Review

Manch einer ist bekanntlich Gefangener seiner eigenen Zwänge. Und wie das mit Gefangenen so ist, sind sie üblicherweise in Zellen weggesperrt. Hat man gerade keine handfesten Gitterstäbe zur Hand, kann man im übertragenen Sinne auch Alpträume als Zellen nutzen: Sie sind unwirtlich, trostlos und beklemmend. Außerdem ist ihr Raum begrenzt, denn er wird durch die isolierte Situation definiert, in der sich der Träumende befindet. Also, wenn so ein Alptraum mal nicht die perfekte Räumlichkeit für einen Anthologie-Horrorstreifen ist!

Während andere Vertreter dieser Gattung wie „Monster Club“ (1981), „Creepshow“ (1982), „Screamtime“ (1983) oder „Unheimliche Schattenlichter“ (1983) traditionell eine Rahmenhandlung um ihre Episoden spannen, muss Joseph Sargents „Alpträume“ ganz ohne auskommen. Da nimmt er den Zwang als verknüpfendes Thema gerne an. Einfach eine Kapitelnummerierung an den Anfang jeder Folge gestempelt und schon wird aus einer TV-Miniserie ein abendfüllender Spielfilm mit einem roten Faden.

Terror in Topanga

Wo wir gerade von Gefängnissen sprechen: Dem Gefühl, in einem Raum mit abgesteckten Grenzen eingesperrt zu sein, kommt die Auftaktepisode jedenfalls schon mal recht nah. Zwar spielt sich die Handlung von „Terror in Topanga“ überwiegend an der frischen Luft ab, aber die stockfinstere Umgebung erlaubt kein Abschweifen in die Ferne und verlegt den Fokus immer zentral auf das Set, in etwa so, als würde ein riesiger Scheinwerfer über einer Bühne schweben.

Cristina Raines spielt eine Frau, die sich abends noch einmal auf den Weg in einen Kiosk macht, um Zigaretten zu kaufen, und die Tatsache, dass diese fast schon als „all-american“ zu bezeichnende Situation gegen eine Radiowarnung vor einem wahnsinnigen Mörder ausgespielt wird, der sich in der Gegend herumtreiben soll, bringt auf perfide Weise das Thema Nikotinsucht auf den Plan: Rein stochastisch gesehen, leide ich mehr unter dem Mangel an Zigaretten im sicheren Heim oder unter den potenziellen Gräueltaten eines Psychopathen auf Streifzug?

Dass die Dame auf Risiko spielt, versteht sich von selbst, denn wir befinden uns ja immer noch in einem Horrorfilm. Fortan macht sich das Skript einen Spaß daraus, die Süchtige ihre Entscheidung mit jeder Minute mehr bereuen zu lassen: Passanten und selbst Angestellte wirken verdächtig (wann tat Anthony James das auch mal nicht), das Auto zickt herum und der Weg zur ersehnten Zigarette wird unnötig verkompliziert. Aus der egozentrischen, beengten Perspektive der Protagonistin auf ihre unwirkliche Umgebung, die auch der Twilight Zone entstammen könnte, wird durchaus ein solides Maß an Suspense gepresst, das sich allerdings durch eine alles entscheidende Eigenschaft wieder schnell auf dem Nullpunkt einpegelt: Die durchdringende Vorhersehbarkeit. Wie eine Lagerfeuergeschichte wirkt die Mär von dem Irren in der Dunkelheit, so alt und eingesessen wie ein Furz im Fernsehsessel. Den Rahmen um einen Erzähler, der sich eine Taschenlampe ins Gesicht hält, hat man praktisch jederzeit bildhaft vor Augen. Das muss nicht per se schlecht sein, mit dem Slasherfilm hat sich daraus schließlich ein komplettes Subgenre gebildet; hier jedoch unterstreicht es einfach bloß die simplen moralischen Implikationen, wie sie typisch sind für den gemeinen Episodenhorror. Aber immerhin: Wo die Kippe im Müll landet, ist ja womöglich der Startpunkt für den Fitness- und Gesundheitswahn der 80er gesetzt…

The Bishop of Battle

Mit einer ganz anderen Besessenheit, wie sie charakteristisch für ihre Zeit ist, beschäftigt sich die zweite Episode. Sie erzählt im Kleinen von der Videospielsucht eines Jugendlichen, aber eigentlich geht es im übergeordneten Kontext um neon-durchtränkten Futurismus und die Schockstarre einer ganzen Zivilisation vor den Toren zu einer technisierten Zukunft, die fast schon zum Greifen nahe war.

Wer sich gerne von retrofuturistischer Videospielästhetik einlullen lässt, kommt dabei natürlich voll auf seine Kosten. Mit Einblendungen primitiver Computergrafiken wird man hier durchgehend versorgt, gegen Ende springen sie sogar als dreidimensionale Objekte aus dem Automaten und machen dabei als visuelle Spezialeffekte gar keine so schlechte Figur. Das grün fluoreszierende Drahtgittermodell des „Bishop of Battle“ nimmt sogar in gewisser Weise die Qualitäten späterer Horrorfilm-Ikonen wie Pinhead (in Bezug auf das Design) oder Freddy Krueger (als eine Art „Meister der digitalen Träume“) vorweg, was sowieso für die Gestalten aus thematisch ähnlich gelagerten Streifen zur Zeit des Erwachens der Computeranimation gilt, wie „Der Rasenmähermann“ (1992) oder „Der Killer im System“ (1993).

Darüber hinaus wird aus heutiger Sicht ein spannender Blick auf eine inzwischen erloschene Jugendkultur geworfen, wie sie sich immerhin noch ein knappes Jahrzehnt später in einem SciFi-Klassiker wie „Terminator 2“ widerspiegelte (man vergleiche die Spielhallensequenzen mit der Kaufhaussequenz um John Connor und seinen Freund). Wer damals selbst noch Kind war, wird sich an die magische Anziehungskraft der Spielhallen und ihre Verlockungen des Triumphs über das Unerreichbare vielleicht noch erinnern können. Mit Emilio Estevez in der Hauptrolle hat die Folge außerdem darstellerisch etwas zu bieten, zumal er als Co-Star auch noch den erst 13-jährigen Billy Jayne an die Seite gestellt bekommt, der sich einige Jahre später als Mikey aus „Parker Lewis“ (1990) einen Namen machte.

Das Drehbuch springt teilweise etwas unentschlossen zwischen den Schwerpunkten; was anfangs eine Abzocker-Geschichte der Marke „Weiße Jungs bringen’s nicht“ (1992) zu werden scheint, spielt am Ende eher mit Eroberer-Komplexen. Alleine schon die vielen Bezüge zu Filmen, die erst ein Jahrzehnt später im Kino landeten, zeigen aber, dass „The Bishop of Battle“ im Rahmen seiner Möglichkeiten durchaus innovativ war – dem vorangestellten „Tron“ (1982) zum Trotz.

Benediction

Das kleine Alkoholfläschchen auf dem Nachttisch des Priesters deutet still und heimlich die nächste Abhängigkeit an. „Benediction“ ist aber nicht etwa ein rein mechanisches Trinkerdrama geworden, bei dem alle fünf Minuten ein Close-Up auf die Flasche eingeblendet wird,, sondern eher eine metaphorische Abhandlung über den Verlust des Glaubens an viele Dinge: das Rechtschaffene, das eigene Selbst, das Leben im Ganzen.

Niemand anders als Lance Henriksen geleitet als verlorener Sohn durch die Reise ins eigene Unterbewusstsein und ist natürlich schauspielerisch das größte Pfund in der gesamten Sammlung, weshalb man ihm auch zutraut, den Weg praktisch in einer One-Man-Show zu beschreiten.

Die Episode beginnt mit einem Alptraum (…in einem Alptraum, wenn man so will) voller biblischer Symbolik, angereichert mit Zeitlupe, surrealem Sounddesign und kontrastreichen Bildfiltern. Ein starker Auftakt, der in das visuell vielleicht interessanteste Kapitel einleitet, zumindest wenn man von den kalifornischen Staubflächen nicht genug bekommen kann. Im Gegensatz zu den ersten beiden Kapiteln sind die 80er hier vollkommen abwesend; vielmehr erweisen sich die 70er als stilprägend. Steven Spielbergs „Duell“ (1971) stand offensichtlich Pate für die Idee, einen schwarzen Chevrolet Pick-Up als Verkörperung des Teufels höchstpersönlich auf den Mann Gottes loszulassen. Das Skript klammert sich leider ein wenig zu sehr an diese Vorlage, so dass die Suspense-Einlagen, die von der Unberechenbarkeit der Bedrohung abhängig sind, ähnlich wie bei der Raucher-Episode in Berechenbarkeit versickern.

So muss es eben der charismatische Henriksen rausreißen, dessen Wirkung immerhin von den fiebrigen Bildern und der teils beeindruckenden Stunteffektarbeit verstärkt wird. Wenn der Pick-Up im Stil von „Der Weiße Hai“ (1975) auf einmal aus dem Sandmeer an die Oberfläche stößt, fühlt man sich kurz mittendrin in den Wurzeln des Sommer-Blockbuster-Effekts. Auch wenn der Nachhall eines echten Spielberg ausbleibt.

Night of the Rat

Indirekt bleibt Spielberg auch in Teil 4 ein Einflussgeber, denn wie der von ihm geschriebene und produzierte „Poltergeist“ (1982) befasst sich auch „Night of the Rat“ mit dem familiären Konstrukt im suburbanen Vorort-Amerika, bei dem der Horror durch die Holzdielen und den Mauerstein des hübschen Eigenheims bricht. Richard Masur, Veronica Cartwright und Jungdarstellerin Bridgette Anderson verkörpern mit gebündelten Kräften ein idealisiertes Lebensmodell, das von einer mannshohen Ratte bedroht wird.

Der Zwang ergibt sich im Abschluss der Anthologie daraus, dass die Familie um jeden Preis intakt gehalten werden muss, obwohl sich schön früh Risse bilden, längst bevor sie sich an den Hauswänden manifestieren. Entsprechend verlegt sich der Fokus auf die Konflikte zwischen dem Mann, der einem archaischen Selbstverständnis nach alles selbst in die Hand nehmen möchte, und der Frau, die einfach nur den Familiensegen bewahren möchte – ein Konzept, das sich bis in Sitcom-Formate der 90er hinein wie „Hör mal, wer da hämmert“ gehalten hat.

Die Trickkiste war zu diesem Zeitpunkt der Produktion offenbar bereits völlig geplündert, denn die Kopiereffekte, mit denen sich die überdimensionale Ratte durch das Finale knabbert, hat mehr mit den B-Movies der 50er gemein als mit dem großen Jahrzehnt der praktischen Spezialeffekte.

Fazit


„Alpträume“ arbeitet sich also vom konkreten Suchtverhalten zunehmend in abstraktere Gefilde vor, bleibt aber seinen Kernthemen treu. Insgesamt leidet die Kurzgeschichtensammlung unter ihrer akuten Ideenlosigkeit, greift sie doch überwiegend altbekannte Motive auf und klammert sich dabei ausgerechnet an Vorbilder wie „Duell“, die mit einer solchen Effizienz funktionieren, dass man sie unmöglich toppen oder auch nur sinnvoll variieren kann. Dennoch bekommt Joseph Sargent den Zeitgeist streckenweise zu packen und weiß zumindest mit den beiden mittleren Episoden ein paar Akzente zu setzen.

Details
Ähnliche Filme