Review

Wer sich nach Betrachtung von "Pakt der Wölfe" leicht überfahren vorkommt, dürfte in guter Gesellschaft sein.
Ein geradezu haarsträubender Genre-Mix, der alles zusammenmischt, was nur irgendwie jemals in einem Kino hat unterhalten können, rauscht mit seiner vollen Pracht auf den ahnungslosen Zuschauer zu. Zwar ist die Ausgewogenheit durchaus ein gewisses Problem, doch hat Christophe Gans seine Hausaufgaben in punkto Verwertung der bisherigen Filmgeschichte offensichtlich sorgfältig gemacht.

Allein die Aufzählung von Stilmitteln und Genres allein würde als Review durchaus Bestand haben. Deswegen sollte man sich auch gar nicht die Mühe machen, alles haarklein nachzuerzählen, um es dann Stück für Stück auseinanderzunehmen.
Also im Groben: Gans inszeniert die historische Bestiengeschichte anfangs wie einen klassischen Abenteuerfilm, bei dem zwei Gesandte ausziehen, das Rätsel um die Bestie zu lösen. Daß wir nicht Genrekonventionen festhängen, sondern hier eine Arschbombe durch sie durch machen, beweist schon der Einführungsmord an einem Bauernmädchen, der einerseits eine wunderschöne Hommage an den Bojenmord in "Der weiße Hai" ist und andererseits um so brutaler wirkt, weil wir ihn nicht sehen. Die Fluchtversuche der Frau zuvor, die dazu führen, daß sie sich das Gesicht zerschlägt, sind da viel heftiger. Anschließend mischen unsere zwei Hauptdarsteller mal eben ein paar Soldaten auf, die sich an Heiler und Tochter vergreifen. Was im Voraus noch keiner ahnt, ist daß diese Einführungsepisode Bedeutung für den ganzen Film haben wird, wie überhaupt alles bei Gans irgendwie zusammenhängt.

Mag auch der dramaturgische Wildwuchs die tollsten Blüten treiben, so inszeniert Gans doch keine überflüssige Szene, sei es erzählerisch oder unterhaltsam. Seine Charaktervorstellung ist makellos, ohne in Klischees zu verfallen, stellen sich die Figuren nach und nach selbst dar, auf das sich die Zuschauer ein eigenes Bild machen können.

Allerdings bleibt es nicht bei der klassischen Abenteuer mit Action-Struktur. Als Monsterjagd cum Verschwörungsthriller baut das Drehbuch auf ein beachtliches Figurensortiment, dessen Bedeutung und Zusammengehörigkeit sich erst nach und nach erschließt. Dabei macht der Film aus seinen Absichten kein Geheimnis, indem es so viele Figuren präsentiert, daß sie mit der Sache einfach etwas zu tun haben müssen.

Obwohl die erste Hälfte generell etwas ruhiger inszeniert ist, ist sie doch sogar die bessere von beiden. Der Fall der Bestie wird zwar nicht aus den Augen verloren, doch interessiert sich der Film auch noch für zeitgeschichtliche Details, romantische Nebenhandlungen, politische Intrigen. Dabei sollte nicht vergessen werden, daß unsere Protagonisten keine Jäger und Killer sind, sondern Le Bihans de Fronsac ein aufgeklärter Naturforscher (+Arzt+Kämpfer+Gärtner usw.) ist und der Indianer nicht sein Vollstrecker, sondern ein naturverbundener Blutsbruder.

Gans inszeniert die ganze Einführung in der vollen Pracht inszenatorischer Details und hält dann diesen Stil durch. Knallige atmosphärische Farben, buntschillernde Prachtkostüme, den Stimmungen des Wetters optimal angepaßt. Dagegen setzt er aber auch reichlich Dreck und Morast, sindflutartige Regenfälle und tödlichen Schnee, Morde im Schlamm und die halb abgestorbene herbstliche Öde einer französischen Wildlandschaft.

Stilistisch nimmt Gans den Zuschauer dabei mit auf eine Achterbahnfahrt der technischen Möglichkeiten: Zeitlupe, Zeitraffer, Bildeinfrierungen. Die Actionszenen sind meist überschnell, um dann wieder verlangsamt abzulaufen. Details wie spritzendes Wasser in Großaufnahmen. Der Sound dröhnt und bläst einem fast die Ohren weg, wenn im Kampf die Knochen knacken oder Stahl in Fleisch eindringt. Das ist modernstes Mainstreamkino für Krachverwöhnte.

Die kommen also durchaus auf ihre Kosten, auch wenn sie immer wieder Durststrecken zwischendurch ertragen müssen, wenn die Geschichte sich entwickelt, neue Fäden auswirft und andere wieder einholt. All das im Interesse des mysteriösen Rätselspiels. Nicht zu vergessen auch das gewisse Augenzwinkern zwischendurch, der leichte, aber historisch passende Comic Relief des Aufgeklärten gegen den Adelsdünkel, geschliffene und pointierte Dialoge zwischendurch. Dazu ein Hauch indianischer Mystik, die den ganzen Fall begleitet, die nicht erklärt werden will und kann.

Die zweite Hälfte setzt schließlich mehr Action, was den Seherwartungen entgegenkommt, aber dem Fluß des Film manchmal nicht gut tut, denn jetzt stehen vermehrt Actionsequenzen und Brutalitäten gegen ruhige und reichlich tragische Phasen, was ein wenig holprig wirkt. Im letzten Drittel schließlich bekommt der Zuschauer auch endlich Einsicht auf die Bestie selber, die man bis dato nur in Auschnitten gesehen hat. Gesetzt wurde hier auf eine CGI-Kreatur, die manchmal tatsächlich an "Das Relikt" erinnert, die aber trotz ihres relativ häufigen Einsatzes in keiner Szene wirklich en detail betrachtet werden kann. Das Tierchen ist wirklich üppig und macht ordentlich Bruch, weswegen seine Auftritte (wenn man sich nicht an der Künstlichkeit stört) echte Pulssteigerer sind.

Ohne spoilern zu wollen, driftet der Film dann auf in der Schlußphase von der Bestie weg und konzentriert sich auf die Verschwörung dahinter, garniert mit ein paar schlachtfestartigen Höhepunkten.
Tatsächlich ist der Bodycount in diesem Film mehr als beachtlich. Da werden Kehlen durchschnitten, Körper durchbohrt, Menschen an die Wand genagelt, Organe zerfetzt und und Knochen gebrochen wie nichts gutes, nur eben effektiv entweder vermehrt im (Halb-)Dunkel oder in einer Geschwindigkeit, die keine Splatterdetails braucht, außer dem gurgelnden Ton Sterbender.

Das Finale ist wenig triumphierend, sondern eher fatalistisch-traurig, wenn auch mit leicht positiver Note, allerdings auch nicht von der zu erwartenden Sorte. Der Film führt all seine Figuren zu ihrem logischen Ende, wobei nicht wenige das Filmende gar nicht erreichen.

Schauspielerisch sind die Leistungen mehr als angemessen für einen Abenteuerfilm. Le Bihan dürfte noch eine ereignisreiche Karriere vor sich haben, denn als Le Fronsac deckt er die ganze Palette seines Charakters ab, vom Lebemann über den Wissenschaftler, vom Liebhaber zum Aufklärer, vom Jäger zum kaltblütigen Menschenschlächter, auch wenn die Wandlung in letzteren am Ende leicht forciert wirkt. Dacascos ist als Sidekick in einer fast stummen Rolle in fast jeder Szene ein Genuß, seine Kampfsporteinlagen natürlich zuvorderst zu nennen, doch eine gewisse Ironie, mit der mit dem Indianermythos und dem Mysterium drumrum umgegangen wird, steht ihm auch gut. Vincet Cassel ist deliziös als Widerling, während Jeremie Renier dem Plot eine jugendliche Note verleiht. Recht angenehm auch die Damen mit Emilie Dequenne und einer geheimnisvollen Monica Belluci, die wieder mal für Nacktszenen mißbraucht wird, aber damit anscheinend keine Probleme hat.

Wer sich also auf die vollen 142 Minuten Wundertüte des Kinos einläßt, braucht nicht nur einiges an Sitzfleisch, er sieht sich auch über die volle Laufzeit reichlich abwechslungsreicher und teilweise stilistisch wild gemischter Handlung gegenüber, die mal ruhig und mal hektisch inszeniert ist. Doch trotz seiner erzählerischen Unebenheiten macht das visuelle Flair fast alles wieder wett. Interessanterweise schienen sämtliche Kinogängerfraktionen im Saal am Ende durchaus zufriedengestellt und in ihren Erwartungen an den Film nicht enttäuscht, eher von Art und Weise der Erfüllung überrascht. "Pakt der Wölfe" ist das filmische Äquivalent zu einem Cocktail, dessen Zusammensetzung man nicht kennt, der aber berauschend riecht und schillernd aussieht.
Und von dem man sicher weiß, daß er einen Schädel macht. Von mir auf Ex. (8,5/10)

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