Werner und Mike haben nur ein Hobby: Frauen! Wie zwei ausgehungerte Raubtiere verfolgen sie das schöne Geschlecht und lassen keine Gelegenheit aus, ihre Triebe zu befriedigen. Bei einem Kartrennen lernen sie die junge Alice kennen und fahren mit ihr für ein nächtliches Bad in eine Kiesgrube. Doch aus Spaß wird Ernst und für Alice wird diese Nacht zu einem schrecklichen Alptraum. Bei Tageseinbruch offenbart sich das ganze Ausmaß der Geschehnisse, doch Alice ahnt nicht, dass ihr wahres Martyrium gerade erst begonnen hat...
Schon der Titel dieses über Jahrzehnte nicht verfügbaren Filmes deutet an, das man es hier mit einem unbequemen Stück deutscher Filmgeschichte zu tun bekommt. Dank Subkultur Entertainment ist dieses Meisterwerk nun auch endlich in einer würdigen Veröffentlichung zu bestaunen und es erscheint völlig unverständlich , warum diese echte Filmperle seit jeher eher stiefmütterlich betrachtet wurde und nie die Anerkennung erlangte, die ihm aufgrund seiner hervorstechenden Qualität zu teil werden müsste. Roger Fritz hat mit seinem dritten Spielfilm "Mädchen: Mit Gewalt" nämlich echte deutsche Filmgeschichte geschrieben, was sicherlich auch dem Zeitpunkt geschuldet ist, an dem dieses kontroverse Werk gedreht wurde. Damals tickten die Uhren in Deutschland noch vollkommen anders und die sexuelle Revolution stand noch ziemlich am Anfang, gleichzeitig hingen immer noch viele Menschen an alten Traditionen und an einer gewissen Prüderie, so das man sich gut vorstellen kann, das die vorliegende Geschichte zum damaligen Zeitpunkt eine absolut schockierende Wirkung auf das Publikum hatte. Doch nicht nur aus dieser Betrachtungsweise heraus ist "Mädchen: Mit Gewalt" absolut harter Tobak, denn auch in der heutigen Zeit wirkt das Szenario immer noch extrem intensiv und kriecht dem Zuschauer richtiggehend unter die Haut.
Das liegt sicherlich auch an den Darstellern, wobei insbesondere die drei Hauptrollen absolut perfekt besetzt sind. Klaus Löwitsch, Arthur Brauss und Helga Anders liefern hier absolute Glanzleistungen ab, wobei Löwitsch an dieser Stelle ganz besonders erwähnt werden sollte, da der von ihm dargestellte Charakter sich auch als der vielschichtigste heraus kristallisiert. In einer Nebenrolle ist zudem noch der junge Rolf Zacher zu begutachten, dessen Figur allerdings ein wenig zu kurz kommt. Wie dem aber auch sei, Roger Fritz lässt von der ersten Minute an keinen Zweifel daran aufkommen, in welche Richtung seine Erzählung tendiert. Schnell und kompromisslos werden mit Werner (Löwitsch) und Mike (Brauss) zwei Figuren in den Vordergrund gerückt, die ausschließlich darauf bedacht sind das sie in sexueller Hinsicht auf ihre Kosten kommen. Das sie dabei in der Wahl ihrer Mittel nicht unbedingt zimperlich sind kommt zu Beginn eher schemenhaft zum Ausdruck und kann vom Zuschauer zunächst nur durch diverse Verhaltensweisen und stattfindenden Dialogen erahnt werden. Viel interessanter ist zunächst auch der Aspekt, das die Figurenzeichnungen der beiden Männer anscheinend ganz klar vorgegeben sind, denn während sich Werner als leicht reizbarer und impulsiver Part manifestiert, scheint Mike eher der ruhige und bedachte Gegenpol zu sein, der größtenteils sogar leicht in sich gekehrt daher kommt. Im weiteren Verlauf der Story wird der Betrachter allerdings eines Besseren belehrt, denn spätestens in der zweiten Filmhälfte geben sich bei beiden Männern Facetten in ihrem Wesen zu erkennen, die man so nicht unbedingt erwartet hätte.
War man bisher eigentlich der Meinung, das Löwitsch die treibende Kraft innerhalb des Vergewaltiger Duos darstellt, kommt nun die wahre Gewichtung der Macht zum Ausdruck. Spätestens jetzt lässt nämlich Brauss die Maske des ruhigen Typen fallen und zeigt sein wahres Gesicht, das ganz besonders nach der Vergewaltigung von Alice (Helga Anders) durchbricht. Ist der Mann im Arbeitsleben noch der Untergebene seines Mitstreiters, so kristallisiert er sich nun als Kopf des Ganzen heraus. An diesem Punkt des Geschehens bekommt man dann auch ganz großes Kino geboten, denn Fritz präsentiert nun ein perfides psychisches Katz und Maus Spiel, das Mike nur durch diverse Dialoge mit der jungen Alice treibt. Die dabei zum Vorschein kommende Manipulation des eingeschüchterten Opfers wurde absolut brillant in Szene gesetzt und die offensichtliche Eiseskälte des Mannes jagt einem wahre Schauer über den Rücken. Er empfindet ganz augenscheinlich eine sadistische Freude daran das Opfer mit Worten zu drangsalieren und einzuschüchtern, was ihm letztendlich auch ganz hervorragend gelingt. Zu diesem Zeitpunkt lässt Werner dann im Gegenzug fast menschliche Züge erkennen und es scheint fast so, als wenn ihm seine Tat sogar leid tut. Dadurch wird man als Zuschauer fast schon in ein Wechselbad der Gefühle versetzt, denn obwohl man ganz generell gesehen selbstverständlich auf der Seite der jungen Alice steht, regt sich fast so etwas wie leichte Sympathie für den überforderten Mann.
Doch auch in diesem Punkt fährt der Regisseur noch einmal harte Geschütze auf, denn dieser Zustand soll nicht von großer Dauer sein. In einem immer intensiver wirkenden letzten Filmdrittel überschlagen sich nun nämlich sowohl die Ereignisse wie auch die Verhaltensweisen der Akteure. Löwitsch kristallisiert sich dabei als ein wahres Chamäleon heraus und fällt mit ständigen Wesensänderungen auf, die einen wirklich fertig machen. Erstaunlicherweise reagiert gerade die betroffene Alice streckenweise mit einer Nüchternheit auf das Ganze, die schlussendlich mit einer finalen Passage endet, die man in dieser Form nicht wirklich erwartet hätte. Hier kommt es meiner Meinung nach auch auf die Interpretation des Betrachters an, denn einerseits könnte man davon ausgehen, das die junge Frau unter der Schockwirkung der Vergewaltigung leidet, anderseits besteht auch durchaus die Möglichkeit, das sie selbst durch das ständig wechselnde Verhalten der beiden Täter vollkommen irritiert ist und keinen klaren Gedanken fassen kann. Im Prinzip ist das aber auch egal, denn Fritz hat hier definitiv ein Stück Film abgeliefert, das einen selbst auch noch sehr nachhaltig beschäftigt und eine ganze Zeit lang sogar recht sprachlos zurück lässt. "Mädchen: Mit Gewalt" muss man erst einmal sacken lassen und richtig verdauen, denn dieses Szenario wird man ganz bestimmt nicht so schnell vergessen. Keinesfalls sollte man sich dieses revolutionäre Stück deutscher Filmgeschichte durch die Lappen gehen lassen, das ohne visuell explizite Gewaltdarstellungen eine solche Wucht entfacht, das einem streckenweise die Luft weg bleibt. Die Stärke und Brutalität des Szenarios wird vielmehr durch eine extrem beklemmende Grundstimmung, erstklassige Dialoge und das fantastische Schauspiel seiner Protagonisten erzeugt, wobei sich das Gesehene auf eine schleichende Art und Weise regelrecht im Gedächtnis des Zuschauers eingräbt.
Fazit:
Vollkommen zu Unrecht wird "Mädchen: Mit Gewalt" seit ewigen Zeiten in eine bestimmte Ecke gedrängt und erlangt dabei nicht die Aufmerksamkeit, die der Film definitiv verdient. Bleibt nur zu hoffen, das dieser Umstand sich durch die vorliegende Veröffentlichung von Subkultur ändert und viele Menschen nun auch endlich in den Genuss dieses Juwels deutscher Filmkunst kommen.
10/10