„Uncertain Guest – Du bist nicht allein“ ist das Spielfilm-Regiedebüt des spanischen Regisseurs Guillem Morales („Julia’s Eyes“) aus dem Jahre 2004. Architekt Félix (Andoni Gracia, „Bin ich schön?“) hat sich gerade von seiner Freundin getrennt und fühlt sich in seinem ausladenden, luxuriösen Anwesen reichlich allein und verloren. Nachdem er einem Fremden erlaubt, kurz hereinzukommen und sein Telefon zu benutzen, verschwindet dieser plötzlich, was den Auftakt zu einer Reihe mysteriöser Vorkommnisse in Félix’ Haus darstellt. Diese interpretiert Félix dahingehend, dass er nicht mehr allein ist, sondern sich jemand Fremder in seiner Stadtvilla eingenistet hat. Ist dem tatsächlich so oder fällt er einer ausgeprägten Paranoia anheim?
Ein unbemerkter Mitbewohner im Haus ist ein beliebtes Thriller-Motiv beispielsweise aus Filmen wie „Black Christmas“, den Morales mit Sicherheit gesehen hat. Die damit einhergehende urbane Paranoia hingegen erinnert stark an Polanski und dessen „Mieter-Trilogie“. Zudem handelt es sich um eine typische Zivilisationsangst, die mit steigender Wohnungsgröße abhängig vom Grad physischer wie psychischer Vereinsamung exponentiell wächst, wenngleich tatsächliche Fälle überliefert ist, was diese Ängste zusätzlich schürt. Dies ist der Stoff, aus dem Morales’ Film ist. Der Zuschauer sieht, was Félix sieht oder zu sehen glaubt. Unter nur spärlicher Verwendung von Filmmusik und Soundeffekten kommt es zu atemberaubend spannenden Einzelszenen, die Félix schließlich den Verstand verlieren und aus Angst aus seinem eigenen Haus auszuziehen lassen. Ob sich ein auf diese Weise verängstigter Mensch tatsächlich so verhalten würde, wie es Félix hier tut, sei einmal dahingestellt. Dem sich unaufhaltsam weiter ins Groteske steigernden Filmvergnügen tut dies indes keinen Abbruch.
Dieses lebt von seinen zahlreichen Wendungen, von denen die nächste bedeutet, dass Félix selbst zum unerkannten Mitbewohner bei seiner an den Rollstuhl gefesselten Nachbarin wird. Was Morales anfänglich noch den Zuschauer in höchste Anspannung versetzend, weil ihn eine Eskalation erwarten lassend, inszeniert und mit einer grandiosen Voyeur-/Sexszene aufpeppt (bereits die Sexszenen mit Félix‘ Ex-Freundin waren nicht zu verachten, was den Erotikfaktor betrifft), driftet alsbald in Komödiantische und verliert aufgrund seiner Absurdität jede Glaubwürdigkeit. Nicht zuletzt aufgrund des visuellen Wechselbads aus subjektiver Kameraführung und einen Gesamtüberblick verschaffenden Einstellungen bleibt „Uncertain Guest – Du bist nicht allein“ aber interessant und mitreißend. Nachdem sich zum Ende hin jedoch auch kleinere Längen eingeschlichen haben, wird ein düsteres, bitteres, wendungsreiches Finale eingeläutet, das etwas stärker die Konzentration des Zuschauers einfordert, der letztlich die Puzzlestücke selbst zusammensetzen muss und doch nicht alles minutiös erklärt bekommt, aber dessen graue Zellen angeregt werden. Ob sich dabei nicht doch die eine oder andere Logikschwäche eingeschlichen hat, vermag nach meiner mich zunächst mit einem leichten Fragezeichen auf dem Antlitz zurückgelassen habenden Erstsichtung nicht abschließend zu beurteilen.
Beurteilen kann ich aber in jedem Falle, dass Morales ein beachtliches Debüt gelungen ist. Ein über weite Strecken bedrückender, düsterer Paranoia-Thriller, der seinen von guten Schauspielern verkörperten Protagonisten das eigene Heim als letzten sicheren, behaglichen Rückzugsort nimmt, dabei seine Stimmung aber nicht konsequent durchhält, sondern aufweicht und beinahe der Lächerlichkeit preisgibt. Dies mutet indes eher wie ein bewusst eingesetztes Stilelement denn filmisches Unvermögen an, das mir jedoch nicht sonderlich gefällt. Ansonsten handelt es sich aber um eine weitere empfehlenswerte Thriller-Produktion aus Spanien mit einem starken Finale, die sowohl Freunde des Psychopathologischen als auch des Suspense-Nägelkauers ansprechen sollte.