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Unter Genre-Fans genießt er legendären Kult-Status, und sein Regisseur gilt als einer der wichtigsten Filmemacher des Gore-Horrors - „Blood Feast" aus dem Jahre 1963, inszeniert von Herschell Gordon Lewis. Tatsächlich nimmt er einen nicht zu leugnenden filmhistorischen Platz ein, über dessen Für und Wider man allerdings trefflich streiten kann: „Blood Feast" gilt als erster Gore-Streifen überhaupt. Jahrzehntelang beschlagnahmt, indiziert oder stark gekürzt, ist er auch für heutige Horror-Fans eine kleine Entdeckung, an die nur schwer heranzukommen ist.

Und überraschenderweise sind die berüchtigten Gewaltszenen dieses kaum 70 Minuten laufenden Werks selbst für heutige Sehgewohnheiten noch durchaus ekelhaft. Klar, die Spezialeffekte wirken für moderne Zuschauer lachhaft: Knallrote Farbe, die nicht im Entferntesten nach Blut aussieht, wirre Fleischbrocken anstatt glaubwürdiger Darstellung von Verletzungen und eine konsequente Ausblendung der eigentlichen Gewaltakte (das war zu dieser Zeit wohl weder filmästhetisch noch technisch möglich) sorgen bei abgebrühten Fans eher für Lachanfälle. Dennoch können zartere Gemüter angesichts der krass inszenierten, blutüberströmten Leichen, des Herumwühlens in rohem Fleisch und der von der Kamera ausgiebig gefilmten Verstümmelungen abgestoßen werden. Die Effekte sehen vielleicht nicht echt aus, eklig bleiben sie auf jeden Fall.

Leider sind diese derben Gewaltbilder, die vor über 50 Jahren für einen immensen Schock gesorgt haben müssen, auch der einzige Pluspunkt, den „Blood Feast" zu verzeichnen hat. Bei aller Verehrung für Genre-Veteran Herschell Gordon Lewis, der mit Werken wie „2000 Maniacs" oder „The Gore-Gore-Girls" berüchtigte Genre-Klassiker geschaffen hat, kann man nicht bestreiten, dass er auch von grundlegender formaler Filmarbeit keine Ahnung hatte. Billige Kulissen, in denen eine uninspirierte Kamera meist statische Aufnahmen macht, grottige Dialoge und unfassbar schlechte Schauspieler machen den Film außerhalb der Gewaltexzesse zu einer echten Quälerei. Weder das inhaltsleere Geplapper der Figuren noch ihre Handlungen ergeben irgendeinen Sinn, wirken viel mehr gekünstelt und völlig ideenlos. Polizeiarbeit, Ermittlungen, Verdächtigungen - Fehlanzeige! Die beiden zentralen Ermittler stehen und sitzen nur herum und tauschen beliebige Eindrücke aus, ohne jemals echte Ambitionen erkennen zu lassen.

Neben den erbärmlichen Darstellern liegt das natürlich auch am inhaltsleeren Drehbuch. Die Story um einen verrückten Ägypter, der der blutrünstigen Göttin Ishtar ein kannibalisches Festmahl erbringen will, ist so dünn und ziellos, dass selbst die sehr kurze Filmlaufzeit schon für Durchhänger und Längen sorgt. Dazu kommen komplett austauschbare Figuren, die auch noch extrem klischeehaft gezeichnet sind und nebenbei ein sehr unsympathisches Bild der arroganten Upper Class liefern (deren Ideologie der Film allerdings bedingungslos zustimmt), sowie Handlungsentwicklungen, die zwischen belanglos und lächerlich pendeln. Das wohl dramatisch gedachte Finale, in dem der Irre die weibliche Hauptfigur bei ihrer eigenen Geburtstagsparty auf dem Küchentisch opfern will, ist so unfreiwillig komisch inszeniert, dass man sich unwillkürlich in die Hardcore-Version eines Ed Wood-Streifens versetzt fühlt.

„Blood Feast" mag unter Genre-Fans einen hohen Stellenwert genießen, da er die Mutter aller Gore-Filme ist (dieses unappetitliche Unter-Genre, in dem sich ausführlich in den Folgen von Gewaltakten, wie herausquellenden Eingeweiden oder klaffenden Wunden gesuhlt wird, hatte in den 70ern dann seine Hochzeit im italienischen Horror-Kino), rein filmisch ist er aber ein kläglich gescheiterter Versuch, der weder inhaltlich noch formal irgendwie überzeugen kann. Aber gut, von einem Herschell Gordon Lewis darf man abgesehen von derben Gewalteffekten eben, anders als etwa bei Dario Argento, handwerklich nichts erwarten. „Blood Feast" ist dafür schon ein ausreichendes Beispiel.

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