Secuestro Express: 8/10
Die sehr unbekannte Filmindustrie Venezuelas hat mit diesem Film über das "schnelle Kidnappen" (so der Titel), einem Einkommen für die Massen im übervölkerten Caracas, eine echte Überraschung in Qualität und Unterhaltung abgeliefert. Soviel schon vorweg.
Ein junger Mann und seine Freundin werden von einer Gruppe Kleinkrimineller Strassengangster gehijackt und Stunden der Angst beginnen in ihrer kleinen Tour durch die Slums und Ghettos der Millionenmetropole.
Optisch wird man im Filme krassen Gegensätzen gegenübergestellt: zum einen inhaltlicher zum anderen optischer Natur. Inhaltlich wird besonders zu Beginn im Vorspann zusammenraffend ein Portfolio der Kontraste in der Bevölkerung dargestellt. Elendsviertel und ungeheuerliche Villen geben einen guten Einstieg in die Motivationen der bald in Erscheinung tretenden Akteure. Optisch auf zweierlei Ebenen, zum einen auf künstlerischer Ebene (konventionelle Fotografie löst sich mit einer stylischeren mit schönen Effekten versehenen Art der Darstellung ab. Es gibt Split Screens, Einblendungen bei den Vorstellungen, usw.! Einen eher rasanten Schnitt mit vielen extremen Close Ups / Detailaufnahmen (insbesondere von Gesichtern) gibt es allerdings durchwegs zu bestaunen) und zum anderen auf technischer Ebene. Wird durch die zahlreichen verspielten Effekte oft eine höherwertigere Optik vorgetäuscht bricht ab und an das niedrige Budget doch durch und zeigt bswp. Fernaufnahmen in einer unbefriedigenden Schärfe (besonders am Anfang beim eigentlich sehr schönen Flug über die bevölkerten Hügel am Stadtrand).
Die Laiendarsteller machen ihre Sache hervorragend und man kauft ihnen das Latino-Gangster Image definitiv ab, zumal es sich durch den Cast von der Straße weg sicherlich bei dem ein oder anderen auch um einen Gangerfahrenen handeln dürfte.
Dass die Geschichte angeblich nur für einen Kurzfilm konzipiert war und dadurch künstlich in die Länge gestreckt wirkt kann ich an dieser Stelle nicht bestätigen und habe die knapp 90min als sehr knackig und kurzweilig empfunden. Die Handlung weist keinerlei Längen auf und kann durch gekonnt ambivalentes, vielschichtiges Charakterdesign durch die volle Länge das Interesse aufrecht erhalten. Das Charakterdesign ist bis auf eine Ausnahme gegen Ende, die eher unrealistisch/romantisch daherkommt durch die Bank interessant gestaltet und bietet dem Zuschauer einen zu keiner Zeit berechenbaren Klischee Gangster, wobei die gängigen Klischees, mit Sicherheit auch zu Recht, dem Zuschauer angeboten werden.
Der Film besticht auch durch eine zeitweise selbstironische Art, wenn dem Gangstertrupp beim Besuch einer befreundeten Transe das Auto selber gestohlen wird um nur ein Beispiel zu nennen. Witzig mit anzusehen war auch der Monolog eines der Gangster mit seinem Baby, dem er versprochen hat eine gute Zukunft zu bieten: "I buy you a car and a motorcycle. SO you can pimp all the bitches in the hood"
Alles in allem ein sehr schöner Beitrag aus einem Land von dem man in cineastischer Hinsicht mit Sicherheit noch nicht viel gehört hat. Dieser Film braucht sich aber auf keinen Fall der internationalen Konkurrenz zu verstecken, wenngelich auch Filme wie "City of God" natürlich schon rein budgettechnisch in einer anderen Liga spielen. Ganz davon abgesehen, dass es sich bei "Secuestro Express" um ein Regiedebut gehandelt hat:
Fresh Blood = Good Blood