wenig für "Corpse Bride" empfinden könne, da dieser Film genau in der Tradition dieser Stilrichtung gedreht wurde.
Die Faszination für das Morbide, die starken Gefühle (über die Grenze von Leben und Tod hinaus), aber auch der gesellschaftliche Umgang des 19. Jahrhunderts zeichnen die Charaktere des Films. So ist Victor genau der Typ des zarten Melancholikers, der mit wissenschaftlichen Methoden die Welt entdeckt, sie jedoch erst durch seine Liebe kennenlernen kann. Victoria ist, streng behütet durch Adelszwänge (während - nicht zu verwechseln - die gesittete Höflichkeit des Victor vom Film sogar liebevoll behandelt wird), in eine weniger süße Melancholie geraten, aus der ebenfalls nur die Liebe sie zu befreien imstande ist.
Und Emily, die tote Braut - nun, sie ist Tim Burtons ureigene Schöpfung, genau wie die Unterwelt. Sämtliche gesellschaftliche Zwänge sind hier abgeworfen, denn im Tod sind alle gleich (das bekannte mittelalterliche Motiv des Gleichmachers ist hier in seinen Konsequenzen recht deutlich). Es gibt keine Hierarchien, dafür aber ein wildes Partyleben und schrille Farben. Der Tod ist das Leben und umgekehrt. Oder so ähnlich. Denn Tim Burton will sich hier trotz seiner Liebeserklärung an die Gothic Romance mit ihrer Todessehnsucht nicht völlig im Jenseits verlieren und so gibt es am Ende eine Zusage aller (auch der Toten) an das Leben.

Dabei werden natürlich einige wenig edle Charakterzüge aller Personen, die vorher durchaus gezeigt wurden, unter den Teppich gekehrt, was dem sonst zwar augenzwinkernden, aber erwachsenen Stil des Films ein bisschen zuwiderläuft, aber nicht widerspricht. Denn wir befinden uns im Trickfilm, weshalb das Grundschema der Geschichte nicht vergessen werden darf. Das ist es, was ich mit geschliffen meinte.
Es gibt die übliche Kritik an den festgefahrenen, unverständigen Erwachsenen, die hier umgemünzt wird zum Angriff auf den Adel, die Mutmach-Erklärung "Bleib so wie du bist", die Erziehung zur Toleranz (hier in einer besonders originellen Form) - alles schon gekannt, alles Standard, nichts besonders.
Wir bekommen es allerdings mit einer derart liebenswert skurrilen und glücklicherweise kompromisslosen Umsetzung zu tun, die am Morbiden nicht spart, nur um die Altersfreigabepolitik gewisser Produzenten nicht zu gefährden, sondern sich alle Freiheiten nimmt, die sie benötigt, sodass wir ein erfrischend eigenständiges Werk serviert bekommen, dem es auch an Komik nicht mangelt.

Alles in allem wird hier beste Unterhaltung geliefert, die sich trotz professioneller Produktion nie zu glattgebügelt anfühlt. Ein makaberes Vergnügen!

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