Drei Jahre nach dem Fall im Orientexpress kehrte Poirot auf die große Leinwand zurück und diesmal hatten die Macher die Vorlage wesentlich besser gewählt.
Christies "Tod auf dem Nil" ist allein durch seinen exotischen Schauplatz, eine Nilkreuzfahrt mit einigen Ausflügen, schon visuell ansprechender als das Setting des Vorgängers. Natürlich bringt auch hier das Element des "Beengten Raumes" einen gewissen klaustrophobischen Drive in die Story, denn große Teile des Films spielen sich lediglich auf dem Kreuzfahrtschiff ab, wird das Schiff verlassen, ergänzt das die Story meist lediglich.
Auch in diesem Fall ist es ein Ensemble von Verdächtigen, die für den Mordfall zur Verfügung stehen, dargestellt wieder von einer bunten Mischung bekannter Schauspieler.
Aber wesentliche Änderung tragen dazu bei, daß diese Verfilmung zu einem besonderen und verbesserten Vergnügen wird.
Da wäre zunächst einmal der bisweilen bitter-britische Humor, der dem Film im besten Kolonialstil aus jeder Kleidfalte sickert. Das sind deutlich wieder die 20er/30er und die Kolonien sind noch nicht lange Geschichte. Zwar setzt der Film in England ein, um den Werdegang des Opfers und die wütende, damit verbundene Liebesgeschichte einzuführen, aber an Bord des Schiffes wird mit dem Figurenensemble alles von Minute zu Minute bunter. Poirot stolpert geradezu im Urlaub in die Handlung rund um den Mord, zu dem natürlich wieder einmal alle Anwesenden eine Verbindung haben.
Doch die eigentliche Urlaubsfahrt wird deswegen nicht ausgesetzt. Bette Davis und Maggie Smith triezen sich nämlich in fetzigster Manier als Dame und Begleitung, während Mia Farrow mal wieder rumspinnt, Jack Warden sich an einem Schweizer Arzt abmüht und Angela Lansbury als stets versoffene Erotikautorin über das Deck schwankt. Mit den nötigen Spitzen geht man aufeinander los und das auch noch in extrem exotischer Umgebung.
Die Qualität des Films liegt aber darin, daß sich nicht ausschließlich auf diesen Mord konzentriert wird, auch das folgende Geschehen hat eine gewisse Doppelbödigkeit und bei einem Mord beläßt es das Skript nicht, es wird noch zwei weitere Opfer geben.
Damit wirkt das Buch gegen eine mögliche Erstarrung an, indem die Mörder weiter an ihrer Vertuschung arbeiten, während Poirot ihnen auf den Fersen ist, während der Zuschauer mitraten darf.
Als kleinen optischen Happen zwischendurch wirft uns die Crew dann die Schätze des alten Ägypten vor die Füße, die Pyramiden und die Tempelanlagen von Luxor, die in ihrer jahrtausendealten Ruhe ihr ganz eigenes morbides Flair entwickeln: Menschen wie Ameisen in den zerfallenen Riesenbauten, in Licht, Dunkelheit und erhabener Stille, wie geschaffen für einen weiteren Mordanschlag.
Wichtig in diesem Zusammenhang auch der Tonfall des ermittelnden Duos. Hatte Finney noch Martin Balsam als Stichwortgeber, so arbeitet in diesem Fall ein schnuckeliger David Niven mit Peter Ustinov zusammen und sorgt mittels trockenstem britischem Understatement für die nötige Kontrakarierung zu dem wortkarg-brummigen Belgier.
Überhaupt Ustinov: sicherlich ist er nicht die Romanverkörperung von Christie, doch mehr Spaß macht er auf jeden Fall. Allein durch seine weltgewandte, jovial-freundliche Art wertet Ustinov die nölige Arroganz des Detektivs ins Positive um. Egal, was Poirot hier von sich gibt, stets hat er das Publikum auf seiner Seite, während er die Fäden entwirren muß.
Zahlreiche kleine, humorvolle Intermezzi (besonders schön ist die Muränen-Einlage beim Essen und der Schlangenangriff in der Garderobe samt späterer Entsorgung) sorgen für zwischenzeitliche Entspannung und deuten stets überdeutlich an, daß es sich hier um einen Riesenspaß handelt. Und Sir Peter zieht nach Kräften vom Leder, weil die Produktion nur so von Zeitgenössigkeit strotzt. Ustinov ist das reine Vergnügen, der wesentliche Grund, sich den Film anzuschauen.
Ein weiteres interessantes Stilmittel ist der Gebrauch möglicher Rückblenden. Um der Trockenheit deduktiver Ausführungen zu entgehen, wird dem Zuschauer gezeigt, was Poirot den Verdächtigen anhängen könnte, wie er sie mit der Tat in Verbindung bringt, immer eine neue Seite, doch die richtige wird natürlich nicht dabei sein.
Das schafft Abwechslung und lädt zum Mitraten ein.
Die Auflösung allerdings ist (bei entsprechender Buchunkenntnis natürlich, denn der Film folgt der Romanvorlage) bleibt schließlich dem Detektiv vorbehalten, der es schafft, in einer zwanzigminüten Auflösung am Schluß all die kleinen Hinweise zu einem großen Ganzen zu verdichten, ein kompliziertes Dickicht von Zusammenhängen.
Allerdings gehört die Überraschung des Zuschauers zu einem Whodunit dazu, denn wären die Motive und der Hergang sofort allen zugänglich, würde der Film seinen Sinn verlieren.
Für mich ist "Tod auf dem Nil" die Essenz aller Christie-Umsetzungen in filmisches Material, roman- aber nicht figurengetreu, dabei aber filmisch attraktiv und unterhaltsam auf der ganzen Linie, nicht ohne ernste Untertöne.
Für die Ewigkeit: 10/10.